Quelle/Source: eBay

Auf eBay wird gerade ein Funkspruch aus dem Zweiten Weltkrieg angeboten. Kann ein Leser diesen einordnen? Oder gar dechiffrieren?

English version (translated with DeepL)

Das Jahr hat gerade begonnen, und schon gibt es auf Cipherbrain wieder ein spannendes Rätsel zu lösen. Blog-Leser Jörg Drobick hat mich dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht. Es geht um einen verschlüsselten Text, der gerade auf eBay angeboten wird. Er füllt eine Seite:

Quelle/Source: eBay

 

Das Kryptogramm

Leider habe ich keinerlei Informationen über dieses Schriftstück – außer dem Schriftstück selbst. Anscheinend handelt es sich um einen Funkspruch aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Dokument ist auf den 15. März 1942 datiert. Vermutlich hat der “Abhorchdienst” den Spruch abgehört und auf diesem Zettel dokumentiert.

Der Begriff “Abhorchdienst” ist mir jedoch unklar. Laut einigen Internet-Seiten trug eine Einrichtung des Ersten Weltkriegs diesen Namen. Das passt jedoch hier nicht. Da es im Zweiten Weltkreig in Deutschland etwa ein Dutzend unterschiedlicher Kryptologen-Truppen gab, vermute ich, dass der hier gemeinte Abhorchdienst mit einer davon in Verbindung stand. Weiß ein Leser mehr dazu?

Die Ortsangaben Jerusalem und London könnten sich auf den Sender und den Empfänger des abgehörten Funkspruchs beziehen. Mit Chapelry (eigentlich: Sprengel) ist vermutlich ein Bezirk in Großbritannien gemeint.

Da sich unter meinen Lesern viele Amateurfunker befinden, kann vielleicht jemand erklären, was die Zeile “Welle …” zu bedeuten hat. Anscheinend geht es hier um eine Kurzwellenfrequenz, die bekanntlich auch für längere Übertragungsstrecken (beispielsweise von Jerusalem nach London) geeignet ist. Weitere Hinweise nehme ich gerne entgegen.

 

Dechiffrierungsansätze

Noch schwieriger als eine Interpretation dieses Schriftstücks ist sicherlich dessen Dechiffrierung. Solange Sender und Empfänger nicht klar sind, ist es schwierig, auch nur das verwendete Verfahren zu identifizieren. Eine statistische Analyse des verschlüsselten Texts könnte weiterhelfen.

Bei der Analyse des Texts könnten außerdem die handschriftlichen Notizen auf dem Zettel hilfreich sein. Diese deuten darauf hin, dass die deutschen Codeknacker die Nachricht entschlüsseln konnten. Dass der Klartext auf Englisch verfasst ist, wäre nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass er nach London geschickt wurde.

Die vermeintlichen Klartext-Stellen haben meist nicht die gleiche Länge wie die zugehörigen Geheimtext-Passagen. Dies spricht dafür, dass ein Codebuch zum Verschlüsseln verwendet wurde. Das wäre ebenfalls keine Überraschung, denn im Zweiten Weltkrieg waren viele Codebücher im Einsatz.

Kann ein Leser mehr zu diesem verschlüsselten Funkspruch sagen? Hinweise nehme ich gerne entgegen.


Further reading: The Henry Debosnys Murder Case FAQ

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Kommentare (22)

  1. #1 Max Baertl
    2. Januar 2022

    Die vielen wiederholten 5er Gruppen wie „AZFIV“ die anscheinend für „and“ steht, sprechen dafür das hier tatsächlich ein Codebuch verwendet wurde.

  2. #2 Norbert
    2. Januar 2022

    “Fk.-Kp. 7” und der Begriff “Abhorchdienst” legen nahe, dass dieses Dokument, so es denn echt ist, der Funker Kompanie 7 der Schweizer Armee zuzuordnen ist, vgl. https://hamfu.ch/_upload/Die-Fk-Kp-7-im-II-Weltkrieg.pdf

  3. #3 Gerd
    2. Januar 2022

    Auf die Schnelle: Die Wellenlänge 21,53 m entspricht einer Frequenz von 13940 kHz. Hier ist beides angegeben, aber mit “kcs” (kilo cycles per second) anstatt kHz. Das ist ein erster Hinweis darauf, dass das nicht aus Deutschland stammt, wo kHz verwendet worden wäre. Einen Abhorchdienst der Fk-Kp 7 gab es aber in der Schweiz:
    https://hamfu.ch/_upload/Die-Fk-Kp-7-im-II-Weltkrieg.pdf
    Das ist also eine schweizer Mitschrift.

  4. #4 Steffen
    2. Januar 2022

    Wenn das Dokument authentisch sein sollte (“Abhorchdienst” ist mir auch als erstes aufgestoßen, bevor ich den Text gelesen habe), dann ist es nicht deutschen Ursprungs. Die Frequenzangabe kcs “Kilocycles” ist in DL ungebräuchlich, eher im englischen Sprachraum verwendet. Dazu braucht man nur mal die Skalen deutscher Wehrmachtfunkgeräte zu googlen: Dort sind Frequenzen in MHz (Megahertz) oder kHz (Kilohertz) angegeben.
    21,53 m ist die Angabe der Wellenlänge – früher oft auch auf Radioskalen verwendet: “49-Meter-Band”. Diese errechnet sich aus 300/[Frequenz in MHz]. Wenn also die Frequenz 13490 kcs = 13,490 MHz ist, ist die Wellenlänge 22,23 Meter. Das stimmt nicht überein – auch die “doppelte” Angabe von Frequenz und Wellenlänge ist komisch.
    Meine Meinung: Nicht allzu ernst nehmen.

  5. #5 Matthew Brown
    2. Januar 2022

    It looks to be a 1-part code and the decipherer is the process of trying to break it.

    azfiv = AND
    egeft = DIFFICULTIES
    fcecb = ENEMY/ENGLAND

    etc.

  6. #6 Gerd
    2. Januar 2022

    @Steffen, #4: Da steht 13940, nicht 13490. Das passt schon im Rahmen der damals verfügbaren Genauigkeit der Geräte. Welche Geräte da so zur Verfügung standen, steht in dem verlinkten Artikel.

  7. #7 The_Piper
    3. Januar 2022

    Es fällt auch auf, daß für ein offizielles Dokument kein Formular, sondern nur ein leeres Blatt Papier verwendet wurde. Das kann also gar nicht deutsch sein.

    Wenn ich die Unterschrift richtig entziffere, heißt das “Huber”.
    Wikipedia:
    “Daraus entwickelte sich der Familienname Huber, der im deutschen Sprachraum zu den häufigsten 5 bis 10 gehört, insbesondere in Österreich und der Schweiz, wo er etwa 0,3 Prozent der Familiennamen ausmacht.”

    Also wieder die Schweiz, von daher halte ich Norberts Hinweis/Link für ziemlich plausibel.

  8. #8 Steve
    3. Januar 2022

    Transcript from reverse image search at https://yandex.com/images/

    Fk.-Kр. 7 Standort, 15.3.42.
    Abhorchdienst,

    Welle 21,53 m, 13940 Kcs, tg. (Kel) SUC
    20
    SSS SCDE JERUSALEM 190 15 1220 nten b getat =
    IMPORTANT CHAPELRIES LONDON =
    syoym nrlwe abizk hsalt egeft pkfuc nbaix azfiv nbuye
    hsacu lzula gxifh icnik feowz fcecb knful erska dlfll
    enazk lbilg feoox fyita hrpex flfuz nhpxn plubd hpoww lazdn
    egeft lzaba sfiud rpurx htuhy pcsow iszea azfiv ksfee lhall
    klirc luofu ababy ndzad hooei guruh fkzzd bcowl fzukm kflnm
    balmb ozzuv hcnhg dluhf ldzfb ozzuv borch abizk subit haeee
    roadu sesif nurna fyins dlfhy gtfre fnomh hbicf gtnuh gplas
    lifon azfiv inind heldg dxize ptpit felwz enpmw fyins dlfhy
    ahaki fdlam gdutb pkfuc lfnuo ebocg etpoc ababy ruswo gtnuh
    besok fyins dlfuk hopgy abreh stead baoxe duryb fyita leszr
    lgshx dlfru dczkt abomu ezidd lkpkf genxh lcroz oborf fclnk
    pfait ozryt glzkt esiwy fgawa abonr sfozk nurna lbilg rpugd
    lcekt seomi nxsox birep dezcv brozu rhlhz dyopu noeot abizk
    sudno icrul ptozz lxilz ogotx olngl lbimd fkndv hnfem fyims
    nhpxn gdnil kioon fyins kyabd fieat cpzlo ckeha gkawo alaco
    cdaps rpugd pools blzor hosaf fkidu boaln hcemk ababy pyznh
    panol azrmf orpeu goizv icowp bhlud ababy hgilc lbzkh coasa
    idomi hgozh reogu cknid bklig ttecn flffs dlfhy orpeu ezamw
    silhv abizk hflyk iprla snleb pulvo nfryc oclsg hijer +

    Abhorchdienst:

  9. #9 schorsch
    3. Januar 2022

    Bei den ‘CHAPELRIES LONDON’ dürfte es sich nicht um einen unspezifizierten londoner Stadtteil handeln, sondern um den im britischen ‘Government Telegraph Code’ codifizierten Namen des Empfängers, lt. der ‘Secretary of State for the Colonies’.

    Dieses Codebuch wurde allerdings bereits 1919 von Wilhelm Tranow entschlüsselt, es verwundert daher, es 1942 immer noch im Gebrauch zu finden.

  10. #10 Thomas
    3. Januar 2022

    Die handschriftlichen Einträge deuten nicht unbedingt darauf hin, dass die Nachricht tatsächlich entschlüsselt worden ist. Sie zeigen meiner Meinung nach nur, dass es jemand nach einer “interpolierenden” Methode durch Aufteilung eines Wörterbuchs (wie etwa hier: https://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/2018/10/29/a-dictionary-code-challenge/#more-17088) unter der Prämisse versucht hat, dass sich im Codebuch Codegruppen und Klartext jeweils alphabetisch sortiert gegenüberstehen. Denn unter einigen Codegruppen stehen zwei im Alphabet nahe beieinander stehende Klartextwörter.

  11. #11 Thomas
    3. Januar 2022

    Die Wörterbuchmethode stößt hier auf Schwierigkeiten, weil die letzte Codegruppe im Alphabet TTECN ist und man nicht weiß, ob Codegruppen beginnend mit U – Z im Codebuch überhaupt nicht vorkommen oder ob dies zwar der Fall ist, aber diese Codegruppen für diese Nachricht nicht gebraucht wurden. Allenfalls ließe sich noch vermuten, dass ABIZK als erste Gruppe (4x) für “a” und ABABY (eher als AZFIV) für “and” stehen.

  12. #12 Thomas
    3. Januar 2022

    Edit: Für “a” würde ABABY stehen, ABIZK für “after” und AFIZK dann, wie in dem Lösungsversuch, für “and”.

  13. #13 Karo
    Otterfing
    3. Januar 2022

    Laut diesem Dokument, gab es wirklich einen Erwin Huber (HB9AG) am Standort Seelisberg
    https://www.hamfu.ch/de/pdf/publikationen/Die-Fk-Kp-7-im-II-Weltkrieg.pdf

    Die 190 15 1220 legt nahe, dass es 190 Gruppen sein sollen, am 15. um 1220 verschickt. Sind aber keine 190 oder ich zähl falsch

  14. #14 Thomas
    3. Januar 2022

    “Chapelries London” war die Empängerbezeichnung für Telegramme an das britische Secretary of State for the Colonies. Also war die Nachricht wohl von irgendeiner britischen Stelle in Jerusalem an die Zentrale in London gerichtet.

  15. #15 Karo
    Otterfing
    3. Januar 2022

    https://www.hamfu.ch/_upload/Placeholder-Codebuch-1916.pdf

    Ist nicht das richtige Codebuch, aber vielleicht kann jemand was damit anfangen. Ist aus einem Nachlass eines Funkers vom Abhorchdienst

  16. #16 Karo
    Otterfing
    3. Januar 2022

    https://www.hamfu.ch/_upload/Codebuch-18-m-Cmnt-RR.pdf

    Hier ist der Rest mit Kommentaren

  17. #17 Thomas
    3. Januar 2022

    Der hier verwendete Code ist der britische “Government Telegraph Code” von 1933, hier ist leider nur eine Seite abgebildet: https://www.jmcvey.net/cable/government/index.htm

    ababy steht für den Punkt (fullstop), abizk für einen neuen Paragraphen.

  18. #18 Thomas
    3. Januar 2022

    Leider scheinen die Probeseiten auf John Mc Veys Webseite die einzigen zu sein, die man online sehen kann. Ansonsten gibt es den Government Telegraph Code wohl nur in Bibliotheken wie in der British Library. Wie auf der letzten Probeseite zu sehen, entsprechen Codegruppen mit RZ… Wörtern mit “We…”, so dass das Codebuch wohl bei den Codegruppen mit “T….” endet.

    @Klaus
    Hast du Kontakt zu John McVey und kannst ihn Fragen, ob er Kopien des vollständigen Codebuchs hat?

  19. #19 Karo
    Otterfing
    3. Januar 2022

    Hier kann man online lesen. Das Laden dauert, sind knapp 600 Seiten.

    https://bibleandbookcenter.com/read/government-telegraph-code/

  20. #20 Klaus Schmeh
    4. Januar 2022

    Thanks to all. The encryption system was identified as a code, the codebook has been identified, too, and a copy of it has been located. Great work!

  21. #21 Klaus Schmeh
    15. Januar 2022

    Bob Bogart via email:
    I have searched through everything I have here at home for more information about the encoded message you posted in Cryptograms & Classical Ciphers on January 2.

    When I was working for Ennessay (say it out — I don’t want to reveal the three-letter government agency), I taught a course in Codes and Bookbreaking. We had a section devoted to Commercial Codes, codes used by businesses to change single letters, entire words, or entire phrases into a five-letter group, making sending telegraphic messages shorter, and therefore less expensive to send.

    Looking through the cipher groups, I saw three occurrences of the group ABABY. I distinctly remember a commercial code we had the students use to decrypt a non-operational (made up by the creator of the course) message. The code had ABABY as its first entry, equating to the single letter “A.” We called this the “BABY” code because the first entry was ABABY. I don’t know that “BABY Code” was its official name, but that’s what we always called it.

    Unfortunately (or fortunately, depending on your outlook on things), I retired at the end of July from Ennessay after 36 years of service, making it impossible for me to go back, get a copy of the BABY Code, and hopefully decrypt the message. It’s encouraging that the words penciled in above the code groups are in English (which was the underlying
    language in the BABY Code), and appear to come from a one-part code, which the BABY Code is.

    I never encountered any actual messages that were encoded using the BABY Code, which is not surprising because we had laws against reading messages involving England, like the one regarding London you showed. But we had the BABY Code in softcopy form as an example of a Commercial Code that was used back in the days of the telegraph.

    I don’t know if this helps, as I cannot remember any other code group values other than ABABY. But this might put you on the right track to finding the solution to the message you displayed.

  22. #22 Thomas
    15. Januar 2022

    The (A)BABY Code is the British Government Telegraph Code, ABABY stands for fullstop.