Wer klebte im Zweiten Weltkrieg verschlüsselte Zettel in ein Buch und welche Bedeutung haben diese Codes? Trotz zahlreicher Leserkommentare ist das Rätsel aus meinem Artikel vom letzten Freitag noch immer ungelöst. Heute kann ich ein paar zusätzliche Informationen dazu präsentieren.

Mein Blog-Artikel über das Rilke-Kryptogramm vom letzten Freitag war einer der meistgelesenen in Klausis Krypto Kolumne seit langem. Kein Wunder, schließlich geht es um eine spannende Geschichte: In ein Buch, das während des Zweiten Weltkriegs gedruckt wurde, hat ein Unbekannter mehrere Dutzend verschlüsselte Seiten eingeklebt. Ein handschriftlicher Vermerk der ersten Seite nennt einen Wachtmeister Klaus und ist auf April 1944 datiert.

Der Besitzer des Buchs ist Dr. Karsten Hansky. Er hat mir dankenswerterweise inzwischen alle beklebten Seiten des Buchs als Scan zur Verfügung gestellt. Hier gibt es eine Seite mit allen Scans in hoher Auflösung.

Hier sind ein paar zusätzliche Informationen:

  • Auf einigen Seiten sind handschriftliche Korrekturen angebracht, beispielsweise auf Seite 5 (rechts im Bild).

Rilke3

  • Auf den Seiten 4 und 5 sieht man außerdem, dass sich Farbe vom einem auf das andere Blatt übertragen hat.
  • Der verschlüsselte Text ist vermutlich eine Hektografie. Das Hektografieren war vor Aufkommen des Fotokopierers eine weit verbreitete Möglichkeit, ein Schriftstück zu vervielfältigen. Leser über 40 kennen Hektografien sicherlich noch aus der Schule, wo diese Technik für Übungsblätter und Klassenarbeitsaufgaben angewendet wurde. Interessant ist: Hektografien waren die Methode der Wahl, wenn es um eine Auflage etwa zwischen 5 und einigen Hundert Exemplaren ging. Darunter war Blaupapier praktischer. Mehr als einigen Hundert Kopien machte die Vorlage (Matrize) nicht mit.
  • Die Leser Narga und Mr X haben eine interessante Beobachtung gemacht: Viele Textpassagen (z. B. “cxsw”, “asdfghj” oder “wert”) bestehen aus Buchstaben, die auf der Tastatur nebeneinander liegen. Lässt sich dieser Verdacht erhärten?
  • Die Null ist immer mit Schrägstrich dargestellt. Dies hat normalerweise den Zweck, dass man die Null vom Buchstaben O unterscheiden kann. In diesem Fall erscheint diese Maßnahme aber unnötig, da Kleinbuchstaben verwendet werden. Dabei ist am uneinheitlichen Aussehen der quergestrichenen Nullen klar, dass diese in drei Schritten (und damit recht umständlich) gedruckt wurden: 0 -> Wagenrücklauf -> /.
  • Karsten Hansky hat sich neben dem Rilke-Buch mit eingeklebten Zettel auch ein normales Exemplar besorgt. Dadurch kann ich im Folgenden die Seiten 38 und 39 im Original und in der präparierten Version zeigen.

Rilke-38-39-Original

Rilke-38-39

  • Sowohl Karsten Hansky als auch der Leser Max Baertl haben festgestellt: Die auf der ersten Seite eingetragegene Zahl 06531 war die Feldpostnummer der FAK.624 (Fernaufklärungskompanie) und war als Teil der KONA 5 in Frankreich stationiert.

Nachdem nun alle Scans verfügbar sind, könnte man das Kryptogramm mit den üblichen Textstatistiken untersuchen. Vielleicht hat ja ein Leser Lust, dies zu tun. Die Resultate würden mich sehr interessieren. Gleiches gilt natürlich für alle anderen Anmerkungen und Ideen zu diesem spannenden Rätsel.

Zum Weiterlesen: Eine versteckte Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg

Kommentare (38)

  1. #1 Klaus Schmeh
    15. Juli 2015

    Facebook-Kommentar von Richard Santa Coloma:
    This one is quite baffling! Well, almost every one is, to me… but what shakes it up is that there is the odd occurrence of keyboard position relationships noted by one of your readers. That cannot be a coincidence… but then, it obviates (I think) so many other systems.

  2. #2 Strempter
    Mechernich
    15. Juli 2015

    Fernaufklärungskompanie riecht förmlich nach Enigma.
    asdfghj usw. scheinen Platzhalter zu sein. Die werden ja auch noch heute benutzt.

  3. #3 Svechak
    15. Juli 2015

    @Strempter
    Kann die Enigma Umlaute und Zahlen? Für mich sieht das gerade nicht nach Enigma aus.

  4. #4 Max Baertl
    15. Juli 2015

    @Strempter
    Die Enigma konnte nur die Buchstaben A-Z verschlüsseln. Umlaute und Zahlen müssten ausgeschrieben werden. Eine Enigma würde also nicht passen. Allerdings wäre zum Beispiel ein Lorenz SZ 40/42 oder eine Siemens und Halske T-52 möglich, da diese Geräte mit dem Baudot code Arbeiten und somit auch Zahlen und Umlaute verschlüsseln können.

  5. #5 Turi
    15. Juli 2015

    OT: Hektograpie wurde grade an Schulen noch viel länger genutzt, ich wurde 1996 eingeschult und ich habe noch in der Grundschule mit einem Hektographen gearbeitet. Nicht lange danach wurde aber auch in meiner Grundschule ein Fotokopierer angeschafft.

  6. #6 Karsten Hansky
    15. Juli 2015

    Der ganze Text wirkt auf mich, wie mit Schreibmaschine geschrieben. Aber was war auf Seite 99 los? Krumm und schief, sowohl Zeilen als auch Spalten. Seite 139 sieht so ähnlich aus.

    Mich interessiert auch, mit welchem Kleber die Blätter eingeklebt wurden. Die Blätter sind weitestgehend vollflächig verklebt. Ausnahme bilden ein paar kleine Wellen (Seiten 6 und 7). Der Kleber ist nicht auf die Rückseite durchgeschlagen und auch am Rand sind keine Kleberreste zu sehen.

    Viele Zeichenfolgen wirken willkürlich (“QWERTZUIGH” auf Seite 1). Wenn ich jemanden die Aufgabe stellen würde, “zufällig” auf der Tastatur zu tippen, so würde das Ergebnis sicher anders aussehen.

  7. #7 Knox
    USA
    15. Juli 2015

    Guesses. It is an attempt to create strings of unpredictable characters to be used for one time pads. This book was in the possession of a captured spy.

  8. #8 Kent
    15. Juli 2015

    According to a US Army Security Agency report from May, 1946 which is available from nsa.gov (doc ID 3486746), the FAK 624 (Feldpost 06531) was engaged from 1942-through at least fall 1944 principally on the interception, traffic analysis and cryptanalysis of Spanish and Portuguese traffic. Due to the Portuguese expertise they also worked on the systems of the Brazilian army units in Italy. It was reported they had some success, solved two Spanish systems (a transposition and a homophonic-possibly similar to the one Klaus covered recently) and had a good handle on five of seven Brazilian systems.

    I wonder if the sheets might have been used in morse code training and testing, or to test the accuracy and speed of intercept operators. This kind of typewriter keyboard affinity would make it a poor encryption pad and poor for “dummy traffic” too. But I think they would be fine for training and testing, and can see somebody getting a copy of training and testing materials and trying to learn them while appearing to read a book.

  9. #9 Karsten Hansky
    15. Juli 2015

    Hi Kent,

    morse code training was also my first idea but:
    There are no doubled letters (‘aa’, ‘kk’ etc.). Each group consists of 4 different letters. This is unusual for morse code training. Also the German ‘ä’, ‘ö’ and ‘ü’ are not very common in morsecode. They very usually transmitted as ‘ae’, ‘oe’ and ‘ue’, although there exist codes: “u” = ..- and ‘ü’ = ..–.

  10. #10 Gert Brantner
    Berlin
    15. Juli 2015

    Hi Karsten, Kent,

    There seems to be no morse here but I adhere to Kent’s train of training and/or testing. One of the purported tasks of unit FAK 624 was also to test german cryptographic methods for their security and after 1943 shifted towards more important (“kriegswichtige”) tasks. They were spies, but with little danger of being uncovered.
    Could this be a training/testing book to identify german station signatures in dummy traffic (which was poor)?

  11. #11 Gert Brantner
    Berlin
    15. Juli 2015

    The shifted lines on page 99 etc. make me think of the “Druckwerk” again, a machine designed to spew out pages of (pseudo-)random numbers, i.e. onetime pads. It was designed using changeable rubber date stamps and I believe would use the same typeface as typing machines. You would not see a difference in the hectography process. Maybe the shifting of the lines is due to slightly stuck typeheads.

  12. #12 Klaus Schmeh
    15. Juli 2015

    Hier noch ein paar Beobachtungen basierend auf den letzten drei Seiten:
    1. Ein Zeichen folgt niemals auf sich selbst (also niemals “ee”, “kk” etc.).
    2. Jede Vierergruppe enthält vier verschiedene Zeichen.
    3. Eine Vierergruppe beginnt fast nie mit dem Zeichen, mit dem die vorangegangene Vierergruppe endet.
    4. Auf den letzten drei Seiten stehen 483 Vierergruppen. Keine wiederholt sich.
    5. Eine Trigrammanalyse ergibt, dass es nur 12 Trigramme gibt, die mehrmals auftreten – und zwar genau 2x!
    6. Cryptool berechnet die Entropie des Textes mit 5.27 von maximal 5.28. Ein so hoher Wert wird beispielsweise von einem Zufallsgenerator erreicht.

    1, 2 und 3 würden am besten zu einer schlecht generierten Zufallsfolge passen, die als Schlüssel oder zum Morse-Üben verwendet wird. Ein zu dieser Beobachtung passendes Verschlüsselungsverfahren kenne ich dagegen nicht. Dass sich die Vierergruppen kaum wiederholen, ist dagegen seltsam. Das pass weder zu einer Zufallsfolge noch zu einem Verschlüsselungsverfahren.

  13. #13 Klaus Schmeh
    15. Juli 2015

    Eine interessante Doppelung, auf die mich Karsten Hansky hingewiesen hat:
    S. 1 – 4. Zeile
    yxas qwer tzui ghvn 65cd w2a3 mLo9

    S. 142 – 4. Zeile
    qwer tzui ghvn 65cd w2a3 mLo9 87gt

    Es stimmen 6 aufeinanderfolgende Gruppen überein. Das kann auch kein
    Zufall sein.

  14. #14 Narga
    16. Juli 2015

    Wenn man noch genauer hinschaut, sieht man, dass S.1 und S. 142 sogar weitestgehend identisch sind, nur um 1 Spalte versetzt 🙂

  15. #15 Narga
    16. Juli 2015

    Sogar das Druckbild ist identisch, das müsste uns doch dem Erstellungsprozess näherbringen…

  16. #16 Narga
    16. Juli 2015

    …und S.2 = S.140 um zwei Zeilen nach unten/oben verschoben.

  17. #17 Kent
    16. Juli 2015

    Hi Karsten, Gert et al
    I may have found something that further points away from Morse and toward the baudot world (Lorenz, Siemens Halske machines, for ex).

    A few frequency analysis samples of the signs show a grouping of the numbers 3,4,8,9 at the very tail end of the frequency distributions.

    This may be by chance but could also be significant as these numbers were used, as a group, for “extra characters” in German ww2 radioprinter systems. See for example page 6 of NSA’s discussion of “German Cipher Machines of World War II” , available on the internet, just google that title.

  18. #18 Hauser
    Stralsund
    16. Juli 2015

    Hey & Guten Morgen,

    irre ich, oder ist der einzige Großbuchstabe, das “L” ? *
    Evtl. grenzt dies etwas ab bzw. markiert Anfang & Ende.

    Beste Grüße aus der Hansestadt Stralsund

    *sollte euch das schon aufgefallen sein bzw. nicht korrekt sein, verzeiht bitte

  19. #19 Karsten Hansky
    16. Juli 2015

    Auch die Seiten 99 und 139 sind nur um eine Zeile und eine Spalte versetzt. Man sieht auch sehr schön, dass man die gleichen Vorlagen verwendet hat, da bestimmte Zeichen auf beiden Seiten die gleichen Fehlstellen haben.

    So wie es aussieht waren die Basis der eingeklebten Texte A4-Seiten, die komplett mit Vierergruppen gefüllt waren. Aus denen hat man dann passende Ausschnitte gewählt.

    Ich habe mittlerweile einige Seiten abgetippt und arbeite mich dabei von hinten nach vorne vor. Die Ergebnisse der letzten 3 Seiten sind so, wie Klaus es oben geschrieben hat. Dann gibt es wieder Seiten mit den “Tastaturmuster” und vielen Wiederholungen.

    Mach euch mal den Spaß und tippt z.B. S. 141 und S. 142 ab. Ihr werdet sofort den Unterschied bemerken.

    Vom Gefühl her hat man es mit zwei verschiedenen “Handschriften” zu tun, die miteinander gemischt wurden.

    Bisher habe ich eine einzige Gruppe mit Buchstabendopplung gefunden: S. 140 – 5. Zeile – ioop (und damit auch S. 2 – 7. Zeile).

    Ebenso selten sind Gruppen, die zweimal das selbe Zeichen enthalten. Genauso selten kommt es vor, dass eine Gruppe mit dem Zeichen beginnt, mit welchem die letzte Gruppe geendet hat.

    Ich werden die eingetippten Texte Klaus zur Verfügung stellen, der sie dann auf seinen Seiten einbaut. Einige Stellen sind schwer zu lesen, so dass es sicher eine Reihe von Tippfehlern gibt.

  20. #20 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/01/25/kryptoverbote/
    16. Juli 2015

    @Hauser:
    Das bringt mich auf die Idee, dass vielleicht kein kleines L vorkommt, und das große Verwechslungen mit 1 verhindern soll, wenn auch bei der verwendeten Type dies nicht nötig war.

    Allerdings finden sich im transkribierten Text mehrere kleine l, allerdings sehr wenige – ein Missgeschick?

    tuwb nmlö äpaz v75j k2üä aqwe trze
    auze vtlö äkg5 kte6 1iam äron 275u
    71qö 5ßcL talf vwkh Lö83 28gä btqw
    1b0n 1b2ö u47e ölwq tgfa abzm uztr
    q8de ölki st65 wr45 xsan möpr 98xy

    Andere Buchstaben liefern 35-48 Zeilen mit Treffern für k,m,n,o, der Mix lL liegt da ganz in dem Bereich.

    Wäre die Frage was das mit der Statistik macht, wenn man vorher alle L in l wandelt.

  21. #21 Narga
    16. Juli 2015

    @KarstenHansky: Eventuell kann man anhand der relativ charakteristischen oberen und unteren Kanten der Ausschnitte die ursprünglichen (wenigen?) A4-Seiten komplett rekonstruieren und daraus mehr über die Zeichenfolgen lernen.

  22. #22 Kent
    16. Juli 2015

    I did a few more tests and if the text is used in columns, then it would work quite well as an encryption pad, and probably also as “dummy traffic”.

    To use text that has patterns on a horizontal basis, vertically instead, was sometimes done with spy book keys. It does not alter the overall frequency statistics of the key but removes any easy way of following the horizontal pattern to solution.

  23. #23 Karsten Hansky
    16. Juli 2015

    Hi Kent,

    thats an interesting idea.

    I was able to reconstruct part of an original page out of pages 72 and 139.

    See: https://www.sam-magnetometer.net/dl3hrt/tmp/combination pages 72+139.pdf

  24. #24 Karsten Hansky
    16. Juli 2015
  25. #25 Hauser
    Stralsund
    16. Juli 2015

    @ Stefan Wagner
    mir ging exakt dasselbe ging durch den Kopf:
    evtl. soll das “L” Missverständnissen vorbeugen (Verwechslung mit “1”)
    ABER
    dem widerspricht das Vorhandensein von “l” (kleinem “L”) – allerdings auffallend selten.
    Der Aufwand ein “L” statt “l” zu schreiben, geht jedoch Hand in Hand mit der Überlegung von
    Hr. Schmeh:
    “0 -> Wagenrücklauf -> /”
    nur um etwas deutlich abzugrenzen, was gar nicht notwendig ist…etwas aufwendig!

    @ Karsten Hansky & @ Kent
    really nice …

    @ Klaus Schmeh
    Haben Sie die Groß- und Kleinschreibung bei der Analyse berücksichtigt? (siehe “l” & “L”)

    1. Seite (unterschiedliche Zeilen) – nur ein Auszug:
    mju7
    8ikj
    dswq
    bnjh
    yxas
    vfrt

    …das sind bewusst getippte Folgen (schaut auf die Tastatur) das kann nicht dem Zufall entsprungen sein

    Beste Grüße

  26. #26 Hauser
    Stralsund
    16. Juli 2015

    @ Dr. Karsten Hansky
    S. 185 oberer Teil schließt sich an…

  27. #27 Hauser
    Stralsund
    17. Juli 2015

    Whm. Klaus – evtl. Wilhelm Klaus – man beachte das Todesdatum 26.08.1944 (allerdings in Polen):
    https://www.weltkriegsopfer.de/Kriegsopfer-Wilhelm-Klaus_Soldaten_0_669486.html?PHPSESSID=8ceb68dbc806e25729886cce940c3033

  28. #28 GCH
    17. Juli 2015

    Nach meinem Kenntnisstand über Dienstgrade wäre es sehr seltsam, wenn jemand im April Wachtmeister ist, und im August Gefreiter.

    Gruß,
    Gerd

  29. #29 Hauser
    Stralsund
    17. Juli 2015

    stimmt schon, etwas abwegig…
    vlt.: degradiert und an die Ostfront geschickt 😉

    Sofern es tat. den Dienstgrad angibt und es sich um die Fp.-Nr. der FAK 624 (KONA 5) handelt
    German Army Cryptoanalytic Effort 1941 – 1944:
    Army Agency for Production of Ciphers 1942 – 1944 (non-russian traffic)
    S. 163 / 164
    https://goo.gl/tkST9o (shorted link)

    Vlt. verstecken sich in dem Dokument Informationen über die verwendete Maschine, Methode etc.

    Besten Gruß

  30. #30 Braunschweiger
    18. Juli 2015

    @GCH, Hauser, #27 — #29 :
    wenn jemand im April Wachtmeister ist, und im August Gefreiter

    Steckt da nicht möglicherweise ein Denkfehler drin? — Wenn es wirklich als “Whm.” und nicht als “Wtm.” zu interpretieren wäre (denkbar), und es z.B. “Wilhelm” bedeuten soll, dann haben wir es hier möglicherweise gar nicht mit einem Wachtmeister zu tun. Einen “Klaus” als Nachnamen gibt es hundertfach, ein “Wilhelm Klaus” wäre etwas greifbarer.

    Außerdem sollte mMn ein Wachtmeister sowieso mit einem Gefreiten ungefähr gleichstehen, ich kenne mich aber in den Dienstgraden jener Zeit nicht aus. Ein zur Arbeit mit Geheimcodes Befähigter dürfte auch zu jener Zeit den Rang eines hohen Unteroffiziers oder einfacheren Offiziers gehabt habe, und solche Schreiben ihre Rangkürzel nicht in Gegenstände, schon gar nicht in ein Code-Buch. — Möglicherweise ist die Angabe “Klaus” selbst auch wieder ein Code oder Tarnname.

  31. #31 Braunschweiger
    18. Juli 2015

    Ist hier eigentlich irgend jemand schon weiter gekommen? Irgend eine neue Idee? — Kann jemand seine Transkriptionen zur Verfügung stellen?

    Mit der Transkription der Seite 188 (auf der Scans-Seite ganz unten, Link oben im Text) bin ich nicht ganz einverstanden; ich hätte einige Änderungen. Der Druck hat nun schlechte Qualität und einige Stellen sind daher nicht eindeutig zu erkennen. Meine Version folgt unten stehend. Die Änderungen sind in (Zeile, Gruppe) :   (1,7) – (3,6) – (4,1) – (6,7) – evtl. (7,3)

    Durch Vergleichen bin ich auf eine hübsche Symmetrie in den ersten 7 Zeilen gestoßen, die durch wenige Unregelmäßigkeiten unterbrochen wird (hatte das schon jemand gefunden?). Der Vergleich zeigt auch, wo evtl. andere Buchstaben zu erkennen sein sollten. Die Zeilen 1 – 3 wiederholen sich in 5 – 7 in der Art, dass jede Gruppe aus den oberen Zeilen in den unteren rückwärts notiert ist — bis auf 4 Abweichungen, bei denen je zwei Buchstaben nicht mitgetauscht wurden oder ein Buchstabe verändert wurde.

    1. gmLn 36s4 uq6ü 1kfr mypü 51bj 7ndä
    2. zuf0 9mkw 1vqi 27ed äüob 84nh cyjr
    3. 9jzw thex cp05 2uaö 7vyk sdqi fr3y
    4. Luv1 doLp 0q91 ohnc tajz 52gm äfw1
    5. nLgm 4s63 ü6qü rfk1 üpym jb15 ädn7
    6. 0fuz wkm9 iqv1 de72 boäü hn48 rjyc
    7. wzj9 xeht 50pq öau2 kyv7 iqds y3rf
    8. wu92 6p8v qoz6 wxuz f3oe vL8ä 0gya

    Die Abweichungen sind in   (1 / 5, 1 : gm) — (1 / 5, 3 : u / ü) — (2 / 6, 5 : äü) — und evtl. (3 / 7, 3 : c / q), wobei das “q” unten wirklich nicht eindeutig zu erkennen ist.

    Was mag diese Symmetrie mit Invertierung bedeuten? — Ist es vielleicht eine Art graphischer Hinweis auf die besondere Zeile 4, die da eingeschlossen ist, aber an der Symmetrie nicht Teil hat? — Gibt es Ähnliches auf den anderen Code-Seiten oder wiederholt sich sogar ein Teil dieses Abschnitts?

  32. #32 Karsten Hansky
    18. Juli 2015

    Die Änderungen (1,7) , (3,6), 4,1) und (6,7) kann cih so bestätigen. (7,3) ist aber korrekt als 50pq.

    Die letzte Seite war die schwierigste zum Eintippen. An manchen Stellen hat auch die Lupe nicht viel geholfen. Außerdem war es die erste Seite, die ich abgetippt habe und hatte da noch kein richtiges Gefühl für das Druckbild.

    Mittlerweile bin ich mit dem Abtippen fast fertig. Klaus bekommt am Wochenende den kompletten Text.

    An drei Stellen konnte ich Text zusammenfügen und habe damit einen etwas größeren Ausschnitt vom Originaltext bekommen.

    Beim Probieren habe ich auch die Erklärung für die verschobenen Gruppen auf den Seiten 99, 139, 186 und 185 gefunden: Dort wurden einfach verschiedene Streifen aus 1 – 2 Spalten nebeneinandergeklebt. Einige Spalten finden sich auf anderen Seiten wieder.

    Die gefundene Symmetrie auf S. 188 finde ich sehr interessant. Man bekommt beim Eintippen natürlich die einfachen Tastaturpfade wie cde3, vfr4 etc mit, aber nicht solche Sachen.

    Ich habe den Eindruck, dass wir es mit zwei verschiedenenen Texten zu tun haben.

  33. #33 Narga
    18. Juli 2015

    Anscheinend sind wohl die Seiten im Buch mit der Schere angefertigte Ausschnitte von Hektographien mitunter derselben größeren (A4?)-Seite. Wie Karsten Hansky schreibt, wurden auch die größeren Seiten zum Teil aus Spalten zusammengestückelt, wobei die leicht unregelmäßigen Zeilen zustande kamen.

    Die Seiten 99 und 139 überlappen sich ja deutlich und lassen so zu, gemeinsam einen Teil einer größeren Seite zu rekonstruieren. Ähnlich großen Überlapp gibt es bei 1 und 142 sowie 2 und 140.

    Auf der linken Seite kann man an Seite 139 nun aber sowohl Seite 72 (wie oben von Herrn Hansky in Kommentar 23 + 24 gezeigt) als auch Seite 185 (den oberen und den unteren Teil) mit einem Überlapp von einer Spalte anhängen.

    Bei Seite 185 gäbe es nach links sogar wieder Anschluss an Seite 7, allerdings passt hier nur der untere Teil. Eventuell reicht also eine gemeinsame Spalte nicht aus, um den Zusammenhang zu belegen.

  34. #34 Karsten Hansky
    18. Juli 2015

    @Narga
    Ich dachte auch erst, dass man aus den Seiten 99 und 139 ein größeres Fragment zusammensetzten kann. Leider passt dass dann aber nicht zu anderen Dopplungen im Text. Das hängt damit zusammen, dass die Seiten 99 und 139 aus verschiedenen Schnipseln zusammengesetzt sind und damit nicht zur Rekonstruktion eines größeren Originaltextes geeignet.

    Ich habe bisher drei Stellen gefunden, die sich zu größeren Texten zusammenfassen lassen:

    1. S. 1 + 5 + 142: Das ergibt 23 Zeilen mit je 14 Gruppen

    2. S. 8 + S. 12: Seite 12 schließt sich rechts unten an Seite 8 an.

    3. S. 3 + S. 72: Seite 3 schließt sich mittig unten an S. 72 an.

    Klaus hat vorhin die gesamte Transkription von mir bekommen. Es sind knapp 19000 Zeichen, wobei natürlich einige Dopplungen durch Mehrfachverwendung vorkommen.

    Die Häufigkeit der Ziffern ergibt interessanterweise eine Glockenkurve, wenn auch die relativen Häufigkeiten recht ähnlich sind.

  35. #35 Karsten Hansky
    18. Juli 2015

    Der von Braunschweiger in #31 dargestellte Zusammenhang gilt auch für S. 187. Daraus könnte man ableiten, dass beide Seiten Teil einer größeren Originalseite sind. Welches der linke und welches der rechte Teil ist, lässt sich leider nicht feststellen.

    (3,1) = öasx (7,1) = xsaä –> Das ist ein Tippfehler im Text. Die Transkription ist korrekt.

  36. #36 Braunschweiger
    18. Juli 2015

    @Karsten Hansky: Ich habe den Eindruck, dass wir es mit zwei verschiedenenen Texten zu tun haben.

    Den Eindruck hatte ich ähnlich auch. Das liegt vermutlich daran, dass einige “Q-Tetts” (Quartetts, Quadrupel, 4-Tupel, …?) willkürlich aus benachbarten Buchstaben der Tastatur zusammengesetzt wirken, während andere Q-Tetts aus weiter verstreuten Buchstaben bestehen. Ich vermute eher, dass einige Buchstabengruppen der Verschleierung oder sonstigen Kennzeichnung dienen (Symmetrien und Invertierungen), während andere wichtige Buchstabeninformationen tragen. Das scheint mir unterstützt dadurch, dass größere Abschnitte erst durch ein nicht leicht erkennbares Verfahren zu größeren Blöcken zusammengesetzt werden müssen.

    Für die Zusammensetzungen der Q-Tetts konnte ich eine kleine Analyse der Tastenentfernung auf einer deutschen Tastatur erstellen. Dazu nehme ich an, dass das Grundschema für 1944 dasselbe ist, wie heute. Die “1” links oberhalb des “Q”, die “0” rechts der “9”, auch dann, wenn dafür ein großes “O” geschreiben sein sollte. Dritte Zeile endet mit “L”, “Ö”, “Ä”, das “Ü” darüber. Dazu wurde eine Tastaturmetrik definiert nach folgendem Schema: eine Taste hat zu sich selbst den Abstand 0, zu jeder der bis zu 6 umliegenden Tasten den Abstand 1, und der Rest ist transitiv erweitert. Der größte Abstand “1-Ä” ist 12.

    Erwartungsgemäß nach oben Gesagtem ist der Abstand 1 der häufigste, gefolgt von 2 und 3 mit zusammen etwa derselben Häufigkeit, dann stark abnehmend, deutlich noch bis 6 / 7, höhere Abstände viel seltener. Interessant wird dann die Gesamtpfadlänge für ein Q-Tett. Der Minimalpfad der Länge 3 ist erwartet häufig, noch häufiger sind aber Pfadlängen 9 / 10 / 11, mit einer Glockenkurve um 10 herum. Die größte Länge war 30, das Maximum 36 wurde nicht erreicht.

    Das unterstüzt meinen Eindruck, dass einerseits viele Kombinationen nebeneinander liegender Tasten erzeugt wurde, evtl. als Füllmaterial, dass aber auch ein großer Anteil von Kombinationen mit einer Pfadlänge um 10 herum nötig war. Möglichweise lassen die Statistiken, auf einzelnen Abschnitten betrachtet, dann noch weiter zwischen beidem unterscheiden.

  37. #37 Braunschweiger
    18. Juli 2015

    Noch eine Bemerkung zur Minimalpfadlänge: vier gleiche Buchstaben hätten die Pfadlänge 0, das wird aber wohl praktisch ausgeschlossen. “ioop” hat die Pfadlänge 2, das bleibt aber wohl die Ausnahme. Auch sehr lange Pfade wie in “qpaö” werden anscheinend nicht oder kaum genutzt. Statistisch müssten sie bei einer großen Menge Q-Tetts bei zufälliger Verteilungsannahme irgendwann auftauchen.

     
    Die Seiten 5 und 186 scheinen mir bis jetzt die wichtigsten zu sein. Zum Einen, weil auf ihnen handschriflich korrigiert wurde; die Einträge sollten also unbedingt lesbar sein, im Gegensatz zu vielen anderen unkorrigierten. Zum Anderen könnten die Fehler auf Seite 5 auch “beabsichtigt unbeabsichtigt” sein, um irgendetwas zu kennzeichnen.

    Dort steht auch die einzig gefundene 5-Buchstabenkombination “b6vcb”, bei der nicht klar ist, ob das vordere oder hintere “b” zu streichen ist. — Die Seite 186 ist aus 6 oder 7 Spaltenstreifen zusammengesetzt worden, was einen tieferen Sinn haben sollte. Möglicherweise nur Füllmaterial, möglicherweise auch ein Hinweis auf das Zusammensetzen von zerteilten Blöcken.

  38. #38 Braunschweiger
    19. Juli 2015

    Die Seite 69 ist extrem interessant, da sie voller Symmetrien ist. Die 20 Zeilen stehen in Blöcken zu 6 — 8 — 6 Zeilen; lediglich die Zeilen 3 +4 und 17 + 18 haben nicht an der Symmetrie teil. Würde man noch 4 passende Zeilen finden, könnte man diese vielleicht ergänzen. 24 Zeilen scheint sowieso ein “magisches Format” bei diesen Seitengrößen zu sein.

    Die Symmetrien stehen, wie gehabt, als invertierte Q-Tetts in derselben Spalte, 4 Zeilen entfernt. Dabei sind ebenso, wie bei den Seiten 187 / 188, nicht alle Invertierungen “sauber”. Auffällig sind besonders in der Mitte die Doppel-Q-Tetts (vf2b 9hä5) und (bfrw 25äh), die nur knapp ähnlich zueinander sind.

    Reine Spielerei zum Seitenfüllen, oder trägt das Information?