Heute geht es um ein besonders spannendes Krypto-Rätsel: ein verschlüsseltes Buch, das auf einem Flohmarkt aufgetaucht ist und vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt. Schafft es ein Leser, die Verschlüsselung zu knacken?
Gibt es etwas Spannenderes als ein Buch, dessen kompletter Inhalt verschlüsselt und ungelöst ist? Ich finde nicht. Daher freute ich mich besonders, als mir der US-Amerikaner Walter C. Newman kürzlich die Scans eines Notizbuchs zuschickte, das er auf einem Flohmarkt erstanden hatte. Der gesamte Text in diesem Buch ist verschlüsselt.
77 verschlüsselte Seiten
Newman hatte sich zunächst an das National Cryptologic Museum der NSA in Fort Meade gewandt. Dort konnte man ihm zwar nicht weiterhelfen, doch zum Glück kennen die NSA-Museumsleute inzwischen Klausis Krypto Kolumne und leiteten Herrn Newmans Anfrage an mich weiter.
Der Text des Buchs ist handschriftlich verfasst. Er füllt 77 Seiten (etwa die Hälfte des Buchs). Der Text ist verschlüsselt, teilweise sind jedoch einzelne Ausdrücke im Klartext zu lesen. Die folgende Seite ist ein Beispiel:
Dankenswerterweise hat mir Herr Newman den gesamten Buchinhalt in Form hochauflösender Scans zur Verfügung gestellt. Hier können Sie diese als PDF herunterladen. Ich bezeichne das Buch als “Lane-Manuskript” (den Grund werde ich weiter unter erklären). Ich werde im Folgenden die Seitenzahlen aus dem PDF verwenden, wobei ich den linken Teil einer Doppelseite jeweils als “a” und den rechten als “b” bezeichne.
Selbstverständlich habe ich das Lane-Manuskript in meine Encrypted Book List (Nummer 00073) aufgenommen.
Auffällige Stellen im Lane-Manuskript
Im handschriftlichen Teil des Lane-Manuskripts sind mir weder Namen noch Zeitangaben noch Ortsangaben aufgefallen (leider sind einige Seiten am Anfang herausgerissen). Doch immerhin habe ich vier Stellen gefunden, die zusätzliche Informationen geben. Gleich auf Seite 1a findet man folgende Zahlen (der Ausschnitt ist um 180 Grad gedreht):
Dann findet man auf Seite 2b einen eigeklebten Zeitungsausschnitt. Offenbar stammt er aus der New York Tribune (möglicherweise handelt es sich aber nicht um einen Original-Ausschnitt, sondern um ein Zitat). Die New York Tribune exisiterte unter diesem Namen zwischen 1841 und 1924.
Auf Seite 41b befindet sich eine Signatur (leider kann ich sie nicht entziffern):
Und schließlich ist ebenfalls auf Seite 41b eine Art Stempel zu erkennen:
Anscheinend wurde das (leere) Buch von einer Firma namens E. J. Lane in Dover (US-Bundesstaat New Hampshire) hergestellt oder verkauft. Diese Firma existierte etwa von 1840 bis 1880. Da “Lane” der einzige Name ist, den ich im gesamten Manuskript gefunden habe, habe ich mich für die Bezeichnung “Lane-Manuskript” entschieden.
Wer weiß mehr?
Nach Lage der Dinge dürfte das Lane-Manuskript etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunders im Nordosten der USA entstanden sein. Der Verwendungszweck ist unklar. Nach einem Tagebuch sieht das Lane-Manuskript nicht aus. Vermutlich handelt es sich um private Aufzeichnungen anderer Art.
Kann jemand das Lane-Manuskript entschlüsseln? Oder kann jemand andere Angaben dazu machen? Hinweise nehme ich, wie immer, gerne entgegen.
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Zum Weiterlesen: Rilke-Kryptogramm: Drei Hypothesen, welche ist die richtige?
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