Im Jahr 1894 legten Anarchisten in Belgien mehrere Bomben. Ein Historiker hat in einem Archiv eine verschlüsselte Nachricht dieser Gruppe entdeckt. Sie konnte bisher nicht dechiffriert werden.
English version (translated with DeepL)
Verschlüsselte Postkarten sind ein beliebtes Thema auf Cipherbrain. Für verschlüsselte Botschaften, die mit einem Verbrechen in Zusammenhang stehen, gilt dies ebenfalls. Umso schöner ist es, dass ich heute beides auf einmal präsentieren kann: eine verschlüsselte Postkarte, die mit einem Kriminalfall in Verbindung steht.
Anarchisten in Lüttich
Die virtuelle Reise, die mit einer verschlüsselten Postkarte stets verbunden ist, führt uns dieses Mal nach Lüttich in Belgien. Per Google-Suche bin ich auf einen Artikel (inklusive einem Video) aus dem Jahr 2020 gestoßen, der von einer dortigen Anarchistengruppe berichtet, die 1894 mehrere Anschläge verübte.
Laut diesem Artikel war der Anführer dieser Terrorgruppe Russe, die anderen Mitglieder stammten aus Deutschland. Im April 1894 versuchten die Anarchisten, im Theater von Lüttich eine Bombe zu zünden. Ein ähnlicher Anschlag am gleichen Tag galt dem Haus von Bürgermeister Léo Gérard. Beide Terroaktionen schlugen fehl.
In den darauffolgenden Wochen verübten die Anarchisten zunächst einen Sprengstoffanschlag auf die Kirche St.-Jakob, das bedeutendste Gotteshaus in Lüttich. Diese Aktion verursachte nur einen geringen Schaden.
In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1894 starteten die Anarchisten schließlich ihren vierten Versuch. Ein Sprengstoff-Anschlag auf das Haus eines Dr. Renson (vermutlich ein Arzt) verletzte drei Personen schwer. Es sollte der letzte Terrorakt der Gruppe bleiben.
Den Sprengstoff hatten die Anarchisten am 1. April 1894 in einem Bergwerk in den Ardennen gestohlen. Den Sprengladungen mischten sie Nägel bei, um deren Wirkung zu erhöhen.
Die Mitglieder der Anarchisten-Gruppe wurden nach dieser Anschlagsserie verhaftet. Sie wurden zu langjährigen Hafstrafen verurteilt.
Leider konnte ich außer dem Artikel keine weitere Quelle zu dieser terroristischen Gruppierung finden. Auch ihre Ziele sind mir nicht bekannt. Da es im ausgehenden 19. Jahrhundert unterschiedliche Strömungen des Anarchismus gab, sind verschiedene Motive denkbar. Vielleicht weiß ein Leser mehr über diese Geschichte.
Die verschlüsselte Nachricht
Der Historiker Bernard Wilkin, der im Artikel erwähnt wird, hat im Staatsarchiv in Lüttich eine verschlüsselte Nachricht gefunden, die sich den besagten Anarchisten zuordnen lässt. Hier ist sie:
Es folgt die Adress-Seite. Sie zeigt, dass die Karte am 16. Mai 1894 (also nach den Anschlägen) aus Brüssel nach Lüttich verschickt wurde:
Das Kryptogramm dürfte nicht einfach zu dechiffrieren sein. Einige Wörter sind im Klartext notiert (kann ein Leser sie lesen?), der Rest besteht aus Buchstaben, Symbolen und kleinen Zeichnungen. Vermutlich stehen letztere jeweils für ein Wort oder einen ganzen Satz. Eine Häufigkeitsanalyse bringt wenig, da sich nur wenige der Zeichen wiederholen.
Kann ein Leser trotzdem etwas aus dieser Botschaft herauslesen? Der besagte Historiker Bernard Wilkin würde sich sicherlich dafür interessieren.
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