Aus dem Gefängnis heraus versuchte die des Mordes Angeklagte US-Amerikanerin Jodi Arias, eine verschlüsselte Nachricht zu verschicken. Mit Hilfe meiner Leser würde ich gerne erfahren, wie das von ihr verwendete Verfahren funktionierte.
English version (translated with DeepL)
“True Crime” boomt – im Fernsehen, im Internet und auf dem Buchmarkt. Auch auf Cipherbrain kommen wahre Kriminalgeschichten regelmäßig gut an. Der Stoff wird mir so schnell nicht ausgehen, denn es gibt viele Kriminalfälle, in denen Verschlüsselung eine Rolle spielt. Dazu gehört beispielsweise der Zodiac-Killer, dessen zweite verschlüsselte Botschaften letztes Jahr gelöst wurde. Dave Oranchak, der an der Dechiffrierung beteiligt war, hat vor ein paar Tagen ein weiteres Video zu diesem Thema veröffentlicht. Unter anderem geht es darum, wie nahe andere der Dechiffrierung der Nahricht gekommen sind. Es ist absolut sehenswert.
Wer sich für Verschlüsselung und Kriminalität interessiert, sollte unbedingt am 26. Juni 2021 meinen nächsten ICCH-Vortrag anhören (ich werde ihn wieder zusammen mit Elonka Dunin halten). Hier ist die vorläufige Agenda:
Die Einwahldaten für diesen Online-Vortrag gibt es wie immer auf der ICCH-Mailing-Liste oder von mir auf Anfrage. Die Teilnahme ist kostenlos.
Der Mordfall Travis Alexander
Kommen wir nun zu einer verschlüsselten Botschaften mit kriminalistem Bezug, die mir bis vor Kurzem nicht bekannt waren. Sie spielt im Zusammenhang mit der Ermordung des Versicherungsvertreters Travis Alexander eine Rolle. Zu diesem Fall findet man auf Wikipedia folgende Informationen:
Am 4. Juni 2008 wurde der 30-jährige Travis Alexander in seiner Wohnung in Mesa (Arizona) mit einem Kopfschuss, 27 Messerstichen und einem Kehlenschnitt getötet. Das öffentliche Interesse war unter anderem deswegen so groß, weil die Gerichtsverhandlung gegen die Hauptverdächtige Jodi Arias vor laufenden Kameras stattfand und dabei Gewalt und Pornografie zentrale Rollen spielten.
Jodi Arias verstrickte sich vor Gericht in Widersprüche, die sie zunehmend unglaubwürdig erscheinen ließen. So wurde sie am 8. Mai 2013 des Mordes (First Degree Murder) an ihrem Ex-Freund Travis Alexander für schuldig befunden und am 13. April 2015 zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt.
Die verschlüsselte Botschaft
Was nicht auf Wikipedia nachzulesen ist, aber in einem Online-Artikel steht: Jodi Arias versuchte im August 2011, also während des Prozesses, eine verschlüsselte Nachricht aus dem Gefängnis an ihre Freundin Ann Campbell zu schmuggeln.
Zur Übertragung der Botschaften nutzte Arias zwei Zeitschriften: eine Ausgabe des “Star” sowie eine Ausgabe von “Digital Photo Pro”. Die beiden Zeitschriften wurden von Wärtern abgefangen, bevor Arias es schaffte, sie bei einem Besuch an ihre Freundin zu übergeben. Den Wärtern waren kleine Notizen aufgefallen, die mit Bleistift geschrieben waren.
Im “Star” stand unten auf einer Seite die folgende Zahlenreihe: 43 40 56 20 37 54. Jede Zahl, so der Staatsanwalt, entsprach einer Seitennummer aus dem “Digital Photo Pro”-Magazin. Insgesamtt ergab sich laut Staatsanwaltschaft folgende Botschaft:
You f***ed up what you told my attorney the next day
directly contradicts what I’ve been saying for over a year
get down here ASAP and see me before you talk to them again and before
you testify so
we can fix this
interview was excellent! Must talk ASAP!
Auf Deutsch übersetzt:
Du hast versaut, was du meinem Anwalt am nächsten Tag erzählt hast
widerspricht direkt dem, was ich seit über einem Jahr sage
komm so schnell wie möglich hierher und triff mich, bevor du wieder mit ihnen redest und bevor
du aussagst, damit
wir das in Ordnung bringen können
die Befragung war ausgezeichnet! Wir müssen so schnell wie möglich reden!
Die Staatsanwaltschaft wertete diese Botschaft als Versuch, die Aussage eines Zeugen zu beeinflussen. Vermutlich sollte Arias’ Freundin die Nachricht weiterleiten. Wer der eigentliche Empfänger sein sollte, ist nicht bekannt. Eine Möglichkeit wäre Arias’ Ex-Freund Matthew McCartney, der im Prozess aussagte. Arias stritt ab, einen Zeugen beeinflusst haben zu wollen, wie man im folgenden Video sehen kann:
Ob Arias sonst etwas zu der verschlüsselten Botschaft sagte, ist mir nicht bekannt. Wie bereits erwähnt, endete der Prozess mit der Verurteilung zu einer “Life without Parole”-Haftstrafe.
Die Verschlüsselung
Das von Arias verwendet Verschlüsselungsverfahren ist eine so genannte Buch-Chiffre – auch wenn statt eines Buchs hier eine Zeitschrift zum Einsatz kam. Bei einer Buch-Chiffre verweist eine Gruppe von Zahlen bzw. Buchstaben jeweils auf einen Buchstaben oder ein Wort in einem Buch. Beispielsweise könnte 12311 für das elfte Wort auf Seite 123 eines Buchs stehen. Das Buch, auf das sich die Verweise beziehen, ist ein Teil des Schlüssels.
Buch-Chiffren werden in meinem aktuellen Buch “Codebreaking: A Practical Guide” ausführlich behandelt.
Nicht ganz klar ist mir leider, wie genau die von Arias verwendete Buch-Chiffre funktionierte. Die im Artikel genannte Nachricht besteht aus sechs zweistelligen Zahlen (“43 40 56 20 37 54”), während die Botschaft aus sechs Zeilen besteht. Vermutlich bezieht sich jede Zahl auf eine Zeile. Es ist allerdings kaum möglich, mit so wenigen Informationen eine so lange Nachricht zu kodieren.
Ich vermute, daher, dass die Angaben im Artikel nicht vollständig sind. Möglicherweise stehen die sechs Zahlen für Seitennummern, auf denen zusätzlich die relevanten Buchstaben markiert sind.
Schafft es ein Leser, mehr über diese verschlüsselte Nachricht herauszufinden. Falls ja, bitte ich um eine Mitteilung im Kommentarfeld.
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Further reading: Kinderporno-Verdächtiger begeht Selbstmord und hinterlässt verschlüsselte Festplatten
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