Der Fernsehsender CNN hat ein kurzes Video über einen Zettel veröffentlicht, der bei einer wegen Spionage verurteilten US-Amerikanerin gefunden wurde. Was steckt dahinter?
“Kryptischer Code in Brieftasche verrät kubanische Spionin” war auf der Webseite des Fernsehsenders CNN am 4. Juli 2016 zu lesen. Dort gab es eine kurze Vorschau auf einen Filmbeitrag aus der Reihe Declassified, der am Sonntag, dem 10. Juli 2016, gesendet wurde (danke an David Wilson, der in der Facebook-Gruppe Cryptograms & Classical Ciphers darauf hingewiesen hat).
In Deutschland geborene Spionin
Die entsprechende Folge von Declassified konnte ich online nirgends finden. Doch schon die kurze Vorschau war sehr interessant. Es wurde ein “kryptischer Code” gezeigt, den man in der Brieftasche einer Spionin gefunden hatte.
Anscheinend handelt es sich um die US-Amerikanerin Ana Montes, die für das US-Verteidigungsministerium arbeitete und 2001 wegen Spionage verhaftet wurde. Ihr wurde vorgeworfen, geheime Informationen an den kubanischen Geheimdienst geliefert zu haben. Sie wurde zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt.
Montes, die als Tochter eines US-Militärarzts in Deutschland geboren wurde, spionierte nur aus ideologischen Gründen. Sie nahm kein Geld für ihre Dienste. Ihr Fall ist auch aus Sicht eines Kryptologen interessant. Dennoch wird sie in der mir bekannten Krypto-Literatur nirgendwo erwähnt.
Bei Wikipedia heißt es über sie:
Montes communicated with the Cuban Intelligence Service through encrypted messages and received her instructions through shortwave encrypted transmissions from Cuba. In addition, Montes communicated by coded numeric pager messages with the Cuban Intelligence Service by public telephones located in the District of Columbia and Maryland. The codes included ‘I received message’ or ‘danger.’
Auf der Webseite des FBI heißt es über sie:
To escape detection, she never removed any documents from work, electronically or in hard copy. Instead, she kept the details in her head and went home and typed them up on her laptop. Then, she transferred the information onto encrypted disks. After receiving instructions from the Cubans in code via short-wave radio, she’d meet with her handler and turn over the disks.
Ein kryptologischer Spickzettel
Doch was hat es mit dem Zettel auf sich, den Montes bei sich trug? Weder im Video noch in einer anderen Online-Quelle wird etwas dazu gesagt. Doch wer mein Buch Nicht zu knacken gelesen hat, dürfte schnell erkennen, worum es sich handelt. Es ist eine Tabelle zur Umwandlung von Buchstaben und Zahlen bzw. umgekehrt.
Diese Umwandlungsmethode ist ein (wenn auch nicht besonders sicheres) Verschlüsselungsverfahren. Sie kann zu einem sicheren Verschlüsselungsverfahren ausgebaut werden, wenn man einen weiteren Verschlüsselungsschritt hinzunimmt.
Die Umwandlungsmethode funktioniert wie folgt. Zunächst zeichnet man eine Tabelle mit 5×8 Zellen:
In die mit X gekennzeichneten Zellen schreibt man nun die Zahlen von 0 bis 9 in einer beliebigen Reihenfolge:
Jetzt schreibt man in die zweite Zeile sieben Buchstaben, die häufig verwendet werden (ich habe die im Deutschen am häufigsten vorkommenden E, N, I, S, R, A und T verwendet), wieder in beliebiger Reihenfolge:
Die restlichen Buchstaben des Alphabets kommen in beliebiger Reihenfolge darunter (dabei bleiben Felder frei, weil es nicht genug Buchstaben gibt, aber das stört nicht):
Mit dieser Tabelle kann man nun verschlüsseln, indem man jeden Buchstaben durch die Zahl links davon (falls dort eine steht) und darüber ersetzt. Es gilt also A=5, B=20, C=67, D=69 usw. KLAUSIS KRYPTO KOLUMNE verschlüsselt sich in:
212852404021865611021728246879.
Ein Vorteil der Methode: Für häufige Buchstaben benötigt man nur eine Ziffer. Auch ohne Zwischenräume sind die Buchstaben voneinander abgrenzbar.
Ana Montes’ Verfahren
Die von Ana Montes verwendete Tabelle sieht etwas anders aus, da sie das spanische Alphabet verwendet hat. Man kann davon ausgehen, dass die gezeigte Buchstaben-Ersetzung nur den ersten Schritt des Verschlüsselungsverfahrens bildete, das Montes verwendete. Wie der Rest des Verfahrens aussah, ist mir nicht bekannt.
Kommentare (22)