Der US-Fotograf und -Filmemacher Bob Mizer wurde durch skandalträchtige Männer-Nacktaufnahmen bekannt. Er entwickelte einen Geheimcode, mit dem er seine Modelle als Prostituierte anbot.

Allein schon der Vorwurf, jemand sei homosexuell, konnte in den USA noch vor einigen Jahrzehnten einen Menschen ruinieren. In der Frühphase des Kalten Kriegs setzten viele Homosexualität mit Kommunismus gleich. “Pinko fag” (“roter Schwuchtel”) war ein beliebtes und böses Schimpfwort.

Zu den Opfern der damaligen Homophobie gehörte auch der schwule Fotograf und Filmemacher Bob Mizer (1922-1992). Schon zu Beginn seiner Karriere verbüßte er eine neunmonatige Haftstrafe, weil er Fotos von leicht bekleideten, muskulösen Männern verbreitet hatte. Solche Darstellungen werden übrigens auch als “Beefcake” (“Fleischkuchen”, frei übersetzt: “Sahneschnitte”) bezeichnet.

Bob-Mizer

Quelle: Bob Mizer Foundation

Mizer ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Allen Anfeindungen und juristischen Unwägbarkeiten zum Trotz schuf er in den folgenden Jahrzehnten mehrere Tausend Beefcake-Filme und fast eine Million Fotos mit ähnlichem Inhalt. Er gab die Zeitschrift Physique Pictorial heraus, deren Inhalt nahezu ausschließlich aus erotischen Männerfotografien bestand. Sie wurde unter Schwulen in den USA äußerst populär.

Für Bob Mizers Aufnahmen interessierten sich nicht nur Konsumenten, sondern auch andere Fotografen und Künstler, die auf diese Weise oftmals Modelle fanden und buchten. Sowohl Mizer als auch andere Künstler nutzten Foto- und Drehtermine gerne für sexuelle Kontakte mit ihren Modellen.

Mizers Geheimcode

Was das alles mit Kryptografie zu tun hat? Eine ganze Menge. Darauf machte mich der Bibiothekar und Historiker Erwin In het Panhuis aufmerksam, den ich von diversen Science Slams kenne. Erwins Spezialgebiet ist die Kulturgeschichte der Homosexualität. Bekannt geworden ist er unter anderem durch sein Buch über Homosexualität bei den Simpsons.

Bob Mizer, so weiß ich von Erwin In het Panhuis, nutzte einen Geheimcode, um in seiner Zeitschrift Physique Pictorial zusätzliche Informationen zu seinen Modelle abzudrucken. Neben Angaben zur Zuverlässigkeit seiner Protagonisten übermittelte er auf diese Weise vor allem deren sexuelle Neigungen. Dies war ein Service für die Geschäftspartner unter seinen Lesern, die dadurch Modelle buchen konnten, die sowohl vor der Kamera als auch abseits davon ihren Vorstellungen entsprachen.

Für den genannten Verwendungszweck hätte sich ein steganografischer (also versteckter) Code angeboten. Stattdessen nutzte Bob Mizer jedoch ziemlich auffällige Geheimsymbole. Diese sind in vielen Bildern in der Physique Pictorial nicht zu übersehen (Quelle: The Complete Reprint of Physique Pictorial: 1951-1990, erschienen im Taschen Verlag):

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Den Schlüssel zum Code teilte Mizer nur ausgewählten Geschäftspartnern mit. Der Code brachte ihm später noch einigen Ärger ein, da sich damit der Vorwurf der Prostitution und der üblen Nachrede belegen ließ. Mizer vernichtete alle Informationen zum Code, wodurch von ihm keine Beschreibung des Schlüssels erhalten geblieben ist. Trotzdem weiß man in etwa, wie der Code funktionierte. Die laut Erwin In het Panhuis ausführlichste Beschreibung findet sich im Film Beefcake (aus dem Jahr 1998, relevant sind die Filmsequenzen 4:45-5:15, 58:40 und vor allem 1:12:45-1:13:35):

Der Geheimcode von Bob Mizer zeigt, dass die Verschlüsselungstechnik auch in Bereichen angewendet wird, in denen man sie nicht unbedingt vermutet. Diese Geschichte belegt jedoch auch, dass Laien in der Verschlüsselung oft grobe Fehler machen. Hätte Bob Mizer seinen Code mit steganografischen Techniken (also versteckt) umgesetzt, hätte er dessen Existenz jederzeit abstreiten können. Die offensichtlichen Geheimsymbole lieferten dagegen Beweise gegen Mizer gleichsam auf dem Präsentierteller.

Zum Weiterlesen: Versteckte Nachricht im Indie-Popsong

Kommentare (3)

  1. #1 gedankenknick
    5. Juni 2015

    Die Frage, wie man bei solchen Fotos die Steganografie hätte unterbringen wollen, bleibt im Artikel leider unbewantwortet.

    Eine Steganografie mittels “hinzugefügter Gegenstände im Hintergrund” ist bei solchen Model-Fotos meist schwer, da man sehr oft sowohl aus fotografischen (Anpassung der Systemblitze und des Schattenwurfs) als auch aus ästhetischen (Ablenkung vom Model) Gründen vor monochromen Hintergründen fotogarfiert. Die 5 Beispielbilder, welche einen Hintergrund erkennen lassen, zeigen dies leidlich gut. Eine “arithmetische Steganografie”, wie heutzutage in computerbearbeiteten Bilddateien üblich ist, war damals rechenleistungstechnisch wie auch datenübermittlungstechnisch eher unpraktikabel, denke ich. Hinzu kommt in diesem Fall sowohl das Problem der Übermittlung des Schlüssels an die Kunden, als auch von Druckfehlern, die zur Verzerrung/Vernichtung der Botschaft führen könn(t)en…

    Auch ein wiederkehrendes Einfügen von Punkt- oder Strichleisten (oder ähnlichem) in die Dekoration ist nicht einfach, sowohl aus oben genannten gründen als auch in der “Bildnachbearbeitung”. Eine Integration direkt beim Foto birgt den Nachteil, dass das Negativ nicht mehr angepasst (Größe, Beschnitt) werden kann. Ein retuschenartiges Einfügen im analogen Bildbearbeitungsprozess ist sehr aufwendig (gutes Ergebnis vs. lange/teure Bearbeitung) oder aber oft optisch auffällig (leicht identifizierbar bei schnellem/billigen Workflow). Dies sieht man auch an den Beispielbildern – die Codezeichen sehen für mich da alle “wie mit Gewalt ins Negativ gekratzt” aus, im Gegensatz zum z.T. in den Fotos befindlichen Text.

    Eine Steganografie über Details an der Kleidung der Models schließt sich in diesem Falle von selbst aus…

    Ich bin nun wahrlich kein Kryptologe – aber so richtig eine Idee, wie man diesen Fotos einen unaufwendig implementierbarer, für Schlüsselbesitzer leicht decodierbaren aber trotzdem gut verborgenen steganografischen Code hinzufügen kann, habe ich nicht.

    • #2 Klaus Schmeh
      5. Juni 2015

      Möglich wäre ein Jargon-Code. Ein Satz wie “Johnny stammt aus Alabama, seine Hobbys sind Lesen, Schwimmen und Kochen” kann eine versteckte Bedeutung haben.
      Eine andere Möglichkeit wäre es, jedem Bild eine Nummer zu geben. “Nr. 948489” sieht harmlos aus, könnte aber ein Code sein.

  2. #3 gedankenknick
    6. Juni 2015

    Herzlichen Dank für die Antwort. Den Jagon-Code sehe ich etwas schwierig, da, soweit ich die Beispielbilder sehe, ja durchaus zumidest teilweise Text zu den Models vorhanden war/ist, und dieser sich nicht wiedersprechen sollte.

    Die “Durchnummerierung” der Bilder scheint mir tatsächlich ein recht gangbarer Weg, vorausgesetzt, man fügt dem eigentlichen Code noch einige Zahlen (fortlaufende Zahlen und/oder Zufallszahlen) hinzu, um Doppelnummerierugen zu vermeiden und den Code unübersichtlicher zu machen und damit zu tarnen.

    Meine obige Fantasielosigkeit kommt dummerweise auch dadurch zustande, dass ich bei Steganografie leider immer nur an manipulierte Bilder / Bilddateien denke – in diesem Zusammenhang habe ich sie das erste Mal kennengelernt. Dass Steganografie sich durchaus auch auf andere “Lebensbereiche” erstrecken kann, vergesse ich leider immer wieder.