Der komplexe Nexus sind internationale Gesetze und Abkommen, das EU-Umweltrecht und EU-Meeresschutz sowie die EU-Fischerei-Politik – unterschiedliche Zuständigkeiten, Ziele und Lobbygruppen verhindern einen effektiven Meeresschutz (Anekdote am Rande: Meine Anfragen vom August 2020 bezüglich der Umsetzung des Walschutzes an die entsprechenden Ministerien in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sind bis heute nicht beantwortet worden).
In Deutschland wird die Interessens-Kollision aus Umweltschutz und Landwirtschaft/Fischerei gerade beim Zankapfel Insektenschutz exemplarisch vorgeführt: Kanzlerin Merkel hatte die Umwelt-Ministerin Schulze und die Landwirtschafts-Ministerin Klöckner gerade aufgefordert, sich endlich auf einen Kompromiß zu einigen.
Das Klöckner-Ministerium vertritt neben der Landwirtschaft auch die Interessen der Fischerei. Da Großwale traditionell unter „Fischerei“ fielen, liegt auch die Zuständigkeit für die Kleinwale im BMEL. Mit katastrophalen Auswirkungen auf den deutschen Kleinwalschutz bis in wissenschaftliche Gremien hinein.
Ostsee-Schweinswale – unter 300 Individuen?
Der Nordsee-Bestand schien bislang stabil zu sein, allerdings scheinen die Tiere in den letzten Jahren aus deutschen Gewässern zu verschwinden. Woran das liegt, weiß zurzeit noch niemand. Ob sie durch den massiven Ausbau der Windenergie mit seinem Dauerlärm im laufenden Betrieb verscheucht oder von nach Süden wandernden Nahrungsbeständen gelockt werden, muss noch geklärt werden.
Allerdings sterben die Schweinswale hier mit etwa 3,5 Jahren, was sehr jung ist.
Wesentlich schlechter sieht es in der Ostsee aus – dort sterben die Schweinswale durchschnittlich mit 2 Jahren – die meisten erreichen nicht einmal die Geschlechtsreife.
Ganz besonders schlecht steht es um den Bestand in der Zentralen Ostsee:
Trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen ist der baltische Schweinswal der zentralen Ostsee (Proper Baltic Sea mit einer Population von nur wenigen Hunderten Tieren „vom Aussterben bedroht“.
Die kleinen Wale haben in der Ostsee keine natürlichen Feinde, sind aber schon immer gejagt worden, im 19. Jahrhundert war es vor allem für Öl. Das dürfte die einst riesigen Walvorkommen deutlich dezimiert haben, die historischen Fangzahlen von vielen Hundert Tieren durch jede Schweinswal-Jäger-Community belegen viele Hundert Fänge jährlich. Eine direkte, koordinierte Bejagung findet jetzt aber seit vielen Jahrzehnten nicht mehr statt.
Gefahren für die Schweinswale in der Ostsee sind:
- Fischerei
Da die Kleinwale hinter den gleichen Fischen her sind, wie auch Fischer, gab es immer Interessenskollisionen. Vor allem die Stellnetze, die ja über längere Zeit hinweg am Meeresboden verankert stehen, sind für die Meeressäuger eine große Gefahr.
Außerdem besteht eine direkte Nahrungskonkurrenz zwischen den Walen und den Fischern: Die überfischte Herings- und Dorsch-Bestände dürften sich auch auf die Ernährung der Wale auswirken. Wenn sie statt weniger fetter, großer Fische mehr kleine, wenige nährstoffreiche fangen müssen, ist der energetische Output schlechter.
- Das Binnenmeer Ostsee ist schwer schadstoff-belastet, unter anderem mit PCB.
Diese Schadstoffe schwächen das Immunsystem und mindern die Fortpflanzungsfähigkeit.
- Lärmbelastung durch Schifffahrt und Offshore Windparks
Die Ostsee ist ein dicht befahrenes Meer.
Die Geräuschkulisse an Schifffahrtsstraßen unterbricht die Jagd der kleinen Wales und setzt ihren Jagderfolg deutlich herab. Da sie eigentlich, um satt zu werden, den ganzen Tag jagen müssen, ist jede Unterbrechung schlecht für sie und eine Minderung ihrer Fitness.
Auch der Ausbau der Windenergie hat Auswirkungen auf die kleinen Wale: Bei den Rammarbeiten für die Windkraftanlagen-Fundamente sind zwar lärmmindernde Blasenschleier eingesetzt worden. Aber auch der Betrieb der Plattformen und ihre Versorgung ist immer noch eine stetige Störungsquelle für die Kleinen Wale. Möglicherweise werden sie dadurch aus Gebieten sogar ganz vertrieben.
Seit den 2000 er Jahren haben zunächst Polen, dann Deutschland und Dänemark und 2016 zuletzt auch Schweden SAC-Walschutzgebiete ausgewiesen, allerdings sind in diesen Gebieten weiterhin Fischerei, Schifffahrt und sogar Kiesabbau erlaubt. Seitdem sind viele wissenschaftliche Publikationen erschienen und viele Forschungen durchgeführt worden.
Aber: Erst jetzt allmählich werden auch Managementpläne erstellt, in denen der Schutz-Erfolg mit Zielen und Zahlen definiert wird. Darum dümpelt der Schweinswal-Schutz nicht nur in der Ostsee vor sich hin.
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