Die russische Zarin Alexandra war Mitglied eines poetischen Geheimbunds, der eine Geheimschrift nutzte. Wissen meine Leser mehr darüber?

English version (translated with DeepL)

Auf das heutige Thema hat mich wieder einmal ein Leser aufmerksam gemacht – und zwar schon vor sechs Jahren. Zugegebenermaßen ist mir erst jetzt, beim Stöbern in alten Blog-Artikeln, aufgefallen, dass es sich dabei um eine spannende Sache handelt. Besser spät als nie.

 

Das verschlüsselte Tagebuch

Am 11. April 2016 habe ich über einen verschlüsselten Eintrag im Tagebuch der Zarentochter Olga Romanowa (1895–1918) berichtet.

Quelle/Source: The Romanow Family

Olga war die ältere Schwester der etwas bekannteren Anastasia und eine Tochter des letzten russischen Zaren Nikolaus.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Wie ihre vier Geschwister und ihre Eltern, wurde Olga 1918 von den Bolschewisten umgebracht.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Über ein verschlüsseltes Telegramm, das von dieser Ermordung berichtet, habe ich ebenfalls schon gebloggt. Ralf Bülow, Torbjörn Andersson und Thomas Bosbach haben das Rätsel damas gelöst.

Bei dem oben gezeigten Tagebuch-Auszug war ich mir zunächst nicht sicher, ob er überhaupt verschlüsselt ist. Ich hätte auch eine ausgefallene Schrift für möglich gehalten. Aber auch hier haben mir meine Leser weitergeholfen. Thomas Bosbach fand schließlich heraus, dass es sich tatsächlich um eine Verschlüsselung handelte, und zwar um eine einfache buchstabenweise Substitution. Hier ist der Klartext:

ласковый. молодой улыбался.
радовался. голубчик дорогой.

Übersetzt heißt das etwa:

Zärtlich. Der junge Mann lächelte.
Er freute sich. Mein Lieber, Teurer.

 

Die Geheimschrift des Geheimbunds

Thomas Bosbach hat damals noch etwas anderes herausgefunden, was für diesen Blog interessant ist. Leider habe das damals nicht beachtet.

Es geht hierbei um Olgas Mutter, die Zarin Alexandra. Diese hieß ursprünglich Alix von Hessen-Darmstadt und stammte aus Deutschland. Laut dem Buch “Briefe der Zarin Alexandra von Russland an ihre Jugendfreundin Toni Becker-Bracht” von Lotte Hoffmann-Kuhnt gründete Alexandra 1887 mit drei Freunden einen poetischen Geheimbund, der sich dem Austausch von Gedichten widmete. Der Bund trug den Namen AETA und war noch den Anfangsbuchstaben der Namen der vier Mitglieder benannt. Die Briefe, die sich die Freunde gegenseitig zuschickten, waren häufig mit “AETA, bis in den Tod ” unterschrieben.

Der AETA-Bund entwickelte auch eine Geheimschrift. Diese kam in Briefen und in einem Freundschaftsalbum zum Einsatz. Außerdem führte die Zarin ein Poesie-Büchlein, das sie auf diese Weise verschlüsselte. Das oben genannte Buch zeigt folgenden Ausschnitt daraus:

Quelle/Source: Briefe der Zarin Alexandra von Russland: an ihre Jugendfreundin Toni Becker-Bracht

Das genannte Buch liefert auch einen Teil des Klartexts. Er ist auf Deutsch verfasst:

Erinnerungen an unsre Gefühl[e]
für meine teure + vielgeliebte Freundin
Toni Becker
von der stets treuen Bundesgenossin, +
Schwester nach Liebe
Alix von Hessen

Gedichte über die Liebe
Kein Feuer, keine Kohle brennet so heiss
Als heimliche Liebe von der niemand weiss

Wenn ich es richtig sehe, wird der untere rechte Teil des Geheimtexts im besagten Buch nicht entschlüsselt. Vielleicht kann hier ein Leser helfen.

Mich würde außerdem interessieren, ob man an weitere Texte des AETA-Bunds herankommen kann, die auf diese Weise verschlüsselt sind. Das besagte Freundschaftsalbum wird wohl im Hessischen Staatsarchiv aufbewahrt. Wenn ein Leser sonstige Tipps hat, würde ich mich freuen.


Further reading: Russian crypto mystery solved by a reader of this blog

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Kommentare (6)

  1. #1 Gerry
    15. Mai 2022

    Bottom left: Darmstadt, 1887.
    Bottom right:
    Es muss was Wunderbares sein,
    ums (?) Lieben zweier Seelen sich schließen ganz ein.
    Ander (?) ein.

  2. #2 Norbert
    15. Mai 2022

    @Gerry: Very good! This is a poem by Oscar von Redwitz (1823 – 1891). It was very popular and was set to music several times, among others by Franz Liszt.

  3. #3 Kerberos
    15. Mai 2022

    Der untenstehende
    codierte Text wurde mir von einem
    Bekannten übermittelt, der dazu nur weiß,
    daß es angeblich ein Gedicht sein soll.
    Kerberos

    Krokl okwaf zisem memem misei
    okron tropr afrip lobif zibaf
    zihul alemm iquas tibas tiboh
    ontra rurum irome nteza skuze
    sruru entep entel eiole ntekl
    ekwap ufzil osima rarko smalz
    ipemp usilz uzank unkre imarj
    omard osque mpule mpusi risur
    isei

  4. #4 Geoffrey
    15. Mai 2022

    Kerberos’ acquaintance’s cipher is a very strange one, since even the ciphertext has a placement of consonants and vowels that is natural language-like, even almost poetic one might say. So somehow the encryption process did not even disrupt the natural placement order of the consonants and vowels…

  5. #5 Norbert
    15. Mai 2022

    @Kerberos: Auch das wurde schon mehrfach vertont:
    https://www.lieder.net/lieder/get_text.html?TextId=24063

  6. #6 Kerberos
    16. Mai 2022

    @ Norbert
    Erwischt! :=)