Was die Zahnwale dennoch in diesem Seegebiet hält, sind die Thunfische!
Die Straße von Gibraltar ist eine wichtige Wanderroute für die großen Fische: Im Frühling kommt der Blauflossenthunfisch zum Laichen ins Mittelmeer, im Juli und August wandern die Thunfische dann zurück in den Atlantik. So passieren sie zweimal im Jahr die Meerenge von Gibraltar und dort schlagen die Fischer zu. Der Thunfang hat hier eine lange Tradition, die bis in die Antike, zu Phöniziern und Römern zurückreicht. Auch die traditionelle Fangtechnik mit einem Labyrinth aus kompliziert verschachtelten Netzfallen – die Almadabra – hat sich erhalten. Dazu werden Stellnetze mit Ankern am Meeresboden verankert und bilden einen Fischzaun. Ist ein Schwarm Thunfische in diesem Labyrinth gefangen, wird das Netz hinter ihnen geschlossen, dann töten die Fischer die Thune.
Manche andere Fischer nutzen Langleinen, die mit vielen Haken bestückt sind.
Beim heutigen Thunfischpreis ist wenig überraschend, dass der Bestand überfischt ist und die spanischen und marokkanischen Fischer ihren Fang nicht gern mit den Orcas teilen wollen.
Zwischen 2005 und 2010 sei der Thun-Bestand zusammengebrochen, so hat sich die Nahrungskonkurrenz-Situation verschärft.
Zur gleichen Zeit seien die Orca Sichtungen der Whale Watcher rapide gesunken. Seit 2009 ist eine Thunfisch-Quote eingeführt worden, die Bestände haben sich wohl ein wenig erholt und es werden wieder deutlich mehr Orcas gesichtet.
Jörn Selling, ein Film Meeresbiologe, erklärt dass die Fischer sogar gezielt auf die Orcas zu fahren, weil sie denken, dass die Zahnwale mit ihrem Sonar die Fische längst vor ihnen entdecken. Dabei fahren die Fischer manchmal direkt durch die durch die Orca-Gruppen hindurch, und verletzen die Wale dabei sogar.
Jörn Selling arbeitet für firmm – foundation for information and research on marine mammals. Die Stiftung erforscht die Orcas vor Gibraltar und bietet Whale watching-Touren an, sind mit dem Bestand gut vertraut.
Firmm dokumentiert die Walsichtungen und andere Informationen: 1999 haben zwei Gruppen der Gibraltar-Orcas gelernt, die Thunfische direkt vor den langen Leinen herunter zu pflücken. „Stehlen“ nennen die Fischer das. Aus Sicht der Orcas hingegen dürften die Fischer die Diebe sein. Die Wale pflücken dabei die gefangenen Fische von der Leine, nur den Kopf lassen sie zurück – mit ihrem Sonar können sie die Metallhaken erkennen.
Dieses Verhalten ist für die Wale nicht ohne Risiko, viele der Tiere tragen schwere Verletzungen von Leinen und Haken davon, die Narben und Einkerbungen an den Flossen sind deutlich erkennbar. Die Fischer möchten sich natürlich „ihren“ Fisch nicht „stehlen“ lassen, und wehren sich. Sie setzen Elektroschocker ein, werfen Benzinkanister oder schneiden sogar in Rückenflossen.
Selling erzählt auch, dass ein erwachsenes Orca-Männchen vor einigen Jahren gelernt hatte, in dem Netz-Labyrinth der Almadabra zu navigieren, wie ein U-Boot. Dieser Orca sei einige Zeit später mit sehr schweren Verletzungen gesehen worden und kurz danach verschwunden.
Ein Weibchen („Lucia“) hat sowohl ihr Neugeborenes als auch eine Brustflosse verloren – vermutlich beides durch ein Fischereinetz, vermuten die firmm-Biologen. Amputierte Flossen sind typische Verletzungen durch Beifang – Wale (oder auch Meeresschildkröten) geraten mit den Extremitäten oder dem Kopf in Netze, die unzerreißbaren Schnüre schneiden sich tief in die Haut ein oder schnüren Flossen ab.
Dieser Konflikt zwischen den Fischern und den Orcas dauert also schon einige Jahre, nicht alle Fischer halten sich an die Fangquoten oder an das Verbot, Meeressäuger zu verletzen.
Was kann die Wale ausgerechnet jetzt dazu bewogen haben, auf einmal gezielt gegen Yachten zu agieren?
Susan Smilie schreibt, dass mehrere Wissenschaftler ihr gegenüber dafür einen sehr unwissenschaftlichen Ausdruck benutzt hätten: „pissed of”.
Der kumulative Stress könnte den Walen einfach zu viel geworden sein – der Kummer über zu viele verlorene Kälber, zu viele Verletzungen, zu viel Kampf um Fisch. Dann hat es während der Corona-Epidemie eine kurze Zeit der Ruhe gegeben, weil der Schiffsverkehr stark abgenommen habe. Jetzt gäbe es aber wieder den vollen Einsatz der menschlichen Aktivitäten – mit Hochseeanglern, Whale watching-Schiffen, Segelbooten, Schnellfähren und Frachtern. Sofort ist es für die Zahnwale wieder schwierig, in dem ganzen Meereslärm ihre Sonarechoszu hören und die Beute zu finden. Das könnte jetzt diese Aggressionen ausgelöst haben.
Kommentare (23)