Diesen Beitrag hatte ich zum 10-jährigen Jubiläum der Science-Blogs zusammengestellt. Weil ich noch einmal hineinschauen wollte, habe ich ihn gestern verzweifelt gesucht – auf meertext taucht er nicht auf. Er ist aber wichtig, schließlich ist es eine wunderbare Übersicht über die Kopffüßer! Darum stelle ich ihn jetzt noch einmal auf Meertext.
Wer sich noch gut daran erinnert, möge diesen Beitrag überspringen – ansonsten wünsche ich einen guten #CephalopodFriday !
Extra-Ausgabe Friday-Cephalopod, wie versprochen.
Die Intelligenz der Tintenfische ist legendär, ihre Sozialkompetenz beim Mutterinstinkt oder Schwarmverhalten scheint mitunter bestechend und ihre Tarnfähigkeiten werden mit denen eines klingonischen Raumschiffes verglichen. Die Interaktionen der marinen Tentakelträger in Aquarien oder im Freiland, untereinander und mit Menschen werden oft wohlwollend anthropozentrisch als emotionale Ausbrüche gewertet.
Heute gibt es mehr als 800 Arten, bisher sind über 10000 ausgestorbene Arten bekannt. Alle Cephalopoden waren zu allen Zeiten an die Ozeane gebunden, manche gehen bis ins Brackwasser hinein. Bis heute ist kein Cephalopode, weder fossil noch rezent, bekannt, der im Süßwasser lebt oder lebte.
Wer ist eigentlich wer unter den Kopffüßern? Know your cephalopods!
Gibt es eigentlich „Die Kopffüßer“ und kann man kann über diese große Gruppe überhaupt generelle Aussagen machen?
Die Kopffüßer (Cephalopoden) sind eine große und diverse Gruppe von Tieren, die seit dem späten Kambrium, also seit mehr als 500 Millionen Jahren, in unseren Ozeanen leben. Seit dem Ordovizium im Erdaltertum, also seit 485 Millionen Jahren, spielen sie eine entscheidende Rolle in den irdischen Ozeanen und haben immer neben den Wirbeltieren des Meeres ihren Platz in der Megafauna behauptet. Als Jäger und Gejagte. Als Singles oder im koordiniert agierenden Schwarm. In allen Meerestiefen und bei allen Temperaturen.
In dieser langen Zeit haben sie ebenso gewaltige Veränderungen durchlaufen wie die Wirbeltiere oder andere große Tiergruppen. Die heute lebenden Cephalopoden sind hoch entwickelte Meereswesen und die einzelnen Gruppen unterscheiden sich erheblich in ihrer Form und ihrem Wesen.
Die genaue systematische Zuordnung der heute lebenden Gruppen ist nicht unumstritten, Ketrina Yims herrliches Poster „Know your cephalopods!“ zeigt eine Übersicht.
Im Folgenden habe ich mich im Wesentlich an die auf der deutschen Wikipedia-Seite vorgestellte Systematik gehalten, die sich auf Clyde Ropers Arbeiten bezieht. Er ist einer der Nestoren der Tintenfisch-Forschung. Die Zuordnung einiger Untergruppen wie der Zwergsepien und der Vampirtintenfische ist nicht ganz unumstritten, aber solche Details sind für uns hier unerheblich.
Ich stelle die einzelnen Gruppen nur knapp vor und verlinke dann zu den weiterführenden Meertext-Beiträgen. Daneben lohnt es sich natürlich auch, unter den entsprechenden Schlagworten selbst noch einmal zu Meertext durchsuchen.
Cephalopoda: Kopffüßer
Alle Kopffüßer haben flexible Gliedmaßen, die am Kopf angesetzt und als Kranz den Schnabel und die Mundöffnung umgeben. Diese muskulösen Gliedmaßen funktionieren mit hydrostatischem Druck.
Es gibt verschiedene Arten von Gliedmaßen: Arme und Tentakel. Grundsätzlich ist ein Arm eine Extremität, die über den größten Teil der Länge Saugnäpfe trägt. Tentakel hingegen tragen meistens nur am vom Kopf entfernten (=distalen) Ende Saugnäpfe. Oft sind sie am Ende verdickt und bilden dann eine Tentakelkeule aus.
Oktopusse haben 8 Arme, Kalmare und Sepien haben grundsätzlich 8 Arme und 2 Tentakel. Nautilus hat um die 60 bis 90 kleine Tentakel.
Männliche Kopffüßer bilden oft einen Arm als Hectocotylus aus, der für die Spermienübertragung spezifiziert ist.
Mehr über den Hectocotylus und den komplexen Geschlechtsapparat der Kraken und ihre Gehirne gibt es hier.
Je nach Gruppe können sie Außen- oder Innenschalen haben.
Nautiloide: Perlboote
Das Perlboot mit seiner planspiralig aufgedrehten glatten Außenschale und den 60 bis 90 Tentakelchen schwebt entschleunigt in der Wassersäule der tropischen Ozeane.
Nautiloide haben ihre besten Jahre – oder eher Jahrmillionen – hinter sich, sie sind Überlebende der einst vielformigen und vielköpfigen Gruppe der Nautiliden aus dem Erdmittelalter. Sie sind nicht näher verwandt mit den Ammoniten, Schalen und Sipho sind bei beiden Gruppen recht unterschiedlich gebaut.
Fossil sind über 800 Gattungen bekannt, 90 % davon lebten im Erdaltertum (Paläozoikum), „in der Trias kamen noch etwas über 30 Gattungen vor, etwa 26 im Jungmesozoikum (Jura und Kreide), 9 im Paläogen und 3 im Neogen. Heute leben noch 2 Gattungen, Nautilus mit 4 Arten und Allonautilus mit einer Art. Beide kommen im zentralen Indopazifik von den Philippinen bis Samoa vor.“
Auch physiologisch sind die Perlboote eine Reliktart und haben spezielle Anpassungen für das Leben in größeren Meerestiefen zu leben.
Nautilus hat keine Tintenblase und ist kein Tintenfisch. Ihr Herz und ihre Kiemen sind weniger leistungsfähig als die der Tintenfische.
Mit ihrer eher bedächtigen Lebensweise wirken die Perlboote wie aus der Zeit gefallen, ihre Perlmutt-Schale – nur die äußere Schicht ist aus Kalk – erfreut sich großer Beliebtheit bei Menschen und so sind diese ungewöhnlichen Tiere heute leider bedroht.
Bitte kaufen Sie niemals eine Nautilus-Schale!
Alle anderen heute lebenden Kopffüßer gehören den Tintenfischen an.
Tintenfische (Coleoidea oder Dibranchiata):
Neben der Tintendrüse zeichnen sie sich aus durch die starke Entwicklung leistungsfähiger Sinnesorgane – vor allem der optische Sinn ist exzellent, dementsprechend ist das Sehganglion zu einer gehirnähnlichen Struktur ausgebildet.
Heute dominieren zwei große Gruppen der Tintenfische diese Weichtierklasse: Die achtarmigen Octopoden (8 Arme) und die zehnarmigen Decabrachiata (8 Arme plus 2 Tentakel).
Octopoda:
Achtarmige Tintenfische ohne Schale.
Octopoda: Incirrata (Incirrina)
Incirrata haben 8 Arme und 0 Tentakel, sie sind der Inbegriff des Oktopus, Octopus vulgaris dürfte einer der bekanntesten sein.
Meist leben sie in der Nähe des Meeresbodens oder bewegen sich auf Sand, Fels und anderen Untergründen. Dabei scheinen sie mit einer amorph wirkenden Form mehr dahinzufließen, als zu laufen. Wenn sie es sehr eilig haben, können sie mit dem Rückstoßprinzip auch schwimmen.
Ihre Haut ist nicht glatt, sondern hat oft kleine Fortsätze, so dass sie neben der Farbe auch noch ihre Struktur an den Meeresboden anpassen können. Durch ihre Körperhaltung und “Gestik” können sie ihre Form erfolgreich verfälschen.
Sie werden, wie Sepien und Kalmare, stark befischt.
Eigentlich verwunderlich, dass trotz der Faszination der Andersartigkeit und ihrer nachgewiesenen Intelligenz immer noch so viele Menschen diese Tiere verspeisen. Delphine haben solche Bedenken selbstverständlich nicht. Allerdings können die vielarmigen Weichtiere auch wehrhaft auftreten, so hat unter anderem ein Krake offenbar einen Hai erwürgt.
Trotz ihrer offenkundigen Andersartigkeit als Wirbeltiere erscheinen Kraken zwar fremdartig, haben aber keinesfalls außerirdische Verwandtschaft. Aufgrund eines Mißverständnisses anläßlich einer Pressekonferenz über das Kraken-Genom hatten einige Journalisten tatsächliches so etwas geschrieben. Also: Octopusse sind keine Aliens!
Octopoda: Cirrata (Cirrina)
8 Arme, 0 Tentakel und zwei Flossen. Die 8 Arme tragen Cirren, kleine Haken aus Chitin, mit denen die Tiere ihre Beute festhalten können.
Anders als ihre Verwandten ohne Cirren leben sie im freien Wasser schwimmend und sind meist spezialisiert auf größere Tiefen. Von der Eleganz und Schnelligkeit ihrer 10-armigen Verwandten, den Kalmaren, sind sie weit entfernt. Von pfeilschnellem Schwimmen ist bei ihnen nichts zu sehen, sie segeln, knollig-knuffig gerundet, mit ihren rundlichen Flügelchen durchs Wasser wie der Disney-Elefant Dumbo durch die Luft. Da diese Flossen wie die Ohren des fliegenden Elefanten positioniert sind, heißen diese Unterwasserflieger unter Cephalopoden-Experten auch „Dumbo“s oder Dumbo-Octopusse.
Ihren Auftrieb erhalten diese Tiefseekopffüßer durch Ammoniak. Das macht sie für Menschen ungenießbar, sie werden nicht befischt und gehandelt und sind daher nicht gefährdet. Allerdings bleiben sie so auch den meisten Menschen unbekannt.
Vampyromorphidae: Vampirtintenfische
Ein dunkelrotes Männtelchen, blau glühende Augen und fiese Haken an der Innenseite der Arme – diese Äußerlichkeiten bewogen den deutschen Zoologen Carl Chun auf der deutschen Valdivia- Tiefseeexpedition , seine Neuentdeckung „Vampirtintenfisch aus der Hölle“ zu nennen. Er hat 8 Arme mit Cirren und in Taschen verborgen noch zwei lange bleiche Tentakel.
Lange blieb die Lebensweise des geheimnisvollen Kopffüßers nahezu unbekannt, erst mit dem technischen Fortschritt konnte der nur 30 Zentimeter kleinen Kopffüßer endlich beobachtet werden. Seitdem wissen wir: Der kleine Schein-Octopus zieht sich zum schnellen Schwimmen sein rotes Mäntelchen über den Kopf, er kann leuchtende Wolken ausstoßen und … als einziger Tintenfisch ist er kein Jäger! Stattdessen nutzt er seine Arme und Tentakel zum Aufspüren und Einschleimen von Meeresschnee, also Detritus. Wie alle Kopffüßer, hat er ein faszinierendes Liebesleben.
Der Tiefseevampir ist der einzige seiner Art und durch seine Lebensweise in der Abgeschiedenheit der Meerestiefe und seinen kommerziell nicht verwertbaren Körper geschützt.
Dieser Kopffüßer übt seit meiner Studienzeit eine ungeheure Anziehungskraft auf mich aus, darum habe ich mehrfach detailliert über ihn geschrieben.
Die zweite große Gruppe der Tintenfische sind die Decabrachia (Zehnarmigen Tintenfische): Teuthida (Kalmare), Sepiida (Echten Tintenfischen), Sepiolida (Zwergtintenfischen) und dem Spirulida (Posthörnchen)
Ganz genau betrachtet, haben diese Tiere 8 Arme und 2 Tentakel!
Die Teuthida (Kalmare) sind mit über 250 Arten die größte Gruppe innerhalb der heute lebenden Cephalopoden. Sie haben 10 Arme und 2 Tentakel, oftmals mit Tentakelkeulen ausgestattet: Das verbreiterte Ende der Tentakeln ist mit großen Saugnäpfen besetzt.
Die Tentakel schleudern sie zum Nahrungserwerb nach vorn und fangen damit ihre Beute, die mit kleineren Saugnäpfen besetzten Arme helfen dann, die Beute zur Mundöffnung zu führen.
Kalmare sind schnelle und gewandte Jäger des freien Wassers. Manche Arten leben in Schwärmen, die mittels ausgefeilter Kommunikation ihr Schwimmverhalten synchronisieren können. Die Kommunikation erfolgt vor allem optisch über Farben und Leuchtorgane.
Sie leben mitten in der Wassersäule des freien Ozeans und schaffen es dennoch, sich mit Farb– und Leuchtspielchen zu tarnen. Schließlich sind sie für alle größeren Beutegreifer des Meeres in pralles Proteinpaket.
Wie alle Tintenfische folgt auf eine wilde Paarung die fürsorgliche Brutpflege.
Kalmare haben einen inneren Schalenrest aus dünnem Chitin unter der Rückenhaut liegen, den Gladius.
Sepiida (Echte Tintenfische): Die Sepien haben 10 Arme und zwei Tentakel.
Sepien sind anders proportioniert als Kalmare: Ihre rundlich-abgeflachten Körper haben einen unter den gesamten Rückenhaut liegenden kalkigen Schulp als Auftriebshilfe. Sie sind oft eher gemächlich und nahe des Meeresbodens unterwegs. Der Schulp ist den meisten Menschen aus dem Vogelkäfig bekannt, daran dürfen sich die gefiederten Lieblinge den Schnabel wetzen.
Sepien haben einen Tintenbeutel, der schon in der Antike zur Farbgewinnung benutzt wurde, die Farbe „Sepia“, ein schwärzliches Braun, ist nach ihnen benannt.
Sie sind etwas rundlicher und langsamer als ihre gestreckten Vettern und halten sich gern in der Nähe des Meeresgrundes auf. Ihre Farbspiele und Tarnmöglichkeiten sind legendär. Das schwarz-weiß gestreifte Hochzeitskleid lässt sie wie Zebras der Meere wirken, mit einer anderen Tarnung in Kombination mit der „Nilpferd-Haltung“ wirken sie eher wie ozeanische Nilpferdchen.
Sie haben allen Grund zu dieser Perfektion an Tarnung, langsam, nicht wehrhaft und proteinreich sind sie nicht nur für Delphine der perfekte Happen. Die gewieften Zahnwale haben an verschiedenen Orten weltweit gleich eine ganze Reihe von Strategien zum Verspeisen einer Sepia entwickelt.
Sepiolida (Zwergtintenfische): Sie sind nahe mit den Sepien verwandt und sehen ihnen sehr ähnlich. Manche Wissenschaftler zählen sie zu den Sepien. Sepioliden haben ebenfalls einen ovalen Körper, sind aber rundlicher als Sepien. Sie haben 8 kleine Arme und 2 Tentakelchen. Ihr außergewöhnlichstes Merkmal ist ihre Symbiose mit biolumineszenten Bakterien, darunter auch Vibrio fischeri, wodurch sie schillern. Diese Endosymbionten leben in einem Leuchtorgan im Mantel der Kopffüßer. Die Zwergsepie versorgt ihre Bakterien mit einer Zucker-Aminosäure-Lösung, dafür senden die Bakterien Licht aus. So verschwindet die Zwergsepie – von unten betrachtet – im einfallenden Licht. Diese Discobeleuchtung ist die perfekte Camouflage für den nicht sehr großen, nicht sehr schnellen und nicht sehr wehrhaften kleinen Tintenfisch.
Meistens kauert sich das kleine Weichtier in den Sand, klappt Tentakel und Flossen ein und guckt aus großen Augen in den Ozean. Diese scheinbar aufgerissenen Augen und die rundliche Figur sorgen selbst bei einem wirbellosen Tier für ein Kindchenschema par excellence und sorgen dafür, dass ich unsachlich werde….diesindjasoooosüüüß!
Spirulidae: Das Posthörnchen (Spirula spirula) ist ganz allein in einer eigenen Gruppe. Es ist der letzte Überlebende einer einstmals größeren Gruppe, die mit 8 kurzen Armen und 2 längeren Tentakeln den Sepiidae sehr ähnlich ist. Manche Forscher stellen sie in die Sepiidae.
Außergewöhnlich sind Spirulidae durch ihre Schale:
Im Mantel verborgen hat ein Posthörnchen ein spiralig gewundenes Gehäuse, dessen Windungen sich nicht berühren, wie ein Widdergehörn. „Das Gehäuse hat einen Durchmesser von 2 bis 3 cm und ist in verschiedene
Kammern unterteilt, in denen Gas enthalten ist. Das Gas in den einzelnen Kammern kann von dem Tier in geringem Maße reguliert werden und hält das Tier im „Kopfstand“ schwebend in der Wassersäule. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung wird das Gehäuse nicht zum Auf- oder Abstieg in der Wassersäule benutzt. Das Tierchen bewegt sich rasch mit Hilfe seiner Flossen vorwärts und auch in der Wassersäule auf- und abwärts. Das Posthörnchen verfügt über zehn Arme, von denen zwei zu Fangarmen ausgebildet sind.“
Diese winzigen Tintenfische mit der ungewöhnlichen Spiralschale leben vor allem in tropischen Gewässern.
Ein einziges Mal habe ich die Schale einer Spirula am Strand gefunden: Die winzige, perfekte weiße Spirale strahlte mich auf dem schwarzen vulkanischen Sand von la Palma regelrecht an.
Die ausgestorbenen Belemniten gehören zu den Tintenfischen, bei einzelnen, außergewöhnlich gut erhaltenen fossilen Exemplaren sind Tintenblasen nachgewiesen.
Die Ammoniten hingegen haben offenbar keine Tintenbeutel gehabt, sie sind keine Tintenfische.
Damit sollte die Verwandtschaft der Meerestiere mit den vielen Armen und Tentakeln erst einmal geklärt sein.
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