Die Enigma steht vor einem Comeback. Das Bundesamt für Sicherheit in der Kommunikationstechnik (BSK) lässt derzeit 10.000 Exemplare herstellen, die ab Mai in allen geheimschutzbetreuten Bundesbehörden eingesetzt werden sollen.
English version (translated with DeepL)
Mit dem Zweiten Weltkrieg endete in Deutschland auch die Nutzung der bekannten Verschlüsselungsmaschine Enigma. Man stellte auf andere Maschinen um, und später setzten sich elektronische Verschlüsselungsgeräte durch.
Laut einer Pressemeldug des Bundesamts für Sicherheit in der Kommunikationstechnik (BSK) wird die Enigma jedoch schon bald ein Comeback erleben. Alle 122 geheimschutzbetreuten Bundesbehörden in Deutschland sollen ab Mai 2021 die Enigma zur Verschlüsselung nutzen. Dies gilt insbesondere für Daten der Geheimhaltungsstufen “EU Districted” und “NATO Districted”. 10.000 neue Enigmas werden derzeit dafür produziert.
Comeback kommt nicht überraschend
Die Entscheidung des BSK kommt nicht überraschend. Die deutschen Behörden hatten in den letzten Jahren mit zahlreichen IT-Sicherheitsangriffen zu kämpfen, die immer wieder auch Verschlüsselungsprogramme aushebelten.
Zuletzt sorgte vor allem der Hafnium-Hack diesbezüglich für Schlagzeilen. Presseberichten zu Folge manipulierte Hafnium zahlreiche verschlüsselte E-Mails von hochrangigen Politikern, was dazu führte, dass beim Entschlüsseln nur bedeutungsloser Unfug herauskam. Der Angriff wurde dadurch begünstigt, dass der bedeutungslose Unfug in vielen Politiker-Mails mehrere Wochen lang niemandem auffiel.
Auch der umgekehrte Fall ist belegt. Ein Hafnium-Trojaner sorgte dafür, dass zahlreiche Behörden-Mails, die vor dem Verschicken verschlüsselt werden sollten, im Klartext versendet wurden. Auch hier kam zu den Sicherheitslücken auch noch Pech dazu: Viele der Behörden-Mails waren so unverständlich formuliert, dass die Content-Filter auf den Mail-Gateways nicht einshritten, weil sie nicht bemerkten, dass es sich um unverschlüsselte Daten handelte.
Im Gegensatz zu den heute gängigen Verschlüsselungsprogrammen ist die Enigma gegenüber Hackern, Trojanern und anderen Cyber-Angriffen nicht anfällig. Außerdem lässt sich die Enigma – im Gegensatz zu den meisten modernen Verschlüsselungsverfahren – nicht mit einem Quantencomputer lösen und zählt damit zu den Methoden der Post-Quanten-Kryptografie. Die Umstellung auf das vermeintlich veraltete Verschlüsselungsgerät ist also nachvollziehbar.
Sicherheit hat Lücken
Doch wie steht es um die Sicherheit der Enigma? Bereits im Zweiten Weltkrieg erwies sich diese als unzureichend, und mit den heutigen computerbasierten Dechiffrier-Methoden lässt sich eine Enigma-Verschlüsselung erst recht knacken. Laut BSK-Präsidentin Erna Schonböhm ist dieses Problem längst bekannt. “Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Cyberangriffe auf Verschlüsselungs-Software eine viel größere Gefahr darstellen als unsichere Verschlüsselungsverfahren”, so Schonböhm, “daher nehmen wir eventuelle Schwachstellen in der Enigma-Verschlüsselung in Kauf und planen außerdem einige zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen.”
Im Rahmen einer solchen Maßnahme habe vor ein paar Tagen ein Schreiben vom BSK erhalten, in dem ich aufgerfordert wurde, sämtliche Informationen über das Knacken von Enigma-Nachrichten von meinem Blog zu entfernen. Selbstverständlich bin ich dieser Aufforderung nachgekommen. Meines Wissens haben auch Enigma-Dechiffrier-Experten wie Frode Weierud, Michael Hörenberg, Olaf Ostwald und George Lasry derartige Mitteilungen erhalten. In der Tat dürfte es ohne die Mithilfe solcher Experten deutlich schwieriger werden, Enigma-Nachrichten zu lösen.
Ein weiterer Inhalt des BSK-Schreibens: Bilder der Turing-Bombe, mit der die Briten im Zweiten Weltkrieg die Enigma knackten, dürfen zukünftig nur noch gepixelt gezeigt werden. Es dürfen keine Einzelheiten erkennbar sein, die auf die Funktionsweise schließen lassen. Hier ist ein Beispiel, wie ich Bilder der Turing-Bombe ab jetzt präsentieren werde:
Bilder von der Enigma selbst darf ich bisher noch in voller Auflösung veröffentlichen. Nach einer mehrwöchigen Übergangszeit wird aber auch die Enigma nur nochverpixelt dargestellt werden dürfen.
Die Herstellung der 10.000 neuen Enigma-Exemplare wird die Berliner Firma Heimsoeth & Rinke übernehmen. “Die Original-Baupläne sind noch vorhanden”, berichtet Schonböhm, “und wir haben keine Veranlassung gesehen, diese zu ändern.” Ob die neuen Enigmas auch ein Steckerbrett erhalten, ist noch nicht bekannt.
Aus Sicherheitsgründen dürfen mit der Enigma bei Bundesbehörden nur E-Mails mit maximal 100 Buchstaben verschlüsselt werden. Längere Botschaften müssen auf mehrere Mails verteilt werden, wobei ein unterschiedlicher Schlüssel vorgeschrieben ist. Datei-Anhänge müssen die Nutzer vor dem Eintippen Base64-kodieren.
“Die Bedienung einer Enigma ist zugegebenermaßen etwas umständlich”, räumt Schonböhm ein, “aber unsere Sicherheit sollte uns das wert sein.” Außerdem arbeite man an einer Verbesserung der Benutzfreundlichkeit. Beispielsweise soll die neue Enigma eine “@”-Taste erhalten.
Berechtigte und unberechtigte Kritik
Die Entscheidung für die Enigma ist erwartungsgemäß auch auf Kritik gestoßen. Beim Chaos Computer Club war man beispielsweise der Meinung, statt der Enigma hätte man lieber auf die Schweizer Verschlüsselungsmaschine Nema setzen sollen, die nicht nur billiger ist, sondern auch eine höhere Sicherheit bietet.
“Anstatt auf international anerkannte Standards zu setzen, bevorzugte man auf Biegen und Brechen eine deutsche Erfindung”, kritisierte ein CCC-Sprecher und sprach von einer ‘Not-invented-here’-Mentalität, die bei den Behörden hierzulande herrscht.
Völlig unbegründet und geradezu peinlich wirkt dagegen die Kritik des Boulevard-Magazins “Wild am Sonntag”. Dort titelte man: “Behörden nutzen lieber Helikopter-Service statt E-Mail”. Hintergrund: Die Redakteure des Blatts hatten gelesen, dass die Enigma eine Rotormaschine ist – und hielten sie für einen Hubschrauber.
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