Im Zweiten Weltkrieg setzte die US-Armee Navajo-Indianer ein, um Funksprüche in deren Sprache zu übersetzen. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für die Nutzung einer exotischen Sprache als Geheimcode.

Spätestens seit dem Hollywood-Film Wind Talkers gehört diese Episode zu den bekanntesten in der Kryptologie-Geschichte: Im Zweiten Weltkrieg stellte man bei der US-Armee fest, dass die Sprache der Navajo-Indianer für die Kriegsgegner völlig unverständlich war und sich daher für die Verschlüsselung von Sprachnachrichten eignete. Man entwickelte daraufhin einen auf der Navajo-Sprache basierenden Code und rekrutierte Indianer dieses Stammes als Code-Sprecher. Der Navajo-Verschlüsselungscode funktionierte hervorragend und wurde – im Gegensatz zu vielen anderen Verschlüsselungsmethoden des Zweiten Weltkriegs – nie geknackt.

Navajo

Schaut man sich in der gängigen Literatur um, dann stellt man schnell fest: Es gab überraschend viele weitere Verschlüsselungscodes, die auf einer Fremdsprache basierten. Meines Wissens hat sich bisher niemand systematisch mit diesem Thema beschäftigt. Die folgende Liste nennt alle mir bekannten Fälle, in denen Code-Sprecher zum Einsatz kamen:

  • ca. 1863: Im US-Sezessionskrieg setzten die Nordstaaten ungarisch sprechende Soldaten ein, um Nachrichten zu verschlüsseln. Darüber berichtet Craig Bauer in seinem Buch Secret History.
  • ca. 1900: Die Briten nutzten im Burenkrieg Latein als Verschlüsselungssprache. Auch das kann man in Secret History nachlesen.
  • 1918: Im Ersten Weltkrieg nutzten die  Briten Cherokee-Indianer, die unter ihrem Kommando in Europa kämpfen, als Code-Sprecher.
  • 1918: Kurz nach den Briten kamen auch bei den US-Amerikanern Code-Sprecher zum Einsatz. Es handelte sich um Choctaw-Indianer.
  • 1918: Laut Secret History nutzten auch die Kanadier im Ersten Weltkrieg Code-Sprecher.
  • 1941: Im Zweiten Weltkrieg kamen Komanschen in Europa als Code-Sprecher zum Einsatz. Erstmals nutzten die USA damit Code-Sprecher systematisch und entwickelten einen durchdachten Code, der auf einer Indianer-Sprache basierte. Zu diesem Thema gibt es ein Buch namens The Comanche Code Talkers of World War II.
  • 1942: Die erwähnten Navajo-Code-Sprecher wurden im Pazifikkrieg gegen die Japaner eingesetzt.
  • ca. 1942: Neben Komanschen und Navajos dienten Angehörige von über 30 weiteren Indianerstämmen als Code-Sprecher im Zweiten Weltkrieg.
  • 1942: Die USA nutzten Soldaten mit baskischen Sprachkenntnissen als Code-Sprecher in Europa.
  • 1973: Im Jom-Kippur-Krieg kamen auf ägyptischer Seite Nubier als Code-Sprecher zum Einsatz.

Kennt ein Leser weitere Beispiele für Code-Sprecher, die eine Fremdsprache zur Verschlüsselung nutzten? Eventuell kann ich diese Liste noch erweitern. Vielleicht hat sogar mal jemand Lust, dieses Thema ganzheitlich zu bearbeiten und eine vergleichende Übersicht über die diversen Code-Sprachen zu erstellen. Ich würde mich sehr darüber freuen.

Zum Weiterlesen: Die rätselhaften Bilder und Verschlüsselungen des Charles Dellschau (Teil 1)

Kommentare (12)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    21. August 2015

    Faszinierend. Ich hatte tatsächlich bisher nur vom Navajo-Code gehört. Und davon, dass jeder Navajo einen persönlichen “Leibwächter” hatte, der ihn, drohte eine Gefangennahme, sofort töten sollte.

    Anscheinend musste – laut Wiki jedenfalls – dieser Tötungsbefehl nie ausgeführt werden?

  2. #2 Max Baertl
    22. August 2015

    Der Navajo Code basiert auf dem Prinzip Security by Obscurity, somit ist der Code nur sicher so lange es dem Gegner nicht gelingt hinter die Funktionsweise des Codes zu kommen, beziehungsweise einen Navajo gefangen zu nehmen.

    • #3 Klaus Schmeh
      22. August 2015

      Das ist richtig. Insgesamt hatten die US-Amerikaner Glück mit dem Navajo-Code, denn er hatte durchaus seine Schwachstellen. Doch der Erfolg gibt den Amerikanern Recht, und alle Alternativen hätten ebenfalls ihre Schwächen gehabt.

    • #4 BreitSide
      Beim Deich
      22. August 2015

      Deshalb ja der Tötungsbefehl…

  3. #5 Roland B.
    23. August 2015

    Mag ein Gerücht sein, aber ich habe mal gelesen, die Alliierten hätten im Zweiten Weltkrieg im Pazifik Franzosen englisch sprechen lassen (oder Engländer französisch?), angeblich sogar im Klartext (mit Codebegriffen) und die Japaner hätten nichts verstanden.
    Wer weiß, wie die meisten Franzosen noch vor dreissig, vierzig Jahren englische Aussprache interpretiert haben, hält die Vorstellung nicht für ganz abwegig.

    • #6 Klaus Schmeh
      23. August 2015

      Das wäre eine interessante Geschichte, auch wenn der Code relativ unsicher gewesen wäre.

    • #7 BreitSide
      Beim Deich
      23. August 2015

      Ein modernes Beispiel ist ja Oettinger: https://www.youtube.com/watch?v=icOO7Ut1P4Y

  4. #8 Klaus Schmeh
    23. August 2015

    Laut dem erwähnten Buch “The Comanche Code Talkers of World War II” kamen im Ersten Weltkrieg auch Komantschen und Sioux als Code-Sprecher zum Einsatz.

  5. #9 wunderfitz
    23. August 2015

    @Roland B.
    Wer wie wir eine Frankreichreise mit einem Deutsch sprechenden Navi von Becker gemacht hat, hält die Vorstellung auch nicht für ganz abwegig:
    “Nehmen Sie im Kreisverkehr die zweite Ausfahrt auf die Affenü duh Gheneral Tscharrlss dé Ga-u-lé Richtung Zään” (eine Konsultation des Bildschirms ergab Zään = Caen).
    “Rü Albertt Einsehr” (= rue Albert premier) usw.
    Was am ersten Tag Heiterkeitsausbrüche hervorrief, war allerdings nach 14 Tagen nur noch nervtötend.

    • #10 BreitSide
      Beim Deich
      23. August 2015

      Das klappt ja häufig selbst in D nicht. Wobei man sich dabei die richtige Antwort meist zusammenreimen kann.

  6. #11 helmut
    25. August 2015

    @wunderfitz
    ist nicht nur bei den becker-navis so 😉

    @BreitSide
    oettinger ist scheinbar ein krypto-genie 😛
    wird aber sicher in klausis-blog unter den ungelösten kryptogrammen auftauchen 😉

  7. #12 csgo accounts
    17. November 2016

    Appreciate it for helping out, good information. “The health of nations is more important than the wealth of nations.” by Will Durant.