Sondengänger haben in Norditalien eine verschlüsselte Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg ausgegraben. Angeblich war die Entschlüsselung schnell gefunden. Allerdings habe ich daran noch meine Zweifel.
Kennen Sie Murphys Regeln für den Nahkampf? Diese (nicht ganz ernst gemeinte) Liste hat auch für Kryptologen einige passende Regeln parat. Die Regel “Schau unwichtig aus, vielleicht ist beim Feind die Munition knapp” habe ich in Klausis Krypto Kolumne sogar schon verwendet. Auch die Regel “Profis sind berechenbar, die Amateure sind wirklich gefährlich” hat beim Codeknacken des Öfteren ihre Gültigkeit, genauso wie “Ist es dumm und funktioniert, so ist es nicht dumm”.
Wenn eine vor einigen Tagen aus Italien eingetroffene Geschichte stimmt, dann muss ich heute eine weitere Murphy-Nahkampf-Regel zitieren: “Hast du den Stift gezogen, ist die Handgranate nicht mehr dein Freund.” Dabei könnte sich sogar herausstellen, dass diese Regel nicht immer stimmt.
Das Kryptogramm in der Patrone
Doch der Reihe nach. Im Boden der südlichen Toskana, so berichtet ein kürzlich erschienener Artikel, hat ein Sondengänger anfangs des Jahres eine interessante Entdeckung gemacht: einen verschlüsselten Zettel aus dem Zweiten Weltkrieg. Dieser war in einer Patrone versteckt (deshalb schlug die Metallsonde an). So sieht der Zettel aus:
Das Kryptogramm transkribiert sich wie folgt:
CBFUK YYEVO ZILOO
ZVNCW JKQRS AWBYZ
UGYTZ WYBAT RSUA
605YZ/FF
Die Lösung war verdächtig schnell gefunden
Eine solche Nachricht zu dechiffrieren, kann ein schwieriges Unterfangen sein, wie beispielsweise die inzwischen berühmte Brieftauben-Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt. Doch in diesem Fall war ein anonymer Forumsteilnehmer mit dem Codenamen Dockmur aus dem US-Bundesstaat Vermont schnell mit einer Lösung zur Hand. Angeblich fand er in den Unterlagen seines Großvaters ein Codebuch, mit dem sich folgender Klartext ermitteln ließ:
The (6) 5 letter codes read as follows, from left to right, top to bottom:
THEY – THROW – GRENADES – WE – PULL – PINS – AND – THROW – BACK
The final code at the bottom is a phrase:
NOTIFY REINFORCEMENTS STAND DOWN – NOT NEEDED
Und damit wurde aus dem Fund eine spektakuläre Geschichte. Die verschlüsselte Nachricht stammte demnach von einem US-Soldaten, der seinen Kameraden mitteilt: Die Deutschen verwenden Handgranaten, bei denen man zwei Stifte ziehen muss, bevor sie explodieren; sie wissen das aber nicht und ziehen immer nur einen Stift; wir können daher den zweiten Stift ziehen und die Handgranaten zurückwerfen.
Stimmt die Lösung?
Diese Geschichte hat sicherlich eine gewisse Komik und lässt die deutschen Soldaten als Trottel erscheinen. Aber stimmt sie? Ich habe da meine Zweifel.
Sollte die Geschichte stimmen, dann müssten die US-Soldaten an der Front ein Codebuch eingesetzt haben, das beispielsweise THEY auf CBFUK abbildet. Entsprechende Codebücher gab es im Zweiten Weltkrieg zwar, sie wurden aber in der Regel nicht an der Front eingesetzt, wo ein Buch jederzeit in die Hand des Gegners fallen konnte. Außerdem kamen im Zweiten Weltkrieg ziemlich viele Codebücher zum Einsatz, die zudem öfters gewechselt wurden. Der besagte Forumsteilnehmer muss also eine gehörige Portion Glück gehabt haben, wenn er in den Unterlagen seines Großvaters das richtige Codebuch gefunden hat.
Vielleicht kann der Forumsteilnehmer ja mal einen Scan aus dem Codebuch posten. Bis dahin bin ich erst einmal skeptisch. Falls jemand die beschriebene Lösung bestätigen oder widerlegen kann, möge er sich melden.
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Zum Weiterlesen: Eine versteckte Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg
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