Henry Debosnys (1836-1883) brachte angeblich seine Frau um und wurde deshalb hingerichtet. Er hinterließ mehrere verschlüsselte Texte, die nie gelöst wurden. Dieser bisher wenig bekannte Fall, über den ich im Februar erstmals berichtet habe, zieht nun weitere Kreise.

Henry Debosnys (Jahrgang 1836) war ein Franzose, der in den USA lebte. Im Frühling des Jahres 1882 kam er aus Philadelphia per Schiff nach Essex, einem kleinen Dorf am Hudson River im Norden des Staats New York. Debosnys war ein gebildeter Schöngeist, der sechs Sprachen sprach, malte und Gedichte schrieb. Bei Frauen kam er bestens an.

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In einer Witwe namens Elizabeth Wells fand Debosnys innerhalb von Wochen eine Geliebte, die er schon nach kurzer Zeit heiratete. Doch das Glück währte nicht lange. Bereits zwei Monate nach der Hochzeit wurde Mrs. Debosnys tot aufgefunden – erschossen und mit durchgeschnittener Kehle.

Debosnys war naturgemäß der Hauptverdächtige und wurde festgenommen. Doch er bestritt die Tat. Außerdem behauptete er, dass “Henry Debosnys” nicht sein richtiger Name war, ohne über seine wahre Identität Auskunft zu geben. Schon vor seiner Ankunft in Essex hatte er mindestens zweimal geheiratet. Die beiden Frauen waren unter merkwürdigen Umständen gestorben. War Debosnys also ein Serienkiller? Das Gericht verhandelte nur den Mord an seiner letzten Frau und sah seine Schuld als erwiesen an. 1883 wurde er gehenkt.

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Während seiner Haft hatte Debosnys zahlreiche Bilder, Gedichte und Texte angefertigt. Außerdem hatte man ihm einige Unterlagen aus seinem Besitz ins Gefängnis geliefert. In diesem Fundus fanden sich vier verschlüsselte Texte. Sie sind bis heute ungelöst.

Die nahezu einzige Quelle zum Fall Debosyns ist das Buch Adirondack Enigma von Cheri L. Farnsworth aus dem Jahr 2011 (aus diesem stammen auch die Bilder von den Kryptogrammen, die Originalquelle ist die Brewster Memorial Library). Mit meinen beiden Blog-Artikeln (hier und hier) zu Debosnys im Februar dieses Jahres habe ich diese Geschichte erstmals in der Krypto-Szene bekannt gemacht. Nun ist auch ein Focus-Online-Artikel von mir dazu erschienen. Aus diesem Anlass will ich noch einmal auf diesen Fall eingehen.

Vier verschlüsselte Texte

Debosnys hat insgesamt vier Kryptogramme hinterlassen. Hier ist die Nummer 1:

Debosnys-Cryptogram-1

Und hier die Nummer 2 (in zwei Teilen):

Debosnys-Cryptogram-2a

Debosnys-Cryptogram-2b

Hier kommt Nummer 3:

Debosnys-Cryptogram-3

Und schließlich die Nummer 4 (in zwei Teilen):

Debosnys-Cryptogram-4a

Debosnys-Cryptogram-4b

Inzwischen sind auch andere Krypto-Experten auf den Fall Debosnys angesprungen. Nächstes Jahr wird voraussichtlich ein Buch erscheinen, in dem die Debosnys-Kryptogramme genauer untersucht werden. Außerdem hat der britische Kryptogramm-Experte Nick Pelling kürzlich in seinem Blog darüber berichtet. Pelling hat dieses Rätsel zudem in seine Cipher Foundation aufgenommen, ein (noch junges, aber interessantes) Projekt, in dem es um die Untersuchung bekannter historischer Verschlüsselungen geht.

Was bedeutet H.D.D.L.M.F?

In seinem Blog-Artikel weist Nick Pelling auf eine Buchstabenfolge hin, die in den Text des zweiten Kryptogramms (erster Teil) eingebettet ist:

Debosnys-hddlmf

Die ersten drei Buchstaben stehen offensichtlich für Henry Delectnack Debosnys. Die Striche unter den Buchstaben geben anscheinend die Zahl der verbleibenden Buchstaben im abgekürzten Wort an (bei HENRY sind es beispielsweise vier Striche, da nach dem H noch vier Buchstaben verbleiben). Was aber bedeutet L.M.F.? Unter diesen Buchstaben sind sechs, sechs und fünf Striche angebracht, es müsste sich also um Wörter mit sieben, sieben und sechs Buchstaben handeln. Hat jemand eine Idee?

Es gibt noch einige weitere Ansatzpunkte zur Untersuchung der Debosnys-Kryptogramme. Diese werde ich bei Gelegenheit in Klausis Krypto Kolumne vorstellen.

Zum Weiterlesen: Wer knackt diese Verschlüsselung aus dem Bonner Stadtarchiv?

Kommentare (21)

  1. #1 Dwon
    11. November 2015

    Einige Zeichen erinnern mich an die koreanische Schrift, in der einzelne Elemente kombiniert sind zu einem Zeichen. Beispielsweise, das Prozentzeichen: Mit Punkten, mit Kreisen oder Strichen. Das X könnte auch zu der Gruppe zählen.

    Mit den einzelnen Zeichen und den Bildern wirkt es so als wären mehrere Sprachen kombiniert worden.

  2. #2 AndreasMa
    11. November 2015

    Nummer 4 scheint ja ein Gedicht zu sein mit Paarreim. Das letzte Zeichen in der Zeile ist identisch, bei einem normalen Reim ist aber nur die letzte Silbe gleich.
    Somit scheint jedes Zeichen für eine Silbe zu stehen.

  3. #3 Altägypter
    11. November 2015

    Ich habe einen schlimmen Verdacht. Da hat jemand in deinem früheren Blog schon deutlich mehr Zeichen ausgemacht, als das französische Alphabet Buchstaben hat.
    Auf dem einen Chiffrat steht “Monographe perse”. Perse heißt persisch. Das Äussere dieses Selbstbildnisses könnte durchaus in den Iran passen. Sein Französisch zu beurteilen kann ich nicht, weil es 19. Jh. ist und damit nicht dem Schulfranzösisch entspricht, was ich gelernt habe.
    Klaus, hast du Kontakt zu persischen Krypto-Experterten?

  4. #4 Chrysan
    11. November 2015

    @Altägypter
    Es heißt meiner Meinung nach monographe (Einzelstück) verse (Strophe/Vers)

  5. #5 Bernhard
    11. November 2015

    Ich lese das eher als “verse”.

    In einem früheren Blog hieß es bereits, daß in dem französischen Teil Fehler wäen. Das wäre auch nachvollziehbar, da er ja laut seiner eigenen Aussage gebürtiger Portugiese ist (nicht Franzose, wie schon oft geschrieben) und erst später nach Paris kam.

  6. #6 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/11/06/routerzwang/
    12. November 2015

    Behauptete er nicht Debosnys oder nicht Debosyns zu heißen? Oder Debosnostys?

    F5 könnte für France oder french stehen, was aber nicht ganz zur portugiesischen Herkunft passt.

    Zu LMF finde ich nichts passendes in der franz. o. portug. Wikipedia (“LMF auch bekannt als faul Scheißkerl oder Faule Muthafucka, ist eine Gruppe von Hip-Hop / Rap Kantonesisch in Hong Kong.”, Wikipedia pt., automatische Übersetzung).

    Sind das Briefe zwischen ihm und der Witwe? Wie hießen denn die 2 früheren Gattinen?

  7. #7 Barchfeld
    12. November 2015

    Ist zwar recht offensichtlich, aber: das L.M.F. steht auch auf der zweiten Seite von Nr. 2, unten links neben den beiden Händen. Könnte im erwähnten Kontext also recht praktisch heißen, dass er und L.M.F. sich die Hand reichen / einen Deal beschließen.

  8. #8 Barchfeld
    12. November 2015

    Noch etwas offensichtliches:
    Wenn “Henry Debosnys” nicht sein richtiger Name war, was ist mit “Hênêsos Debosnostys” (Nr.4, Teil2) (#6)?

  9. #9 Barchfeld
    12. November 2015

    Ich würde die Nummerierung umändern:
    2/1 ist die Vorderseite von 3. Man kann neben der Zeichnung auch einzelne, durchscheinende Zeichengruppen identifizieren, z.B. “No.10” oder die beiden grafischen Symbole direkt rechts neben der Zeichnung in 2/1.

    Im Schulterbereich der Dame steht “OLUMp” mit fettem “L”

  10. #10 Bernhard Gruber
    12. November 2015

    Zu #6, Stefan: Zur ersten Frau habe ich nichts notiert, die zweite hieß Celestine. Die dritte Elizabeth “Betsey” A. Wells, geborene Reed.

  11. #11 Bernhard Gruber
    12. November 2015

    Unter dem Frauenportrait (Dokument Nr. 9) steht noch in Klarschrift “photeras nolva” und darunter “Kirto portona”. Kann auch ‘photoras’ heißen. Weiß wer was damit anzufangen? Ich kann nicht mal die Sprache identifizieren.

  12. #12 Rainer Schmitz
    12. November 2015

    Welche Sprachen hat er denn gesprochen?

  13. #13 Bernhard Gruber
    12. November 2015

    Latein, Französisch, Spanisch, Englisch, Griechisch und Portugiesisch.

  14. #14 Barchfeld
    12. November 2015

    Hier wird recht viel über den Fakll berichtet:
    https://www.correctionhistory.org/html/chronicl/essex/essexnyjailledgers04.html
    Beginnend nach ca. 1/3 des Textes mit “”Henry Delactnack Debosnys (so called) was arrested August 1st, 1882. at Essex village, in Essex County, for the murder of his wife, Betsy Wells. ”
    via https://www.ciphermysteries.com/2015/11/07/thoughts-on-the-debosnys-ciphers

    In dem Aufzeichnungen des Essex County Jail findet sich auch ein Eintrag, dass er sich wohl auch “De Bosnys” schrieb. Wenn man das mal googelt, findet sich ebenfalls ein interessanter Eintrag:
    https://www.executedtoday.com/tag/henry-de-bosnys/

  15. #15 Bernhard Gruber
    12. November 2015

    Hier meinte ich bereits auf der rechten Seite L.M.F entdeckt zu haben, passt aber nicht ganz: https://www.oddthingsiveseen.com/2012/10/the-new-york-grimpendium-skull-and.html
    Interessanter ist aber dieser “Schrein” in der Mitte mit der Aufschrift “Colonel of the ?? legions”. Steht gd. für ‘golden’ oder heisst es ‘2nd’? Logenbezeichnung?

  16. #16 Bernhard Gruber
    12. November 2015

    @Barchfeld: Der letzte Link ist Klasse. Bei Nick Pelling ist beschrieben, dass HDD angeblich bei der Nordpolexpedition von McClure bis 1850 dabei gewesen sein soll, das Jahr passt aber nicht, da McClure erst 1850 startete. Der obige Link verweist aber nicht auf McClure, sondern auf einen Leclaire (?). Dies klingt viel wahrscheinlicher.
    Und nun weiß ich auch woher die Bezeichnung “Colonel” kommt, das ist bei ExecutedToday ebenfalls beschrieben. Danke!

  17. #17 InSekt(en)
    12. November 2015

    @Bernhard Gruber
    Bei Bild 9, werden zwei Indianerstämme angesprochen… Oneida und Tuscarora… ganz rechts steht osceola = ein indianischer Anführer(gegen die Zwangsübersiedlung)… aber nicht aus der Region “New York” sondern aus dem Süden!
    Und “Bicay” dürfte auch nur ein Name sein…

  18. #18 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2015/11/05/luesternklemme/
    13. November 2015

    Ich schätze die Ähnlichkeit von oLump mit Olymp ist jedem aufgefallen – nur der Vollständigkeit halber. Nur das L ist eindeutig groß, o und u sind, sage ich, unentschieden.

    Ebenfalls auf der Seite 2a, rechts oben, ist ein Wüfel als Gittermodell zu sehen mit den beschrifteten Seiten I, G, 5 neben dem Krug mit Wasserglas. Gibt es vielleicht solche Chiffrierwürfel, bei denen diese Zeichen angeben, wie dieser zu halten ist und eventuell welcher von mehreren Würfeln zu verwenden ist?
    Auch kann man eine Mischung von 2 Symboltypen unterscheiden – manche sind (wie) abstrakte Buchstaben, andere sind ausgeführte, kleine Zeichnungen (Spitzhacke, Schlüssel, Maurerkelle, Meerjungfrau, Sonne, Baum, Pferd/Esel, Schlange, Smilie, 🙂 …).

  19. #19 Chrysan
    13. November 2015

    Also ich sehe auf dem Würfel eine 1, 5 und 6 – ich glaube jedoch auch, dass es sich hierbei lediglich um Kritzeleien handelt.

  20. #20 Rick A. Roberts
    17. November 2015

    I have been working on the Debosnys Ciphers. Page No. 9 has a drawing of a Dice with the numbers 6, 1, and 5 on it. Also, there is a drawing of a pitcher and a glass that is shown to be half empty or half full, depending upon whether you are a pessimist or an optimist. I believe that the numbers on the dice, 6+1=7, 6+5=11, and 6=6. In life, the dice are rolled and you roll with the punches or deal with what life gives you. The glass is either half empty or half full; thus, the difference between optimist or pessimist. You can become a pitcher so that you can be source of happiness for others by doing good deeds.

  21. #21 Rick A. Roberts
    29. November 2015

    There is a drawing of a lady with the word, ” OLUMP “, written on her left shoulder on Page # 9. The people of Yorubuland, Africa. There was alarge rock known as the ” OLUMP ROCK ” at the top of a hill and this Orisa (Motherly Rock), was considered a hill deity (OKE). The people dug out the clay from underneath the rock to make their houses with. Water filled the pit under the Olump and the Olump started to move and it tilted more and more as clay was removed. The people used the pit to bathe in and their children played there also. The Tutelary Deity of Olump, Oke sheltered the people from trouble. The people were going to have human sacrifices at the site of the Olump, but they had animal sacrifices instead. Eventually, the Olump fell over. However, none of the peole or their children were injured or killed. The ” Mother Rock ” had spared their lives. ” Olump “, was an object of central worship to them. I believe the Henry H. Debosnys worshiped his wife Elizabeth Wells, and saw her as a Deity (Mother Rock), but that he thought they he had to make her a sacrifice so he killed her.