Es gibt erstaunlich viele verschlüsselte Dokumente, bei denen es sich um Fälschungen handelt oder zumindest handeln könnte. Heute stelle ich fünf weitere davon vor.
English version (translated with DeepL)
Meines Wissens hat sich noch nie jemand systematisch mit gefälschten verschlüsselten Nachrichten beschäftigt. Dabei gibt es mehr als genug davon. Fünf Beispiele habe ich im ersten Artikel dieser Miniserie vorgestellt, außerdem gab es auf Cipherbrain kürzlich einen Beitrag, der das Dorabella-Kryptogramm als mögliche Fälschung betrachtete.
Im Folgenden stelle ich ein paar weitere Geheimtexte vor, bei denen es sich um Fälschungen handelt oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit handeln könnte.
Die chinesischen Goldbarren
In den Neunziger-Jahren erhielt die Kryptologen-Organisation IACR (International Association for Cryptologic Research) Post von einem Museum in den USA. Der Kurator dieses Museums schickte dieser Organisation Fotos von sieben Goldbarren, auf denen jeweils mehrere verschlüsselte Textzeilen zu lesen waren. Er hoffte, dass die IACR zum Lösen dieser Kryptogramme beitragen konnte.
Die IACR stellte die wichtigsten Details zu diesem Kryptogramm hier auf ihre Web-Seite und nannte zwei Ansprechpartner für weitere Fragen. Da E-Mail damals noch kein Standard war, wurden die Postadressen dieser beiden Personen mit Fax- und Telefonnummer angegeben. Zusammen mit Elonka Dunin ist es mir tatsächlich gelungen, einen der Ansprechpartner, den Rechtsanwalt Peter Bisno, ans Telefon zu bekommen. Er konnte jedoch kaum mehr sagen, dass der andere, ein gewisser Bin J. Tao, der aktuelle Besitzer der Goldbarren ist. Diesen haben wir nicht erreicht. Unklar bleibt, welches Museum seinerzeit die Anfrage an die IACR stellte.
Auf der IACR-Web-Seite erfährt man, dass die Goldbarren vermutlich 1933 für einen General Wang in Schanghai hergestellt wurden. Sie sollen eine Bescheinigung dafür sein, dass der Besitzer ein Konto bei einer Bank in den USA hat. Es finden sich einige chinesische Schriftzeichen darauf, die man lesen kann (es geht unter anderem um eine Geldtranstaktion in Höhe von 300 Millionen Dollar). Die Goldbarren wiegen zusammen 1,8 Kilogramm.
Die verschlüsselten Zeilen auf den Barren sind nach wie vor ungelöst. Einige wiederholen sich. Insgesamt gibt es 16 verschiedene davon:
SKCDKJCDJCYQSZKTZJPXPWIRN length 25 MQOLCSJTLGAJOKBSSBOMUPCE length 24 RHZVIYQIYSXVNQXQWIOVWPJO length 24 FEWGDRHDDEEUMFFTEEMJXZR length 23 XLYPISNANIRUSFTFWMIY length 20 HFXPCQYZVATXAWIZPVE length 19 YQHUDTABGALLOWLS length 16 UGMNCBXCFLDBEY length 14 ABRYCTUGVZXUPB length 14 JKGFIJPMCWSAEK length 14 KOWVRSRKWTMLDH length 14 HLMTAHGBGFNIV length 13 MVERZRLQDBHQ length 12 VIOHIKNNGUAB length 12 GKJFHYXODIE length 11 ZUQUPNZN length 8
Eine Häufigkeitsanalyse ergibt, dass in diesen 16 Kryptogrammen zusammengenommen alle Buchstaben nahezu gleich oft vorkommen. Um eine einfache Buchstaben-Ersetzung oder Transposition kann es sich daher nicht handeln. Vielleicht hat ja ein Leser eine Idee, wie man diese Zeilen dechiffrieren kann.
Interessant ist natürlich auch die Frage, was an den Goldbarren echt ist. Sind sie wirklich aus Gold? Wurden sie tatsächlich als Urkunde geschaffen, die die Existenz eines Kontos und/oder eine Transaktion in Höhe von mehreren Hundert Millionen Dollar bestätigt? Gibt es andere Beispiele dafür, dass eine Urkunde auf Goldbarren festgehalten wird?
Leider weiß man so gut wie nichts über die Provenienz der Barren. Der aktuelle Besitzer ist allenfalls dem Namen nach bekannt. Wer diese Goldbarren vorher besaß, wie alt sie sind und wer sie hergestellt hat, ist unklar.
Es kann also durchaus sein, dass es sich bei diesen Goldbarren um eine Fälschung handelt.
Maria Bendinas Aufzeichnungen
2016 fand ich per Google-Suche einen besonders schönen verschlüsselten Text aus dem 16. Jahrhundert: die Aufzeichnungen der Nonne Maria Bendina. Natürlich bloggte ich darüber.
Meine Leser (Lercherl, Thomas Bosbach, Norbert Biermann und Notula) waren sich jedoch berechtigterweise schnell einig darüber, dass es sich bei der Sache um einen Scherz handelte. Die drei Studentinnen, die dieses Dokument gefunden haben wollen, kommen anscheinend aus dem Grafik-Design, nicht aus der Geschichtsforschung. Vermutlich haben sie diese Zettel selbst geschaffen.
Meines Wissens ist dieses Kryptogramm nie in einer Fachzeitschrift oder einer anderen ernst zu nehmenden Quelle veröffentlicht worden. Zusammen mit Paolo Bonavoglia habe ich trotzdem versucht, die drei Studentinnen zu kontaktieren – vergeblich. Nebenbei ist auch die Provenienz (also die Vorgeschichte) dieses “Funds” völlig unklar. Wir haben es hier also mit einer Fälschung zu tun.
Voynich-Manuskript
Wenn es um Fälschungen in der Krypto-Geschichte geht, kommt man nicht um das berühmte Voynich-Manuskript herum, jenes handgeschriebene Buch, das niemand lesen kann.
Das Pergament, auf dem dieses geheimnisvolle Werk geschrieben wurde, stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert. Davon abgesehen, lässt sich über die Entstehung des Voynich-Manuskripts nahezu nichts sagen. Die meisten Experten gehen davon aus, dass das Buch nicht unwesentlich älter als das Pergament ist und demnach spätestens Mitte des 15. Jahrhunderts geschaffen wurde.
Doch welchen Zweck sollte das Manuskript erfüllen? Meine bevorzugte (aber keineswegs bewiesene) Vermutung ist, dass ein Fälscher dieses Buch schuf, um es für viel Geld an einen reichen Zeitgenossen zu verkaufen bzw. dass der reiche Zeitgenosse das Manuskript in Auftrag gab. Sollte dies zutreffen, dann wäre das Voynich-Manuskript eine Fälschung mit dem einzigen Zweck, ein rätselhaftes Dokument für eine Sammlung zu schaffen.
Es gibt allerdings auch die Hypothese, dass Wilfried Voynich, der das Manuskript 1912 als Zufallsfund erworben haben will und nach dem es benannt ist, es selbst gefälscht hat. Voynich handelte von Berufs wegen mit alten Büchern und hatte daher sowohl ein Motiv als auch das Know-how für eine Fälschung.
Für eine Fälschung aus dem frühen 20. Jahrhundert spricht nicht zuletzt, dass der Inhalt des Manuskripts so nichtssagend wie nur möglich ist. Die Schrift ist unbekannt, der Inhalt nicht lesbar, die abgebildeten Pflanzen nicht identifizierbar und die abgebildeten Frauen (da unbekleidet) keiner Zeit oder Region zuordenbar. Selbst die abgebildeten astrolgischen Symbole besagen nichts, da die Astrologie in der Geschichte Europas so ziemlich immer und überall bekannt war. Es scheint also, als wäre ein Fälscher am Werk gewesen, der um jeden Preis verhindern wollte, dass irgendetwas an diesem Buch Verdacht erregen könnte.
Gegen eine Fälschung durch Voynich spricht jedoch die Provenienz. Immerhin weiß man, dass das Pergament aus dem 15. Jahrhundert stammt. Außerdem wird ein passendes Manuskript in mehreren Briefen aus dem 17. Jahrhundert erwähnt. Kannte Voynich diese Briefe und fälschte das dazu passende Manuskript mit altem Pergament? Komplett ausschließen konnte man diese Hypothese bisher nicht, auch wenn die meisten Experten sie für unahrscheinlich halten.
Der Schatz und der verschlüsselte Text von La Buse
Olivier Le Vassuer (ca. 1690–1730), bekannt auch als “La Buse” (der Bussard), war ein Pirat, der im Indischen Ozean sein Unwesen trieb. Er wurde 1729 gefasst und ein Jahr später auf der Insel La Réunion hingerichtet. Der Legende nach hatte Le Vasseur den Galgenstrick bereits um den Hals, als er ein Pergament in die Menge warf und rief: “Meine Schätze demjenigen, der dies versteht.” Auf dem Pergament stand eine verschlüsselte Nachricht. Sie soll wie folgt ausgesehen haben:
Wie man unschwer erkennt, handelt es sich um eine Pigpen-Chiffre (oder eine Variante davon). Die Verschlüsselung wurde 1947 von einem Engländer namens Reginald Cruise Wilkins gelöst. Der Klartext lautet (laut Nick Pelling):
aprè jmez une paire de pijon tiresket
2 doeurs sqeseaj tête cheral funekort
filttinshientecu prenez une cullière
de mielle ef ovtre fous en faites une ongat
mettez sur ke patai de la pertotitousn
vpulezolvs prenez 2 let cassé sur le che
min il faut qoe ut toit a noitie couue
povr en pecger une femme dhrengt vous n ave
eua vous serer la dobaucfea et pour ve
ngraai et por epingle oueiuileturlor
eiljn our la ire piter un chien tupqun
lenen de la mer de bien tecjeet sur ru
nvovl en quilnise iudf kuue femm rq
i veut se faire dun hmetsedete s/u dre
dans duui ooun dormir un homm r
esscfvmm / pl faut n rendre udlq
u un diffur qecieefurtetlesl
Leider konnte mit diesem Kauderwelsch bisher niemand etwas anfangen. Ist das Kryptogramm wenigstens echt? Als Antwwort zitiere ich einen Kommentar, den Cipherbrain-Leser A.C.S. kürzlich veröffntlicht hat:
Da ich momentan meine Masterarbeit schreibe und teilweise den Mythos um La Buse nutzen wollte kann ich euch nur eines sagen: kann man aufgrund von mangelnden und nicht zurück verfolgbaren Quellen etwas für eine wissenschaftliche Arbeit nicht nutzen, ist es sehr wahrscheinlich auch nicht echt. Man kann nicht mal den Mythos zurückverfolgen oder belegen und hat nur die Daten 1720/30 und 1920. Dazwischen ist nichts, danach erst wieder ein Hype in den 2000er Jahren. Es gab den Piraten und der hatte natürlich seine Schätze aber alles andere ist Seemannsgarn, der nicht einmal dafür genügend tauchte, sonst wäre das alles populärer und nicht nur ein lokaler Touristenfang.
Das Kryptogramm von Oak Island
Oak Island ist eine kleine Insel im Atlantik vor der Küste Kanadas. Auf dieser soll, fernab jeder Zivilisation, im 18. Jahrhundert ein künstlicher Schacht entdeckt worden sein, der Dutzende von Metern tief in die Erde hineinragte. Um dieses angebliche Bauwerk ranken sich zahlreiche Spekulationen und Legenden. Natürlich wurde auch schon vermutet, dass irgendjemand dort einen Schatz versteckt hat.
Heute ist leider nicht mehr klar, ob der angebliche Schacht jemals existiert hat. An der fraglichen Stelle wurde inzwischen so viel gegraben, dass nichts mehr zu erkennen ist. Ziemlich klar ist jedoch, dass das folgende Kryptogramm, das im Schacht gefunden worden sein soll, eine Fälschung ist:
Der Klartext lautet: “Ten feet below are two million pounds buried.”
Das Original der Tafel mit der Aufschrift ist verloren gegangen. Unnötig zu erwähnen, dass bisher niemand die zwei Millionen Pfund gefunden hat.
Fazit
Wie bereits erwähnt, gibt es unterschiedliche Gründe, einen verschlüsselten Text zu fälschen. Mal ist es Geldgier (das könnte das Motiv beim Voynich-Manuskript gewesen sein), mal ist es schlicht der Wunsch, andere auf den Arm zu nehmen (wie beim Oak-Island-Kryptogramm). Was im Falle der chinesischen Goldbarren das Motiv gewesen sein könnte, ist unklar.
Es gibt natürlich noch weitere kryptologische Fälschungen. Ob ich einen weiteren Blog-Artikel zu diesem Thema schreibe, kann ich momentan noch nicht sagen.
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Further reading: An encrypted book, similar to the Voynich Manuscript
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