Der Gelehrte Johann Caspar Lavater (1741-1801) hatte Sinn für Humor. Außerdem hinterließ er zwei verschlüsselte Botschaften, von denen eine noch ungelöst ist.

Mit seltsamen Büchern hat man es in der Kryptologie häufiger zu tun – man denke etwa an das Voynich-Manuskript. Das 1771 erschienene Werk Geheimes Tagebuch. Von einem Beobachter Seiner Selbst von Johann Caspar Lavater (1741-1801) ist ein weiteres.

Lavater war ein Schweizer Pfarrer, Philosoph und Schriftsteller. Er wurde vor allem für seine Betrachtungen zur Physiognomik bekannt. In dieser “Wissenschaft” geht es darum, aus den Gesichtszügen eines Menschen auf den Charakter zu schließen. Aus heutiger Sicht sind Lavaters Betrachtungen nicht mehr als Unfug, der obendrein noch dem Rassismus Vorschub geleistet hat.

Das besagte Geheime Tagebuch von Lavater ist dagegen deutlich weniger bekannt. Dabei handelt es sich um ein Werk, das ohne Lavaters Einverständnis veröffentlicht wurde. Hier ist eine Online-Version davon. Es wurde anonym veröffentlicht. Der Herausgeber weist im Vorwort darauf hin, dass einige Passagen unkenntlich gemacht wurden, um die Identität des Autors nicht zu verraten.

Zwei verschlüsselte Passagen finden sich im Geheimen Tagebuch. Hier ist die erste (S. 130):

Lavater-Tagebuch

Sven Lüdemann hat dieses Kryptogramm im Jahr 2013 gelöst. Wenn man die griechischen Buchstaben weglässt, dann erhält man: VALENT OMNES LITERAE NUR DIE GRICHYSCHEN NICHT. Das bedeutet wohl: “Alle Buchstaben zählen, nur die griechischen nicht.” Einen gewissen Sinn für Humor kann man Herrn Lavater wohl nicht absprechen.

Hier ist die zweite verschlüsselte Stelle (S. 174):

Lavater-Tagebuch-2

Transkribiert lautet diese:

woeok 3 diu 5 Tfmufowf 6 ofskt x dif 5 Sfk 2 Af 3 Ko _ Nks 14 Yfsw 2 Pshf + Csbdiui + bu +

Kann jemand dieses Kryptrogramm lösen? Oder ist die Lösung vielleicht sogar schon bekannt? Es gibt eine Menge nichtkryptologische Literatur über Lavater, die ich zugegebenermaßen noch nicht genauer angeschaut habe. Im Internet habe ich nchts zu diesem Kryptogramm gefunden. Weiß ein Leser mehr?

Zum Weiterlesen: Soldaten-Tagebuch nach 150 Jahren entschlüsselt

Kommentare (9)

  1. #1 Norbert
    7. November 2015

    Eine Wortmeldung zur ersten verschlüsselten Stelle, die ja offenbar schon gelöst wurde: “VALENT OMNES LITERAE NUR DIE GRICHYSCHEN NICHT” ist da doch nur der Anfang … Und es geht überhaupt nicht jugendfrei weiter … Vermutlich der Grund, warum diese Stelle chiffriert wurde 😉

    Die ersten paar Worte, mit denen es weitergeht, sind Französisch mit recht unbekümmerter Einstellung zur Orthographie:

    SCHAMBRASSOIMAFAMME
    = j’embrassoi ma femme (alte Form, heute wäre es j’embrassai)
    = ich umarmte/küsste meine Frau

    Weiterlesen kann ja jeder für sich *g* Der Schluss ist mir nicht ganz klar. Evtl. wieder Französisch? AEQUESVIS = et que suit?

  2. #2 Norbert
    7. November 2015

    Update: Am Schluss vom ersten Kryptogramm kippt es wohl wieder ins Latein, evtl. mitten im Wort.

    “-que suis” = und ihre …

    Was für ein Kauderwelsch! Naja, vielleicht sind diese Infos ja in irgendeiner Form hilfreich für die eigentliche Aufgabenstellung, das zweite Kryptogramm 🙂

  3. #3 Norbert
    7. November 2015

    Heureka. Das zweite Kryptogramm ist eine einfache Verschiebung um einen Buchstaben (i und j sowie u und v gelten jeweils als ein und derselbe Buchstabe):

    und nicht selten venerische Reize in mir xervorgebracht hat.

    Die Zahlen geben an, wieviele Buchstaben jeweils zu einem Klartextwort zusammengesetzt werden sollen:
    3 – 5 – 6 – X(=10) – 5 – 2 – 3 – 14 – 2 (falsch, müsste 3 sein).

    @ Klaus: in deiner Transkription fehlt noch ein i im vorletzten Wort.

    Wenn das y im Chiffretext als äquivalent zum i betrachtet wird, ergibt sich auch korrekt “hervorgebracht” statt “xervorgebracht” 🙂

    • #4 Klaus Schmeh
      7. November 2015

      Gratuliere! Das passt. Und wieder ist ein Rätsel gelöst. Das mit dem fehlenden “i” habe ich korrigiert.

  4. #5 Stephan
    8. November 2015

    “Valent omnes…” funktioniert nur dann, wenn man davon ausgeht, dass das ν (kleines ny im griechischen Alphabet) ein lateinisches v ist.

  5. #6 Norbert
    8. November 2015

    @ Stephan: Stimmt! Noch ein kleines Fehlerchen.

    Ich denke aber, mit Ungenauigkeiten dieser Art muss man in solchen Fällen rechnen. Der arme Schriftsetzer, der in die Verschlüsselung sicher nicht eingeweiht war, hatte eine handschriftliche Vorlage mit römisch-griechischem Buchstabenwirrwarr vor sich. Woher sollte er wissen, ob hier ν (ny) oder v (vau) gemeint war? Da hat er halt in den falschen Setzkasten gegriffen … Und wer immer es korrekturgelesen hat, war vermutlich eingeweiht und erwartete bereits, das Wort “valent” lesen zu können, was ihm spontan gelang. Da fällt so ein Fehler schnell unter den Tisch …

    Ich vermute, die Verschlüsselung geht nicht auf den Herausgeber oder Verleger, sondern auf Lavater selbst zurück. Als studierter Theologe war ihm das griechische Alphabet vertraut, vielleicht waren ihm derartige Kodierungen schon in der Studienzeit spielerisch untergekommen. Hier ging es ja hauptsächlich darum, zwei kurze schlüpfrige Passagen durch die Zensur zu schmuggeln. Dass sie trotzdem relativ leicht zu entschlüsseln sind, war eher erwünscht, weil dies das Buch natürlich interessanter machte. Ich bin kein Literaturwissenschaftler, aber ich denke auch, dass der “Herausgeber”, der das Tagebuch unter dunklen Umständen seinem Besitzer entreißt und ohne dessen Wissen veröffentlicht, reine Fiktion ist. So verleiht Lavater dem Tagebuch eine Aura von Authentizität und packt sein Publikum bei seiner voyeuristischen Neugier.

  6. #7 Svechak
    8. November 2015

    @Norbert: Glückwunsch
    Was ich mich noch frage: haben die griechischen Buchstaben auch eine Bedeutung oder sind sie nur Füllmaterial?

  7. #8 Robert
    9. November 2015

    Es gibt von Lavater noch ein zweites Tagebuch, in dem noch mehr Verschlüsselungen enthalten sind. Eine Version ist online z.B. unter
    https://archive.org/details/geheimestagebuc00lavagoog
    zu finden. Laut
    https://books.google.de/books?id=UZpI39k1Se0C&pg=PA69
    wurden die Codes aus den Tagebüchern schon geknackt. Zum Beispiel in “Lavaters Geheimschriften enziffert” von 1977. Siehe: https://books.google.de/books/?id=_-WvPgAACAAJ Ist leider nicht online verfügbar.
    Die Seitenzahlen der verschlüsselten Passagen aus dem zweiten Tagebuch, die unten auf der Seite des Buchs “Schreibsucht” genannt werden, stimmen besser mit der Version hier
    https://books.google.de/books?id=ZbNCAQAAMAAJ
    überein, wobei diese Version beide Tagebücher enthält.

    • #9 Klaus Schmeh
      9. November 2015

      Danke für diese Hinweise. Das werde ich mir gleich mal genauer anschauen.