Ein Kryptografie-Buch aus dem 17. Jahrhundert beschreibt eine steganografische Technik inklusive Anwendungsbeispiel. Die Entschlüsselung wird dem Leser überlassen.

Bücher über Kryptografie haben eine lange Tradition. Ausgehend von Italien kursierten bereits im 16. Jahrhundert in Europa mehrere davon, und schon bald entstanden auch nördlich der Alpen kryptografische Abhandlungen. Wer mehr über Kryptografie-Bücher aus allen Epochen wissen will, sollte sich auf der Webseite von Tobias Schrödel umsehen, der über 500 Publikationen auflistet.

Ein guter Einstieg in die Krypto-Bücherwelt der frühen Neuzeit ist das 1684 erschienene Werk Cryptographia von Johann Balthasar Friderici. Über den Autor ist wenig bekannt. Sein Buch ist sicherlich nicht besser als andere frühe Kryptografie-Bücher, doch es hat einen Vorteil: Es gilt das das früheste bekannteste Kryptografie-Buch, das gedruckt wurde und auf Deutsch verfasst ist. Man muss also weder Latein noch Italienisch können und außerdem kein Handschriften-Experte sein, um es zu lesen. Die Sprache ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus verständlich.

Fridericis Cryptographia ist über die Bayerische Staatsbibliothek kostenlos als Download erhältlich. Auf Seite 198 geht es um “eine sonderliche Art/ etwas geheimes mit Punckten anzuzeigen”. Am Ende des Kapitel steht folgendes Kryptogramm:

Friderici-13-Raetsel

Es handelt sich um einen unverfänglichen lateinischen Text, in den mit Hilfe von Punkten eine Nachricht kodiert wurde (dies ist eine Form von  Steganografie). Kann jemand diese Nachricht ohne weitere Hilfe entschlüsseln? Vermutlich nicht, und das ist auch nicht notwendig, denn Friderici erklärt, wie es geht:

Friderici-13-1

Friderici-13-2

Friderici-13-3

Sofern ich die Sache richtig verstehe, fängt der Klartext mit WIR an. Wie es weiter geht, muss der Leser des Buchs selbst herausfinden. Findet jemand die Lösung? Hinweise nehme ich gerne entgegen.

Zum Weiterlesen: Kuriose Verschlüsselungs-Spielkarten aus dem 19. Jahrhundert

Kommentare (7)

  1. #1 Laie
    26. Mai 2016

    Ich kann das Beispiel zwar nicht lösen (Zeitmangel und fehlendes Wissen) stelle aber fest nun endlich zu wissen woher unser As,Os,Us die ” bekamen, sodass Deutsch um die schöne Vokale A,Ö,Ü erweitert wurde, durch diese Kodierung! 🙂

  2. #2 Moritz Stocker
    26. Mai 2016

    Am Anfang sind es die Punkte unten, am Ende der Zeile geht es nahtlos von Anfang an mit den Punkten oben.
    Klartext: WIRKONNENUNSNICHTMEHRHALTENWOWIRNICHTENTSATZBEKOMMEN, bzw.
    Wir konnen uns nicht mehr halten, wo wir nicht Entsatz bekommen.

  3. #3 HF(de)
    26. Mai 2016

    Sofern ich die Sache richtig verstehe, fängt der Klartext mit WIR an.

    Sofern ich die Sache richtig verstehe, steht der komplette Klartext im Text. 🙂

    • #4 Klaus Schmeh
      26. Mai 2016

      Stimmt. War wohl etwas spät gestern Abend.

  4. #5 narozed
    26. Mai 2016

    Moritz Stocker hat es ja schon beschrieben, hier nur etwas ausführlicher. Zum Entschlüsseln einfach bis zum nächsten Buchstaben mit einem oder zwei Punkten unten zählen. Diese Anzahl und die Anzahl der Punkte ergeben den verschlüsselten Buchstaben. Der erste Buchstabe mit einem Punkt unten ist der Zehnte. (das M) mit einem Punkt. 10 + 1 Punkt ergibt laut Tabelle ein “W”. Dann vier Buchstaben weiter kommen zwei Punkte: 4 + 2 Punkte ergibt “I”, usw.

    narozed

  5. #6 HF(de)
    26. Mai 2016

    PS: interessanter Artikel, vielen Dank dafür (und für die vielen anderen natürlich). Was sich die Leute so alles einfallen lassen/ließen, um etwas zu verschlüsseln… Ist eigentlich bekannt, ab wann man sich Gedanken über die Sicherheit von solchen Systemen gemacht hat? Dieses ist aus heutiger Sicht ja wohl eher trivial zu knacken, denke ich mal.

    • #7 Klaus Schmeh
      27. Mai 2016

      >Ist eigentlich bekannt, ab wann man sich Gedanken über die Sicherheit von solchen Systemen gemacht hat?
      Das hat man sicherlich schon früh gemacht. Die im Artikel angesprochenen Krypto-Bücher stammen aber meist nicht von Leuten, die beruflich verschlüsselt haben (die haben ihr Wissen meist geheim gehalten), sondern von Gelehrten, die die Kryptografie spannend fanden. Man findet daher ziemlich viele Spielereien in diesen Büchern, die nicht unbedingt praxistauglich waren.