Die Terroristen der RAF arbeiteten mit Decknamen und kodierten Begriffen. Wäre es der Polizei gelungen, diese Verschlüsselungen zu dechiffrieren, hätte sie vermutlich einige Anschläge verhindern können.
Mit den Verschlüsselungstechniken der Roten Armee Fraktion (RAF) hat sich meines Wissens bisher niemand systematisch beschäftigt. Nach allem, was ich bisher weiß, hat die RAF keine ausgefeilten Krypto-Verfahren entwickelt, die in größerem Umfang zum Einsatz gekommen wären. In dieser Hinsicht erreichte beispielsweise die IRA oder die Mafia ein höheres Niveau.
Statt mit vollwertigen Verschlüsselungen arbeitete die RAF mit Decknamen und Code-Begriffen (etwas ausführlichere Informationen gibt es hier und hier). So hieß Andreas Baader “Hans”, Gudrun Ensslin “Grete”, Ulrike Meinhof “Anna” und Christian Klar “Ede”. “Pappen basteln” stand für “Dokumente fälschen”, mit “Topf” war eine Haftmine gemeint, die an ein Auto angebracht werden sollte. Obwohl solche Codes aus Sicht eines Kryptologen ziemlich hemdsärmelig wirken, erfüllten sie im Großen und Ganzen ihren Zweck. Die Polizei hatte Mühe, die diversen Decknamen richtig zuzuordnen. Viele Decknamen der dritten RAF-Generation sind nach wie vor ein Rätsel.
Hätte die Polizei die RAF-Codes früher durchschaut, hätte sie vermutlich einige Terror-Aktionen verhindern können. Unterlagen der RAF, in denen diese Codes verwendet wurden, lagen der Polizei jedenfalls vor. Einen ganzen Stapel davon konnten die Ermittler am 30. November 1976 sicherstellen, als sie zwei hochrangige RAF-Mitglieder festnahm: Siegfried Haag und Roland Mayer. Die bei dieser Gelegenheit aufgefundenen Unterlagen wurden meines Wissens nie veröffentlicht – dabei wären sie für die Kryptografie-Geschichte durchaus interessant.
Bekannt ist, dass in den sichergestellten Dokumenten unter anderem von einer “Aktion Margarine” die Rede war. Heute weiß man: “Margarine” bezog sich auf General-Bundesanwalt Siegfried Buback, dessen Initialen mit der Margarine-Marke SB übereinstimmten. Der Anschlag auf Buback wurde später genauso in die Tat umgesetzt wie die Aktione “Big Raushole”, die in den Unterlagen angekündigt wurde – gemeint waren damit die Schleyer-Entführung und die Flugzeug-Entführung, mit denen inhaftierte RAF-Terroristen freigepresst werden sollten. Hätte die Polizei die Decknamen und die Code-Begriffe verstanden, hätte sie den Terroristen zuvorkommen und einiges verhindern können.
Hat die RAF weitere Geheimcodes verwendet? Der Blog-Leser John Lamping hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, dass im Film “Der Baader-Meinhof-Komplex” ein Buch-Code vorkommt. Ich habe diesen Film zwar gesehen, kann mich an die entsprechende Stelle aber leider nicht mehr erinnern. Weiß ein Leser mehr? Kennt jemand weitere Verschlüsselungstechniken der RAF? Weiß jemand, wie die Terror-Organisation Rote Brigaden in Italien oder die Action Directe in Frankreich diesbezüglich gearbeitet hat? Über Hinweise im Diskussionsforum würde ich mich freuen.
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Zum Weiterlesen: Der verschlüsselte Mordauftrag aus dem Gefängnis
Ergänzung vom 9.4.2015
John Lamping hat mir freundlicherweise Screenshots aus dem Film zur Verfügung gestellt, die die Buch-Chiffre zeigen.
Das verwendete Buch ist Moby Dick. Dieses wird im verlinkten Spiegel-Online-Artikel zwar erwähnt, allerdings nicht im Zusammenhang mit einer Buch-Chiffre, sondern als Quelle für Decknamen der RAF-Mitglieder (Baader war “Ahab”, Holger Meins “Starbuck”, Ensslin “Smutje”).
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