Wie versteckt man eine Spionage-Botschaft unauffällig in einem Brief? Ein Verfahren aus der DDR zeigt, wie es geht. Ob diese Methode wirklich praktikabel war, ist eine andere Frage.

Eine Botschaft in einem Text zu verstecken, ist eine schwierige Angelegenheit. Legt man beispielsweise fest, dass nur jedes siebte Wort zählt oder jeweils nur der erste Buchstabe einer Zeile, dann ist es recht mühsam, einen passenden Text zu erstellen, der unverdächtig wirkt. Oft entstehen bei einem solchen Unterfangen allzu holprige Sätze, die selbst einem arglosen Leser schnell verdächtig vorkommen.

Vor einigen Monaten habe ich auf Klausis Krypto Kolumne ein Verfahren aus der DDR vorgestellt, das das Verstecken einer Botschaft in einem Text ermöglicht. Dieses Verfahren wird als “Einbauschrift” bezeichnet. Leider haben mir damals einige Informationen gefehlt, weshalb ich die Methode nicht vollständig beschreiben konnte. Der Blog-Leser Detlev Vreisleben, ein Experte für Spionagetechnik, der mich damals auf die Einbauschrift aufmerksam gemacht hat, hat mir nun einige weitere Unterlagen dazu geliefert. Damit kann ich das Verfahren nun deutlich besser erklären.

Der folgende Brief enthält einen geheime Nachricht, die mit der Einbauschrift kodiert wurde:

Lieber Otto,                      Stuttgart, den 2.2.66

Herzlichen Dank für Deinen letzten
Brief, der gestern bei uns eingetroffen ist.
Wir freuen uns zu hören, daß Ihr
den Geburtstag von Lotte so schön verbracht
habt. Bei diesen vielen Geschenken muß
Lotte ja überglücklich gewesen sein.
Schade, daß es uns nicht vergönnt war,
mit Euch zusammen zu feiern. Wir
müssen uns eben auf den Sommer
vertrösten, wenn wir das nächste Mal
zu Besuch kommen. Hoffentlich bekom-
men wir wieder eine Aufenthaltsgenehmigung.

Unser geplanter Ausflug ist leider im
wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser ge-
fallen. Das Wetter war geradezu
miserabel. Erst Schnee, dann Regen.
Da hätte selbst ein guter Gummimantel
nichts genützt.

Das Wort “Dank” in der zweiten Zeile zeigt an, dass die Einbauschrift verwendet wurde. Für diese ist jeweils der Anfangsbuchstabe des ersten und des vierten Worts jeder Zeile relevant. Dadurch ergeben sich folgende Buchstabenpaare (die erste Zeile wird ignoriert):  hd bb wz dl hv lg su mz ma vd zh wa ui ww dg md de. Mit folgender Tabelle werden die Buchstabenpaare in zweistellige Zahlen umgewandelt.

Einbauschrift (3)

Es ergeben sich:

hd bb wz dl hv lg su mz ma vd zh wa ui ww dg md de
33 94 66 98 34 17 20 97 70 52 60 43 67 31 16 39 03

Die zweistelligen Zahlen stellen eine Verschlüsselung dar, die durch Addieren eines Schlüssels erreicht wird. Der Schlüssel lautet in diesem Fall: 33 95 11 94 23 90 94 13 88 52 19 43 38 48 48 39 07. Von diesem Schlüssel muss man die Botschaft abziehen:

Schlüssel: 33 95 11 94 23 90 94 13 88 52 19 43 38 48 48 39 07
Botschaft: 33 94 66 98 34 17 20 97 70 52 60 43 67 31 16 39 03
-------------------------------------------------------------
Ergebnis:  00 01 55 06 99 83 74 26 18 00 59 00 71 17 32 00 04

Einige Subtraktionen sind falsch (zum Beispiel 94-98=6). Ich weiß leider nicht, wie diese Fehler in die Beschreibung gelangt sind. Wer es nachprüfen will, findet hier das entsprechende Blatt aus der Beschreibung:

Einbauschrift (1)

Das Ergebnis hat folgende Bedeutung:

00: Nummer der Ersetzungstafel, die verwendet wird
01: Ebenfalls ein Teil der Nummer
55: Eine Ersetzungstafel hat mehrere Tabellen. Eine davon wird als 55 bezeichnet. Die folgende Abbildung zeigt einen Teil davon:
Einbauschrift-55

06: “Vorsicht bei Gesprächserkundung”
99: Ab jetzt wird Tafel 99 verwendet. Die folgende Abbildung zeigt einen Teil davon:

Einbauschrift-99

83: ver
74: st
26: e
18: ck
00: _
59: nicht
00: _
71: si
17: ch
32: er
00: _
04: Ende

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Kommentare (7)

  1. #1 Narga
    9. Juni 2015

    Die Subtraktionen im Beispiel funktionieren offensichtlich pro Ziffer und nicht pro Zahl. Also 94-98: 9-9=0 und (1)4-8=6 oder auch 11-66: (1)1-6=5 und (1)1-6=5, und 23-34: (1)2-3=9 und (1)3-4=9.

    • #2 Klaus Schmeh
      10. Juni 2015

      Stimmt, jetzt sehe ich es auch- es wird ziffernweise Modulo-10 subtrahiert.

  2. #3 Max Baertl
    9. Juni 2015

    Interessantes Steganographie Verfahren, aber bestimmt sehr Unpraktisch und Auffälig, da immer die Tafeln zum ver- bzw. Entschlüsseln benutzt werden müssen.

  3. #4 Joe
    Berlin
    9. Juni 2015

    Leider ist ein Fehler unterlaufen. Die Dokumentation stammt, wie ersichtlich, von der BStU und zeigt ein steganographisches Verfahren des BND. Die “Buchstaben-Einbauschrift”. Eine vollständige Wiedergabe des Dokumentes ist hier zu finden: https://scz.bplaced.net/m.html#einbau
    Wie Nagra schon richtig schreibt erfolgt die kryptologische Addition/Subtraktion MOD(10).
    Jörg

    • #5 Klaus Schmeh
      10. Juni 2015

      Danke für den Hinweis. Es war also ein westdeutsches Verfahren, keines aus der DDR.

  4. #6 Kent
    9. Juni 2015

    Interesting system, seems a bit cumbersome, but to get a short message across why not.

    This is an interesting field. During World War II the British Escape and Evasion/POW intel organisation MI 9 designed and operated 10 different systems for use by POWs or air crew and others on the run. Some of these systems were designed to be operated without any “incriminating evidence” like code charts.

    MI 9 Code Number II is an interesting example, I have written about this in the ACA Journal and you can also read about it here:
    https://www.arcre.com/archive/mi9/mi9codeii

    and here:
    https://www.arcre.com/archive/mi9/mi9secretcodes

    or via the British National Archives in Kew

  5. #7 Dirk
    9. Juni 2015

    Leider sind viele dieser verfahren komplex und/oder auffallich, und resultieren in ungewöhnlichen satzstruktur oder inhalte. Oft, je mehr geheimtekst/zahlen versteckt sind, je mehr es den tekst beeinflusst. Manchmal genugt es den tekst zu lesen und man spurt dass etwas falsh ist. Ein weniger komplex, unauffallige und komplett verweigerbar verfahren mit voller literarischer freiheit:

    https://rijmenants.blogspot.be/2014/12/wps-secret-numbers-in-letters.html