Zwei Wissenschaftler wollen die Identität des rätselhaften Somerton-Manns gelüftet haben, der 1948 in Adelaide tot aufgefunden wurde. Ist das Rätsel damit tatsächlich gelöst?

English version (translated with DeepL)

“Der Somerton-Mann wird exhumiert”, lautete vor über einem Jahr der Titel eines Artikels auf diesem Blog. Die damals angekündigte Exhumierung und DNA-Untersuchung sollte ein spektakuläres Rätsel lösen: Die Identität des 1948 tot aufgefundenen Mannes, der nach seinem Fundort am Somerton Beach in Adelaide (Australien) als “Somerton-Mann” bekannt ist, sollte geklärt werden.

 

Der Somerton-Mann

Für alle, die diese Geschichte noch nicht kennen: Der Somerton-Mann kam Ende November 1948 vermutlich mit dem Zug nach Adelaide und fuhr anschließend mit dem Bus vom Bahnhof zum Somerton Beach. Er war gut gekleidet, körperlich in guter Verfassung und dürfte Anfang 40 gewesen sein. Am Strand wurde er von mehreren Zeugen gesehen. Am 1. Dezember fand man seine Leiche im Sand.

Quelle/Source: Schmeh

Der Somerton-Mann starb vermutlich an einer Vergiftung oder an einem allergischen Schock. Ob es sich um Mord, Selbsttötung oder einen natürlichen Tod handelte, konnte nie ermittelt werden.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Der Somerton-Mann hatte offensichtlich versucht, seine Identität zu verschleiern. Er trug keine Ausweispapiere bei sich. Die Etiketten aus seiner Kleidung waren entfernt. In seinem Koffer fanden sich nur einige Alltagsgegenstände, die kaum Rückschlüsse auf seine Herkunft zuließen. Es gelang in den folgenden Jahrzehnten nicht herauszufinden, wer der Tote war.

Im Anzug des Toten stieß man auf ein Stück Papier mit der Aufschrift “Tamam Shud”, das aus dem Buch “The Rubaiyat of Omar Khayyam” von Edward FitzGerald herausgerissen war. Das zugehörige Buchexemplar fand sich in der Nähe. Darin waren folgende Buchstaben notiert (Tamam-Shud-Kryptogramm):

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Das Tamam-Shud-Kryptogramm besteht vermutlich aus den Anfangsbuchstaben englischer Wörter. Diese könnten einen Text (ein Gedicht?) oder eine Liste von Begriffen bilden. Mehr ist darüber nicht bekannt.

Über den Somerton-Mann habe ich auf Cipherbrain schon öfters gebloggt. In Australien ist dieser Fall sehr bekannt. Es gibt ein Buch dazu (“The Unknown Man” von Gary Feltus), auf YouTube kann man Dokumentationen dazu anschauen. In meinem Buch “Nicht zu knacken” ist diesem Fall ein ganzes Kapitel gewidmet. Und natürlich wurden im Laufe der Jahrzehnte unzählige Theorien veröffentlicht, von denen sich jedoch keine beweisen ließ.

Letztes Jahr stimmten die Behörden in Australien einer Exhumierung des Unbekannten zu. Allerdings hat man seitdem nichts mehr davon gehört.

 

Hieß der Somerton-Mann Charles Webb?

Gestern wiesen mich Ralf Bülow, Georg Herrmann und Andreas Barchfeld auf neue Presseberichte über den Somerton-Man hin. In diesen hieß es: Die Identität des Toten stehe nach einer DNA-Analyse jetzt fest. Ich dachte zuerst, dass die Untersuchungen an der exhumierten Leiche nun endlich ein Ergebnis hervorgebracht hatten, doch darum ging es nicht.

Vielmehr geht es in den diversen Artikeln um eine Untersuchung, die der australische Wissenschaftler Derek Abbott und die US-Forensikerin Colleen Fitzpatrick durchgeführt haben. Den beiden stand anscheinend ein Haar des Toten für eine DNA-Analyse zur Verfügung, deren Ergebnis sie mit den Einträgen von DNA-Datenbanken vergleichen konnten. Das Resultat: Der Somerton-Mann soll ein damals 43-jähriger Elektroingenieur namens Charles Webb bzw. Carl Webb gewesen sein.

Was ist davon zu halten? Zunächst einmal gehe ich als Laie davon aus, dass eine DNA-Analyse sehr zuverlässig ist. Außerdem sind Abbott und Fitzpatrick Fachleute, die ich für kompetent und seriös halte. Ich nehme das Ergebnis ihrer Forschung daher ernst, auch wenn noch nicht alle meine Zweifel beseitigt sind.

Abbott und Fitzpatrick liefern noch ein paar zusätzliche Argumente dafür, dass sie richtig liegen. Anscheinend gibt es keine Quelle, die darauf hinweist, dass Webb nach 1948 noch gelebt hat. Insbesondere konnten die beiden keine Todesanzeige oder etwas Vergleichbares ermitteln. Dafür fanden sie einen nahen Verwandte von Webb, der Gerald Thomas Keane hieß. Dies könnte erklären, warum einige Kleidungsstücke des Toten mit der Aufschrift “T Kean[e]“ versehen waren. Bisher ging man davon aus, dass es sich dabei um Markierungen einer Wäscherei handelte, doch es könnte natürlich auch sein, dass ein früherer Besitzer diese Aufschriften angebracht hat.

Leider gibt es sonst bisher keine Ansatzpunkte, um zu prüfen, ob der Somerton-Mann tatsächlich mit Charles Webb identisch ist. Ein Foto von Webb wurde bisher nicht veröffentlicht. Allzu viele Details aus Webbs Biografie sind ebenfalls nicht bekannt. Die ungeklärte Todesursache wird wohl ohnehin vorerst ein Rätsel bleiben.

Und schließlich ist auch das aus meiner Sicht größte Rätsel in diesem Zusammenhang noch nicht geklärt: Wie kann es sein, dass eine Person, deren Porträt über Jahrzehnte hinweg durch die Presse geistert, von niemanden erkannt wird? Ich würde das noch halbwegs verstehen, wenn es sich um eine Person handelt, die vom anderen Ende der Welt stammt und die sich erst seit kurzer Zeit in Australien aufgehalten hat. Charles Webb aber war Australier – er stammte aus dem 700 Kilometer entfernten Melbourne. Warum fiel niemandem auf, dass er irgendwann verschwunden war und dass er dem Mann auf dem Foto ähnelte?

Sollte es sich beim Somerton-Mann tatsächlich um Charles Webb handeln, dann könnte dies neue Ansätze zur Lösung des Tamam-Shud-Kryptogramms liefern. Vielleicht hat er irgendwelche Aufzeichnungen hinterlassen, die Aufschluss geben. Ich bin jedenfalls gespannt.


Further reading: Somerton-Mann: Warum erkannte niemand den unbekannten Toten?

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Kommentare (19)

  1. #1 BREAKER
    27. Juli 2022

    George Hill Hodel Jr. was an American physician and suspect in the murder of Elizabeth Short, a.k.a. the Black Dahlia. He was never formally charged with the crime.-Wikipedia

    These murders all featured cards with ciphers in them that were sent into taunt police, in a manner that the Zodiac later mimicked.

    There is a window of time between 1947 and 1949 when his bio is void of any information, and noting he was wealthy enough to buy the Frank Lloyd Wright Mansion called the Sowden House, it would be no surprise that he would be able to travel, and have the money to do so frivolously, being involved in something related to espionage in LA and Chicago. (possible ties to Nuclear Secrets)

    With the idea that the Sommerton Man was there as a spy to pass along details of the electrical triggers used to construct a nuclear device, one can form a timeline of events that showed why he was left for dead. They suspected that whoever had poisoned him did so with something that would metabolize out of the body immediately after killing him, but they also said that this would put the knowledge of the composition of something like this in the hands of a doctor that would know how to make the chemical.

    The entire list of ciphers and cards are similar in nature using the same markers and pen strokes that match.

    A simple comparison of the two sets, which were seen to appear in the same window in and around 1948 were telltale.

    George Hodel was part of the team of spies that were blackmailing political and official members of the US Govt into silence concerning their affairs in the domestic side of their operations, which happened to be used for the theft of nuclear secrets that the Soviet Union and later Israel were using to build their own programs up. Hodel was a known subversive at the time and was suspected for decades but never was charged because he held “komprimat” on the members of the local city govts, and would threaten to release the information behind the number of abortions he tended to from women that were employed to engage in extramarital affairs with these members of the govt bodies.

    https://imgur.com/EqfTf7c

  2. #2 Thomas
    27. Juli 2022

    @Klaus

    Du fragst: Warum fiel niemandem auf, dass er irgendwann verschwunden war? Seiner Ehefrau war das aufgefallen, denn sie beantragte deshalb die Scheidung: “An CARL WEBB, ehemals Brombystreet, South Yarra, aber jetzt an einem unbekannten Ort. -Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihre Frau DOROTHY JEAN WEBB ein Scheidungsverfahren gegen Sie wegen Verlassens eingeleitet hat und dass, wenn Sie sich nicht bis zum 29. Oktober 1951 beim Prothonotary’s Office des Supreme Court in Melbourne melden, das Verfahren in Ihrer Abwesenheit fortgesetzt werden kann und Sie zur Zahlung der Kosten verurteilt werden können.” (Anzeige in The Age, Melbourne, 5. Okt. 1951). Anscheinend aber hat sie die in Zeitungen veröffentlichten Fotos des Toten nicht gesehen.

  3. #3 BREAKER
    27. Juli 2022

    The Rubiyat from the page with Tamam Shud written on it was used as a signature dirg added to the mystery by the person that was responsible for killing him.

    He left a similar cipher in a Dhalia card using the same three sections and the same first letters as the poem. I compared the two here.

    https://imgur.com/2sjwZzk

  4. #4 BREAKER
    27. Juli 2022

    The three sections of the poem leave the similarities between the two as an oddity to stand out, as he chose the “O O” letter combination to repeat in his Dhalia Cipher Card instead of the acrostic next to it.

    ATTM for Atom Bomb…..

  5. #5 Klaus Schmeh
    27. Juli 2022

    @Thomas:
    >Anscheinend aber hat sie die in Zeitungen
    >veröffentlichten Fotos des Toten nicht gesehen.
    So muss es gewesen sein, wenn Webb der Somerton-Mann war. Und all seine Verwandten und Freunde müssten das Foto ebenfalls verpasst haben. Schon seltsam, wenn man bedenkt, welche Popularität dieser Fall in Australien entwickelt hat. Und dann ist immer noch die Frage, warum Webb ohne Ausweis-Papiere unterwegs war.

  6. #6 BREAKER
    27. Juli 2022

    Assuming this is a simple Old English Box Cipher with the letters being used in specific positions to derive a secondary message when blocked in, you find the phrases:

    DR SENDING NOTE
    IDROGEN TNT
    TO BE TESTED ARR FOR
    FOR GERY HA HA !

    The acrostic from the poem then matching the phrases spelling out ATTM for Atomic

    This case is now solved

  7. #7 BREAKER
    27. Juli 2022

    Here is the breakdown as it appears placed next to the plaintext read. The subtle spellings of words begins the interpretation and then it follows the patterning of a blocked out section to finish the phrases in Stennos

    https://imgur.com/ueu3IDi

  8. #8 BREAKER
    27. Juli 2022

    @Klaus he obviously was killed and his ID was taken, with the rest of his identifying marks also removed from his clothes….someone was careful to decorate the scene.

  9. #9 Ellguth
    Berlin
    28. Juli 2022

    In der Ahnenforschung ist die genetische Forschung, zum Nachweis der biologischen Abstammung (Kuckuckskind, Adoption), inzwischen schon normal. Man kann also davon ausgehen, dass die Identifizierung korrekt ist.
    Trotzdem bleiben alle anderen Fragen offen:
    1.) Warum trug er Kleidung, die für die Jahreszeit und die Örtlichkeit viel zu warm waren (Winterkleidung)?
    2.) Warum hat niemand, auch seine Frau, nicht, ihn, durch die Zeitungsberichte, erkannt?
    3.) Er kaufte eine Zugfahrkarte nach Henley Beach für 10:50 Uhr des nächsten Morgens und Busfahrkarte nach Glenelg. Wo wollte er hin und warum?
    4.) Er trug Kleidung, die wohl nicht seine eigene war, in diese Kleidung (Hose) war eine kleine Tasche eingenäht, in dem sich der Zettel befand. Warum wurde die “Geheimtasche” angefertigt und warum wurde dort der Zettel verwahrt?
    5.) Was hat es mit dem weggeworfenen Buch auf sich, aus dem der Zettel für die verschlüsselte Nachricht, stammte?
    6.) Wieso war in dem Buch die Telefonnummer der Krankenschwester notiert und die in dem Stadtteil wohnt, für die die Buskarte gekauft wurde?
    7.) Wo wollte er übernachten, da sein Zug ja erst am nächsten Tag fuhr?

    Logische Zusammenhänge: Er kam wahrscheinlich mit dem Zug an, wollte aber eine Person besuchen, die er nicht gut kannte, sonst hätte er nicht irgendwo, in der geduscht und seine Sachen am Bahnhof eingeschlossen.
    Ob die Busfahrkarte genutzt wurde, ist mir nicht bekannt, scheint aber nicht so zu sein. Er begab sich zum Strand (mögliches Zögern, die Person aufzusuchen, zu der er wollte, oder er hat sie aufgesucht, hat aber das nicht erreicht, was er wollte und warf das Buch, mit der Telefonnummer, weg).
    Am Stand verstarb er, aber die Todesursache ist nicht bekannt und Vergiftung nur eine Vermutung. Direkte Fremdeinwirkung kann ausgeschlossen werden.

  10. #11 Wandee Thaweetham
    Chanthaburi Thailand
    28. Juli 2022

    The story from the start has been written as a mystery. The facts are that a dead body was found with no marks on it that would have suggested a violent death. Heart attack or poison are also inconclusive as cause of death. There are many stories of people who have killed themselves and who have tried to hide their identities. Anybody suggesting that the removal of labels was done by a third party to hide the identity are not serious. These parties would have had easier ways to dispose of the body. Everybody who has been to Adelaide knows that offshore close to the beach is a thriving shark population including the great white. Going up the Adelaide river one can see crocodiles and from my own experience let me tell you, they are not small.

    If his death on the beach would have been natural or an accident, he certainly would not have removed all forms of identification. That tells me that he wanted to die, but leaves no clue to the reasons why. No doubt some filmmaker will find a way to tell us why (and most certainly not true), which will sell tickets.

  11. #12 Wandee Thaweetham
    Chanthaburi Thailand
    28. Juli 2022

    @Klaus

    Australia doesn’t have a law that requires identification papers (Ausweise oder ID Karten). As tourist, as I found out, it is helpful to keep the passport with you and not leave it in the hotel.

  12. #13 Marc
    28. Juli 2022

    Hmm… wie ist es eigentlich möglich, dass die DNA einer Person, die in dieser Zeit gelebt hat, in einer DNA-Datenbank gespeichert ist ?

  13. #14 Klaus Schmeh
    28. Juli 2022

    Bart Wenmeckers via Facebook:
    Thank you for the update. I have been curiously intrigued by this case for a while as it’s in my corner of the world.

  14. #15 Wandee Thaweetham
    Chanthaburi Thailand
    28. Juli 2022

    @Mark
    Die DNA war in keiner Datenbank.

    The pair analysed DNA evidence from hairs caught in a plaster cast made of the man’s face more than half a century ago by investigators.

  15. #16 Richard SantaColoma
    https://proto57.wordpress.com/
    28. Juli 2022

    This will be very exciting if correct! There are questions as you and others point out, so the news must be considered carefully and with some degree of skepticism.

    But so far, it sounds promising! It will be interesting if a DNA comparison can now be made between Charles Webb, and the daughter of that “woman of interest”.

  16. #19 Richard SantaColoma
    https://proto57.wordpress.com/
    2. Dezember 2022

    This short documentary has more information. It also has two pictures of Carl (Charles) Webb. I think it looks quite a lot like him… compare the shape of the upper ears.

    Anyway, it seems that Webb’s mother and father had died, and his brother. A year or so before he was found on the beach, he divorced his wife and moved out.

    In the papers of the divorce, the ex wife claimed that she came home one day and he was covered with ether… and had taken an overdose of pills. But he recovered.

    Anyway, everything seems to fit very well. And also, he was into poetry. My guess is the strings of letters are mnemonic, to help him recite poetry. Maybe. Anyway, great show: