Das Teilen von Nahrung – etwa ein Schweinswal für die ganze Gruppe – dient nicht immer dem Sattwerden, sondern hat eher soziokulturelle Gründe. Möglicherweise lernen Jungtiere damit das Jagen. Außerdem stärkt das Teilen des Snacks die Bindung innerhalb der Gruppe.
Mel Cosentino hatte für norwegische Orcas beschrieben, wie sich die Gruppe einen Schweinswal teilt. Dabei geht es um die nordatlantischen Orcas vor der europäischen Küste, die noch nicht so gut erforscht sind.
Im Nordatlantik gibt es drei verschiedene Populationen:
“Three genetically distinct populations have been described in the North Atlantic. Population A (that includes the Icelandic and Norwegian sub-populations) is believed to be piscivorous, as is population C, which includes fish-eating killer whales from the Strait of Gibraltar. In contrast, population B feeds on both fish and marine mammals. Norwegian killer whales follow the Norwegian spring spawning herring stock. The only description in the literature of Norwegian killer whales feeding on another cetacean species is a predation event on northern bottlenose whales in 1968.”
Vor der norwegischen Küste haben sich im letzten Jahrzehnt die Heringsschwärme verlagert – die Spekkhogger – so heißen Orcas im Norwegischen – haben sich bis dahin in jedem Winter in einem Fjord sattgefressen. Da die Heringe abgewandert sind, mussten die Wale sich neue Jagdgründe und/oder Beute suchen. Neuerdings lungern sie oft vor Andenes herum, wo sie durch das dortige Pottwal-Whale-Watching regelmäßig beobachtet werden. Und dort jagen sie eben keinen Hering, sondern u. a. Meeressäuger, sicherlich auch andere Fische und Tintenfisch. Das Meer ist dort tief und fischreich, es ernährt die Population von Pottwalbullen und viele Fischtrawler-Besatzungen.
Orcas fressen saisonal
Viele Orcas fressen saisonal unterschiedliche Beute, eben das, was da ist. Oder sie ziehen saisonal in Gebiete mit einem besonders hohen Nahrungsangebot.
Dann werden sie oft nur in manchen Jahreszeiten beobachtet: Nahe der Küste oder wenn eine Forschungsstation besetzt ist, wird ihre Jagd auf spezielle Beute dokumentiert.
Treiben sie sich fernab herum, guckt ihnen höchst selten jemand zu.
Darum waren die Orcas vor Norwegen auch nur im Winter erforscht worden, wenn sie die Heringsschwärme im Fjord gefressen haben. Über ihre Sommer-Diät war nichts bekannt.
Das ändert sich jetzt mit der Veränderung des Heringszuges (s. o.).
Orcas sind vorsichtig und meiden Verletzungen – Blauwal-Hatz und Buckelwal-Intermezzo
„[…] es erscheint mir so, dass Orcas extrem darauf achten, sich der Jagd nicht verletzen (Beispiel Robbenjagd vor Patagonien oder den Falklands)“ – ja, Orcas achten definitiv auf den Eigenschutz.
Bei dieser Blauwal-Hatz war die koordinierte Jagd und die Vorsicht der Orcas sehr gut zu beobachten:
Am 16. März 2019 sahen Besatzung und Passagiere eines Whale Watching-Schiffs im Brmer Bay Canyon vor der australischen Küste, wie 50 bis 70 Orcas verschiedener Familien gemeinsam einen kleinen Blauwal hetzten. Die erwachsenen Männchen griffen zuerst an und setzten dem Blauwal immer weiter zu, dann griffen weitere Jäger ein, die sich auch regelmäßig abwechselten (Die Berichte sind sehr lesenswert!).
Mittlerweile gibt es viele glaubhafte Augenzeugenberichte, dass Buckelwale gemeinsam Orcas in die Flucht schlagen und sogar andere Wale retten. Dabei setzen sie ihre großen Brustflossen und die starke Schwanzflosse als Waffen ein. Die Flossen von Walen bestehen aus starkem Gewebe, beweglich und fest gleichermaßen. Ein Schlag damit ist hart – er bricht Knochen und verursacht schwere Traumata. Bekäme ein Orca solch einen 3,5 Meter langen Buckelwal-Flipper an den Kopf, dürfe er für eine Weile taub sein. Buckelwale können Schwertwale darum sogar in die Flucht schlagen (Mehr dazu auf Meertext: Mobben Buckelwale Orcas?).
Übrigens jagen Buckelwale Orcas sogar die Beute wie Heringsschwärme ab.
Orcas sind extrem lernfähig – auch beim Fressen
Das Schmelzen der arktischen Eiskappe macht die Schwertwale zu Gewinnern der Klimakrise – sie dehnen ihre Gebiete immer weiter nach Norden aus und erbeuten immer mehr Belugas und Weißwale. Diese hocharktischen Wale hatten sich bislang an der Eiskante versteckt – da sie keine Rückenflossen haben, kamen sie dort gut klar. Die Schwertwale haben nämlich Angst, sich an der scharfen Eiskante die langen Rückenflossen zu verletzten.
Mit dem Abtauen des Eises dezimieren die Schwertwale jetzt die Beluga und Narwal-Bestände.
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