Adam Sampson hat den ersten Teil des Utah-Krieg-Kryptogramms aus dem Jahr 1858 dechiffriert. Die zweite Seite ist wahrscheinlich ähnlich verschlüsselt, aber noch ungelöst.

English version (translated with Deepl)

Vor zwei Wochen habe ich über das Utah-Krieg-Kryptogramm gebloggt (englisches Original/deutsche Übersetzung). Dieses wurde mir von dem Historiker Kenneth L. Alford, von der Brigham Young University in Utah (USA) auf Vermittlung von Robert Simpson vom National Cryptologic Museum der NSA zur Verfügung gestellt.

 

Das Utah-Krieg-Kryptogramm

Das Utah-Krieg-Kryptogramm ist ein zweiseitiger Brief aus dem Jahr 1858, der während des Utah-Kriegs (1857-1858) von Salt Lake City, der heutigen Hauptstadt Utahs, verschickt wurde. Leider weiß man nichts über den Sender, Empfänger oder Inhalt dieses Briefs.

Der beagte Brief befindet sich seit 50 Jahren in Besitz der Universität Yale, die es seinerzeit einem Antiquar abkaufte. Das Kryptogramm war bis vor kurzem unkatalogisiert. Der derzeitige Yale-Kurator Bill MacKinnon ließ Alford, einem der führenden Experten für den Utah-Krieg, eine Kopie zukommen.

Die folgenden Scans zeigen die beiden Seiten des Kryptogramms:

Quelle/Source: Alford

Quelle/Source: Alford

Adam Sampson, von dem noch die Rede sein wird, hat eine Transkription erstellt:

abcdlmnmopstvwxyqrs)mnoj)@delnthdediesenribfhilpfa
lmnopqsdt)g@enwdeefpdmrtddnshorcoloi)vvwymnopqhijk
ba)@aferrgoentshadedelrewern)nomfmanpqqhklmfmnopqyf
bnopqrstuvxyy)bwnommmno)@rrremerophteordsllerettm
lmnopqsd)@coecanlpreapfitmaomsreh)ehmpnopygklmnop
hij)@omoesealtplaanhewwosslenabghijstwvwgambgk
tvsmmn)@ltfitrwedakrriecaenofyahygklbmopshiftplb
lmmnopqrstuvwxyqrdab)@ohfpeaaangedamrobralewpa)ffgh
mmmlnoprqsttuwxyqsabb)@neetrlnntedosgenisldehps)stabc
ahlmkhijkbfgqrst)ab)@ecreagddfbmnbsstdcoiliobygdij
mnopqy@l)oedsotsoouwutteiafetpie)johmnnpgypfghklnb
qyponm)@tmd)favherychroynnntrhpne)thomastmmghfmg
pooomygjkilmjklmmmm)@hmtodcecnshincotgyhseetnnn
jmmo)@eaormurhecacikuiaoeamdmf)fghijklmnopqyklm
mmnopqrstuvwf)@snrbimiayonhnwkonwtnsaeo)ghijkl
opqrstulmnghijkmntbe)@tdeysmgrsmdwgenndaidepnr
dnghij)@olcttihttmhewrobtiocletw)wamtptwhieggfgh
y@cae)hantmaiaaaewehdoavtoa)ermeoooocomgyhikklmpgh
ghijklmmnoppg@ksiekisensncgctteupmeifrbyghij
hiklmnpjklmnopqgklmno)oo@dtvqesotdsdcoohwcsspstcd
klmnedmabedlmpq)ghk)gy@rfeubbftbieenneeaiofciee)d
blhklbffg)@iadayotayodpscremnfooordabgkkkkongkigkl
lbhijklmnnopqghj@vl)artlhnhnutaeenptflmntyghkl

hijklmpqrstuv)seocaaaw)lmnopqrstwyqzbggrsxj
jimmopklmopgygkllmmo)oaclvlloo)pghijkklmmmopg
jimmopklmopgygkllmmopp)toollu)nnopqrstwwyzamt
ijkl)rposrcw)llmmmopqrstuwyghijklmnoqrs
lhj)ieereahedd)lmopqhklmnopqlabqrstnow
bahfafoghjihlpgmopg)dsofdbasl)lmmoqhijklmnop *
ghillmnoqrstuvpg)irotlneo)hijklnopqklmnoaghi *
fommtgooplec)daroegno)lmoqhijklmoqklmoghijk *
giwxyzcoocomamnm)ebnyaedk)ghlmoopqrstuwvwyzy
blarflygqrstplmnopqno)eocogsss)ssstuwyklmnopqbij *
plmngrdtvwxybdfadpqy)sfyutuip)pqhiklmopqklmonpq
gl)mbgacirv)llmqhiagbakrstuowyyanghijkkigh **
pmouodaode)eenopqhklmnopqhijklnmbekimooe
glmnphiklmjyg)rbovnnneun)ghijkghiiiiiggggh
nlhcpyclsdbl)mncopghklmopqrstnowyyamdo
k)aulohea)iiiiiiiiiiiggggggghhhhhhhhjjjjjj
lmgnopqy)nmiuegnd)gggggggggggggyyyyyyyyyyyyyyyyyyyy
f)liamciraal)aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
ghi)klgpnianetmy)mmmmmmmmmmmmmmmmmm
plmghijklmnmpoghi)plkigywnsdoee)mmmmmmmmmmm
mmplmmmghskiterdowndigeunwyoooooooooooooooooooo
lfnoyytaicwho)ghjamnommopjklmmopghklmo
glmnppyyxxgglaa)hnseeou)wwwwwwwwwwwwwww
lgtbnonmopqrstuvwx)notdsass)rrrrrrrrrrrrrrrrrr
stagangyhdnf)hhsstwvwyyklmopjklmnopq

 

Besonderheiten

Schon ein Blick auf die erste Zeile zeigt eine Besonderheit:

Diese Zeile beginnt mit ABCDLMNMOPSTVWXYG, also mit Buchstaben in alphabetischer Reihenfolge. Meine Vermutung war, dass der Sender den ersten Buchstaben im Klartext mit A, den zweiten mit B, den dritten mit C usw. verschlüsselt hat. Allerdings hätte dies bedeutet, dass es in den ersten 17 Buchstaben nur eine Wiederholung (das M) gegeben hätte, was sehr unwahrscheinlich ist.

Ungewöhnlich sind auch die vielen Buchstaben-Wiederholungen auf der zweiten Seite.

Meine Vermutung war, dass damit Zahlen verschlüsselt wurden (beispielsweise könnten 17 As in Folge für die Zahl 17 stehen).

Nach meinem Blog-Artikel tat sich erst einmal wenig. Es gab nur einen Kommentar. Am 12. Dezember stellte ich das Utah-Krieg-Kryptogramm in meinem Online-Vortrag über ungelöste Verschlüsselungen (zusammen mit Elonka Dunin, der Koautorin meines aktuellen Buchs) im ICCH-Forum vor. Es gab interessante Diskussionen dazu, aber keiner kam auf die Lösung.

ICCH-Vorträge (sie werden auf Englisch gehalten) finden übrigens alle zwei Wochen samstags statt und sind meist sehr spannend. Es gibt leider keine Webseite dazu, und die Teilnahme-Links werden bewusst nicht im Internet veröffentlicht. Trotzdem ist jeder willkommen und die Teilnahme kostenlos. Wer dabei sein will, kann mir gerne eine Mail schicken. Einziger Nachteil: Die Vorträge überschneiden sich mit der Sportschau.

 

Die (noch nicht vollständige) Lösung

Den ICCH-Vortrag hat sich auch der Krypto-Experte Adam Sampson angehört (ich glaube, er ist Brite, weiß es aber nicht genau). Vor ein paar Tagen hat Adam die Lösung der ersten Seite des Utah-Kryptogramms auf der zum ICCH-Forum gehörenden Mailing-Liste veröffentlicht. Er schrieb:

I’d spotted that on both pages, the runs of alphabetic sequences and
repeated characters don’t continue across line breaks, which suggested
that the line structure was important and the runs were probably filler.
There are also some pencil marks that look like they’re dividing the
lines into sections. This turned out to be right (although not all the pencil marks are
correct!): each line has a variable amount of junk at the start and the
end, and on the first page there are 24 meaningful characters on each
line.

Mit anderen Worten: Die ungewöhnlichen Buchstabenfolgen wie “abcdlmnmopstvwxyg” sind nur Füllmaterial. Pro Zeile auf der ersten Seite zählen nur 24 Buchstaben, der Rest ist bedeutungslos. In der ersten Zeile sind die Buchstaben “delnthdediesenribfhilpfa” relevant. In der folgenden Transkription der ersten Seite ist das Füllmaterial weggelassen:

delnthdediesenribfhilpfa
enwdeefpdmrtddnshorcoloi
aferrgoentshadedelrewern
rrremerophteordsllerettm
coecanlpreapfitmaomsrehe
omoesealtplaanhewwosslen
ltfitrwedakrriecaenofyah
ohfpeaaangedamrobralewpa
neetrlnntedosgenisldehps
ecreagddfbmnbsstdcoiliob
loedsotsoouwutteiafetpie
tmdfavherychroynnntrhpne
hmtodcecnshincotgyhseetn
eaormurhecacikuiaoeamdmf
snrbimiayonhnwkonwtnsaeo
tdeysmgrsmdwgenndaidepnr
olcttihttmhewrobtiocletw
caehantmaiaaaewehdoavtoa
ksiekisensncgctteupmeifr
dtvqesotdsdcoohwcsspstcd
rfeubbftbieenneeaiofciee
iadayotayodpscremnfooord
vlartlhnhnutaeenptflmnty

Jetzt kann man den Klartext spaltenweise auslesen:

Dear Colonel,

The stock driven from the command last fall were offered to, received
and receipted for by the quartermaster, a sad mistake by the General.
Gov. Cummin is bold for law and the rights of the people, and
Sec. Hartmett and Suprtdnt. Forney stand by him. The pageboys
commissioners talked much and handed us the pardon, which we accepted as
far as burning wagons and driving stock were concerned. The rest you
know. There is some contention between the law-abiding and the camp
followers. Can you aid us in the removal of the troops? Officers,
soldiers and camp followers feel themselves completely whipped. A
petition for the appointment of certain men has been forwarded y

Es handelt sich also um eine Transpositions-Chiffre. Gratulation an Adam Sampson!! Das war eine tolle Codeknacker-Leistung!

Mit dem Inhalt des Klartexts kann ich leider wenig anfangen, da ich die geschichtlichen Hintergründe nicht kenne. Ich vermute aber, dass Ken Alford etwas dazu sagen kann.

 

Offene Fragen

Adam Sampson hat sich natürlich auch die zweite Seite des Briefs angeschaut, allerdings bisher ohne Erfolg. Vermutlich ist der Klartext in acht Spalten kodiert, der Rest ist Füllmaterial.

Findet ein Leser mehr heraus? Adam hat hier ein Python-Programm veröffentlicht – vielleicht hilft dies jemandem.

Vielen Dank noch einmal an Ken Alford für das Kryptogramm und an Adam Sampson für die Lösung!


Further reading: Two Pigpen postcards from Ohio (1)

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Kommentare (11)

  1. #1 Phil Igel
    28. Dezember 2020

    Weiß zwar nicht, ob’s korrekt ist und weiterhilft, aber das letzte Wort der ersten Seite müsste grammatikalisch gesehen “yet” heißen (“der Antrag wurde weitergeleitet, aber/bis jetzt…”), die ersten zwei Buchstaben der zweiten Seite wären dann “e” und “t”

  2. #2 Adam Sampson
    Dundee, Scotland
    28. Dezember 2020

    A couple of additional notes for anyone having a go at the second part…

    It looks like there are at most about 8 columns of text, and possibly fewer. In my transcription above – which almost certainly contains lots of errors, since a/c/e/o/s and g/q/p/y are easily confused – the )s in the second part represent my best guess at where the meaningful part is.

    Lines 6, 7, 8 and 10 each have one “meaningful” character which seems to have been overwritten. Assuming this represents the writer correcting a character that had been left out of a column, the corrections must all be in the same column, which would mean those lines align like this:

    sofdbasl 6
    irotlneo 7
    daroegno 8
    ebnyaedk 9 (guess)
    eocogsss 10

    Which looks like a plausible set of partial lines to build on – sidee/orabo/fornc/dtoyo/bleag/anges/sends/looks.

  3. #3 Matthew Brown
    29. Dezember 2020

    Taking just 6 letters per line you can make;

    (D)OCTOR FORNEY A DUPLICATE IS ENCLOSED TO YOU CAN YOU INDUCE A FAVORABLE ACTION THERE ON WE SHALL CHANGE OUR DELEGATE WHO SHALL WE SEND GIVE US A NAME YOURS WOULD LOOK SPLENDID LYMOGWRS

  4. #4 Klaus Schmeh
    29. Dezember 2020

    @Matthew: Congratulations, this looks correct!

  5. #5 Adam Sampson
    Dundee, Scotland
    29. Dezember 2020

    Nice, Matthew! And there’s actually two more columns to the left of OCTOR, so the letter ends:

    [… has been forwarded (y)] to President Buchanan with the approval of Gov Cummins and Doctor Forney. A duplicate is enclosed to you. Can you induce a favorable action thereon? We shall change our delegate – who shall we send? Give us a name – yours would look splendid. (lymdgwrs)

  6. #6 Klaus Schmeh
    29. Dezember 2020

    Here’s a more accurate transcription provided by Ken Alford:
    https://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/files/2020/12/1858-Cipher-draft-transcript-1.pdf

  7. #7 Marc
    29. Dezember 2020

    @Klaus
    Kehrt dein Blog jetzt wieder zur Deutschen Sprache zurück?

  8. #8 Klaus Schmeh
    29. Dezember 2020

    @Marc
    >Kehrt dein Blog jetzt wieder
    >zur Deutschen Sprache zurück?
    Ja, ich probiere es jetzt auf Deutsch, wobei es jeweils eine maschinelle Übersetzung (mit Deepl) auf Englisch gibt. Ich hoffe, das funktioniert.

  9. #9 Ken Alford
    Provo, Utah, USA
    30. Dezember 2020

    Bill MacKinnon and I express our sincere thanks for everyone who worked on decrypting the 1858 encoded letter from Great Salt Lake City, especially Klaus, Adam, and Matthew! (Adam and Matthew: Please contact me [https://religion.byu.edu/kenneth_alford]. Bill and I have a few questions for you about the decryption process and would like to confirm how you would like us to acknowledge you in any subsequent publications that reference this coded letter.)

    Regarding the recently decrypted text of the letter…
    We can now confirm that this 1858 letter was definitely associated with the closing days of the Utah War, the U.S. government’s effort to restore federal authority to Utah Territory. The letter was almost certainly written by Brigham Young and sent to a non-Mormon friend living on the Atlantic Coast 2,000 miles to the east of Utah. The letter was written a few weeks after the U.S. Army’s Utah Expedition marched peacefully through Salt Lake City. Here are a few insights into the text of the letter: “The General” referenced is Brigadier General Albert Sidney Johnston, commander of the Utah Expedition (who would die at the Battle of Shiloh, [Tennessee] on 6 April 1862 during the American Civil War—the highest ranking casualty, on either side, to be killed during the entire war). Gov Cummin is Alfred Cumming, the newly installed Territorial Governor of Utah (appointed by U.S. President James Buchanan to replace Brigham Young). Superintendent/Doctor Forney is Jacob Forney, a physician, who served as the Superintendent of Indian Affairs for Utah Territory from 1858 to 1860. The (peace) commissioners referenced, Democrats who had been appointed by Pres. Buchanan, were Ben McCulloch (a Texas attorney, federal peace officer, and military officer who served as a Confederate general during the American Civil War) and Lazarus W. Powell (also an attorney and the former governor of Kentucky). McCulloch had been Pres. Buchanan’s first choice to replace Brigham Young as Utah’s Territorial Governor, but McCulloch refused (and Alfred Cumming was selected). The petition mentioned refers to a list of requests from Utah Territory to U.S. President James Buchanan. At the end of the letter, Brigham Young invited the recipient to consider serving as Utah’s territorial representation in the U.S. Congress.

  10. #10 Thomas
    30. Dezember 2020

    @Klaus
    Antwortet man jetzt in deinem Blog besser auf Deutsch oder auf Englisch oder ist das egal?

  11. #11 Klaus Schmeh
    30. Dezember 2020

    @Thomas: Beides ist in Ordnung.