„Aus den Augen aus dem Sinn – wie der Schutz der europäischen Schweinswale versagt“ – „Out of sight, out of mind: how conservation is failing European porpoises“ ist der Titel einer neuen Studie zur Effektivität des Walschutzes in der EU.
Ida Carlen, Laetitia Nunny und Mark P. Simmonds` Fazit: Ein Versagen des Schweinswal-Schutzes in europäischen Gewässern. Gerade das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verhindert gezielt die Umsetzung von internationalen Abkommen und ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse – dadurch ist der Ostsee-Schweinswal akut vom Aussterben bedroht.
Wale sind langlebige Säugetiere und Prädatoren, sie werden relativ alt und haben nur eine begrenzte Fortpflanzungsrate – wahrscheinlich bekommen die Weibchen nicht einmal jedes Jahr ein einziges Kalb, das dann viel Zuwendung braucht.
Obwohl viele Menschen Walschutz als wichtig betrachten und ihn befürworten, sind ausgerechnet unsere einheimischen Schweinswale (Phocoena phocoena) nur wenig in der Öffentlichkeit bekannt. Klein, meist unsichtbar und eher unspektakulär bleiben sie hinter den bekannteren Delphinen (Große Tümmler) oder Buckelwalen zurück.
Sie haben mich mein ganzes Biologen-Leben lang begleitet, seit Beginn der 90-er Jahre – damals habe ich an den Synchronzählungen auf Sylt teilgenommen, die letztendlich zum heutigen Walschutzgebiet führten. Darum haben sie einen festen Platz auf Meertext.
Heute stelle ich eine brandneue Publikation vor, die analysiert, warum es mit dem Schweinswal-Schutz in Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen bisher so schlecht geklappt hat, welche unrühmliche Rolle dabei das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft spielt und warum es jetzt einen Hoffnungsschimmer gibt.
Schweinswale – kleine Wale in großer Gefahr
Der kleine Zahnwal ist der häufigste Wal in europäischen Gewässern und lebt auch in Nord- und Ostsee, mehr zu seiner Biologie ist hier.
Als kleiner, küstennah lebender Wal hat er in industrialisierten Küstengewässern keine guten Überlebenschancen, die menschliche Nutzung bringt viele Gefahren und Probleme mit sich:
- Lärm durch Schifffahrt und Infrastruktur-Bau und -Betrieb (Windfarmen)
- Starke Belastung der Küstenmeere durch Schadstoffe (PCBs, …), die das Immunsystem schwächen und die Fortpflanzungsfähigkeit mindern
- Fischerei – sie sterben in den Netzen und konkurrieren um Fische
Populationen anderer Schweinswalarten (Familie Phocoenidae) in anderen Regionen der Welt sind ebenfalls bedroht, teilweise stehen sie kurz vor dem Aussterben: Das bekannteste Beispiel ist der Vaquita oder Kalifornische Schweinswal im Golf von Kalifornien (Phocoena sinus).
Carlen und ihre Mitautoren diskutieren die häufigsten Bedrohungen und Faktoren, die die Schweinswalpopulationen global beeinflussen, und geben Empfehlungen.
Wie der Schweinswalschutz in Europa begann
1960/61 verhedderten sich in den Nylonnetzen der Ostsee-Lachsfischer innerhalb einer einzigen Saison 50 Schweinswale. In den 1970 ern waren es innerhalb von sieben Jahren nur noch acht Exemplare. Damit war klar: Dieser Kleinwal-Bestand war offensichtlich eingebrochen und die Fischerei hatte damit zu tun hat.
Dieses Phänomen war auch in anderen Meeren zu beobachten – nach einer sehr hohen Anzahl der Kleinwalen im Beifang (Arten, die zwar gefangen werden, aber nicht die Zielart sind), nahmen sie stark ab. Aus einem überall häufigen Meeressäuger wurde ein seltenes Tier. Allerdings konnte niemand sagen, wie selten, denn es gab keine Bestandszahlen.
In den USA und Kanada gab es daraufhin die ersten Überlegungen zum Schutz der kleinen Meeressäuger.
In Europa begann der Schweinswalschutz in den späten 1980-ern in England: Erste Hinweise auf einen starken Rückgang der Kleinwale führten zu der Erkenntnis, dass man für Management und Schutz erst einmal Basisdaten braucht. Die lagen nicht vor und so begann in den 90-er Jahren die Erforschung dieser kleinen Meeressäuger – auch in Deutschland.
1991 wurde das regionale Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See, abgekürzt ASCOBANS (englisch: Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas) verabschiedet, das 1994 in Kraft trat.
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