Bei diesem Verschlüsselungsgerät ist so ziemlich alles unklar. Man weiß nicht, wo es herkommt, wie es verwendet wurde und wer es nutzte. Vielleicht kann ein Leser Licht ins Dunkel bringen.
Ein altes Gerät ohne Herstellerangabe und Gebrauchsanweisung, das obendrein nirgendwo in der Literatur erwähnt wird – so etwas gibt es in der Verschlüsselungstechnik öfters. Viele Geräte wurden nur in kleinen Stückzahlen gebaut, und die Gebrauchsanweisungen wurden aus Sicherheitsgründen oft unter Verschluss gehalten. Auf Hersteller-Logos und ähnliche verräterische Aufdrucke verzichtete man, um einem zufälligen Finder keine Hinweise zu liefern. So sieht das Gerät aus:
Der Null-Zylinder wurde in einem Gehäuse betrieben, das mit Schrauben an einer Wand befestigt werden konnte:
Besonders spektakulär wirkt das Gerät nicht. Es sieht aus wie ein Chiffrierzylinder. Chiffrierzylinder wurden vermutlich schon im 15. Jahrhundert erfunden, eine größere Verbreitung fanden sie jedoch erst im frühen 20. Jahrhundert. Das mit Abstand bedeutendste Modell ist die M-94, die vom US-Militär hauptsächlich in den 1920er-Jahren genutzt wurde. Die M-94 sieht dem Null-Zylinder sehr ähnlich:
Bei der M-94 ist jedoch jeder Buchstaben-Ring einzeln beweglich. Beim Null-Zylinder sind dagegen jeweils mehrere Ringe zusammengefasst. Auf dem folgenden Bild ist das zu erkennen:
Diese Zusammenfassung mehrerer Ringe ist rätselhaft. Für das Verschlüsseln eines Texts wie mit der M-94 ist der Null-Zylinder dadurch nicht geeignet. Auch für das Generieren einer Zufallsfolge macht diese Bauweise wenig Sinn.
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Bitte vormerken: Am 8. Juni 2016 bin ich an einer spannenden Veranstaltung in Soest beteiligt: DIE CODEKNACKER.
Der Abend steht unter dem Motto “Faszinierend – Atemberaubend – Unterhaltsam”.
Hier gibt es die Details.
Falls jemand einen verschlüsselten Text (z. B. Postkarte oder Brief) aus dem Raum Soest kennt, bitte melden.
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John Alexander vermutet, dass der Null-Zylinder der Freund-Feind-Erkennung diente. Zweifellos ließ er sich dafür nutzen. Demnach müsste ein Schiff oder Flugzeug einem anderen eine Zeichenfolge (heute würde man das als “Challenge” bezeichnen) schicken. Der Empfänger müsste das Gerät dann entsprechend der Zeichenfolge einstellen und eine vom Zylinder abgelesene Buchstaben-/Zahlenfolge (“Response”) zurückschicken. Wenn man auf dem anderen Schiff bzw. Flugzeug ein baugleiches Gerät hat, kann man die Richtigkeit prüfen und so erkennen, dass es sich nicht um einen Feind handelt.
Da im obigen Bild sieben nummerierte Scheiben zu sehen sind und das Gehäuse außerdem zwei rote Buchstaben zeigt, könnte die Challenge beispielsweise E7364512O heißen. Die Response wäre im Gehäuse abzulesen: MDA1AELI …
Doch auch für die Freund-Feind-Erkennung erscheint es unsinnig, drei oder vier Buchstabenringe zu einem Block zusammenzufassen. Möglicherweise hatte der Hersteller zwar das Know-how, um ein solches Gerät zu bauen, doch das kryptologische Wissen fehlte ihm.
Kann jemand mehr zu diesem Gerät sagen? John Alexander und ich würden uns freuen.
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Zum Weiterlesen: Die rätselhafte Schwester der Enigma
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