An der neuseeländischen Chatham-Insel, 785 Kilometer vor der Küste Neuseelands, sind Hunderte von Grindwalen (Pilotwal, Globicephala melas)gestrandet: vor einigen Tagen 215, jetzt berichten australische Medien noch einmal von 250.
Mal wieder.

Die Chatham-Insel ist abgelegen und nur von 800 Menschen bewohnt, vor ihren Stränden treiben sich besonders .  viele Weiße Haie herum. Aus diesen Gründen haben die zuständigen Stellen entschieden, nicht zu versuchen, die Grindwale wieder ins Meer zurückzubringen. Unzugängliche Strände, zu wenige Helfer und ein zu hohes Risiko für Hai-Angriffe für Menschen und Wale machten das “Refloating” unmöglich, darum haben TierärztInnen die Wale euthanasiert. Ein gestrandeter Wal leidet unter Austrocknung und Überhitzung. Eine gestrandete Gruppe gerät durch die verzweifelten Rufe der Familienmitglieder noch zusätzlich unter Streß. Der Gruppenzusammenhalt ist beim Refloating oft hinderlich, weil Grindwal-Gruppen ihrem Leittier folgen. Wird das Leittier zuerst identifiziert und ins Meer gebracht, folgen die anderen Wale gern. Ist das Leittier verstorben oder kann es nicht identifiziert werden, weigern sich andere Familienmitglieder, wegzuschwimmen, sie stranden oft wieder.

In Neuseeland geschehen durch die langen Küsten mit oft flachen Sandstränden und einem reichen Meeresleben solche Massenstrandungen leider häufig, durchschnittlich sterben hier 300 Wale jährlich. Darum bieten das das zuständige Department of Conservation und die NGO Project Jonah auf ihren Seiten sehr gute Informationen dazu und nehmen solche Meldungen an. Diese Mitarbeiter sind für Walstrandungen ausgebildet und versuchen dann gemeinsam mit lokalen Freiwilligen möglichst viele Wale zu retten.
Meist stranden Gruppen der  bis sechs bis acht Meter großen dunkelgrauen Delphinverwandten, die in Gruppen (Pods) von 20 bis 25 Tieren schwimmen. Manchmal schließen sie sich aber auch zu größeren Gruppen zusammen, sogenannten Superpods, von mehreren Hundert Individuen.

Die dunklen Körper mit den kugelförmigen Köpfen und den langen Flippern und Finnen sind unverwechselbar. Die großen schnellen Delphinartigen fressen 50 Kilogramm Fisch und Tintenfisch täglich und haben im Meer kaum natürliche Feinde, nur Orcas gehen sie aus dem Weg.

Warum stranden Grindwal-Gruppen an neuseeländischen Stränden?

Wie im vorliegenden Fall zeigen die Meeressäuger keine äußerlichen Verletzungen etwa durch Fischereinetze oder Schiffsschrauben. Es gibt auch keine Anzeichen von Gehörtraumata wie Blutungen aus dem Gehörgang und keine zeitlich passenden menschlichen Aktivitäten wie Marinemanöver, seismische Exploration, Fischerei oder ähnliches.
Es handelt sich um Familienverbände mit Tieren aller Altersgruppen, so dass auch Altersschwäche oder Erkrankungen einzelner Tiere kein Grund sein kann. Weiterhin gibt es keine natürlichen Umstände wie etwa eine Giftalgenblüte, die eine ganze Gruppe Wale vergiften könnte oder andere Pandemien. Dann müssten auch  Meeressäuger verschiedener Arten beteiligt sein.
Auch die Theorie, dass die Ohren der Tiere durch Parasitenbefall die Echolaute nicht mehr genügend wahrnehmen, ist wenig belastbar. Würmer  in den Ohren sind zumindest bei Zahnwalen wohl eher der Normalzustand.
Die Behauptung, diese Strandung hinge mit der Erderwärmung zusammen, ist hier haltlos, weil an diesem Strand seit mindestens 100 Jahren regelmäßig Walstrandungen vorkommen und dokumentiert worden sind.
Eine weitere Hypothese besagt, dass die Magnetfeldlinien und ihr Winkel zum Strand hier für Verwirrung gesorgt haben könnten. Eine Verirrung der Wale durch Störungen im Erdmagnetfeld aufgrund von Sonnenflecken-Aktivitäten  ist mittlerweile widerlegt.

Die bisher beste Erklärung ist, dass die Echolokation der Zahnwale an den flach ansteigenden Stränden versagt – es handelt sich also um einen Navigationsfehler. Weiche Sandböden werfen nur undeutliche Sonarechos zurück und der allmähliche Anstieg eines flachen Strandes ist ein undeutlicher Übergang vom Meer zum Land.

Weltweit gibt es verschiedene Strände, an denen es immer wieder zu Wal-Massenstrandungen kommt, die nach einem bestimmten Muster ablaufen: Eine Gruppe Zahnwale wie Pottwale, Kleine Orcas, Grindwale und einige andere Arten schwimm auf einen flachen Sandstrand. In Neuseeland passiert dies an verschiedenen Orten leider regelmäßig. Ein Navigationsfehler des Leittieres kann in diesen Regionen aufgrund der sehr engen sozialen Beziehungen der Wale dann dazu führen, dass die ganze Gruppe auf den Strand schwimmt.

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Kommentare (7)

  1. #1 RPGNo1
    10. Oktober 2022

    Warum stranden eigentlich bestimmte Zahlwalarten relativ häufig und andere (Orca meines Wissens) praktisch gar nicht?

    Liegt es an den überstarken Familienbanden? Sind andere Walarten “intelligenter”, dass sie die Gefahr einer Strandung erkennen? Sind sie Grindwale sonartechnisch schlechter ausgestattet?

  2. #2 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    10. Oktober 2022

    “Wie die Grindwale” sollte den falschen Spruch “Wie die Lemminge” ersetzen.

  3. #3 Bettina Wurche
    10. Oktober 2022

    @RPGNo1: Doch, Orcas sind auch betroffen, aber wesentlich seltener. Orcas leben in kleineren Gruppen und wandern nicht in Superpods, einige Familien treffen sich einfach mal so. Grindwale ziehen in wesentlich größeren Gruppen, dadurch kommt es zu Massenstrandungen. Außerdem scheint es wesentlich mehr von ihnen zu geben.
    Grindwale sind die nächsten Orca-Verwandten, ich glaube nicht, dass Hirn oder Sonar schlechter sind. Allerdings jagen Orcas anders. Grindwale jagen wandernde Schwärme und begleiten diese. Orcas jagen größere Beute oder treiben kleinere zusammen und nehmen dann einen Haps aus dem Vollen. Vielleicht halten sie dadurch mehr Abstand zu Küsten. Allerdings stranden sie manchmal ja sogar mit Absicht, in Patagonien jagen sie Robben am Strand. Orcas haben genauso starke Familienbande wie Grindwale: Gerät ein Tier, vor allem ein Kalb in Not, bleiben die Mutter und oft noch andere Tiere und versuchen, es zu befreien. Z. B. in den Thunfischnetzen vor Gibraltar hatte ja eine Orca-Mutter ihr verheddertes Kalb zu befreien versucht und dadurch eine Brustflosse verloren. Solche Geschichten habe ich schon häufiger gelesen.
    Hier sind ein paar weitere Geschichten über Orca-Strandungen:
    http://orcazine.com/orcas-and-mass-strandings/

    Bei den Grindwalen ist die aktuelle wissenschaftliche Meinung, dass das Leitter an einem flach ansteigenden Sandstrand die Wassertiefe falsch einschätzt, dann folgt die ganze Gruppe und es kommt zu einer Massenstrandung. Die Echolokation der Zahnwale versagt an den flach ansteigenden Stränden, da weiche Sandböden nur undeutliche Sonarechos zurückwerfen und der allmähliche Anstieg eines flachen Strandes ein undeutlicher Übergang vom Meer zum Land ist. Also ein Navigationsfehler des Grindwals.
    In diesem Beitrag hatte ich die verschiedenen Gründe für Walstrandungen detailliert beschrieben:
    https://scienceblogs.de/meertext/2017/02/11/neuseeland-ueber-400-grindwale-gestrandet-250-bereits-gestorben/2/

    Warum jetzt die Grindwale besonders vulnerabel für Massenstrandungen sind, ist letztendlich nicht vollständig verstanden. Vermutlich hängt es mit ihrer Zahl, ihrem Verhalten und ihrem Lebensraum zusammen.

    Bei anderen Wal-Massenstrandungen in anderen Regionen gibt es jeweils unterschiedliche Erklärungen:
    Bei äußerlich unverletzten Pottwalen in Neuseeland und an den Nordseeküsten: Navigationsfehler
    https://scienceblogs.de/meertext/2016/02/06/2016-pottwal-massenstrandungen-in-der-nordsee/

    Bei Schnabelwalen im Mittelmeer, auf den Kanaren und anderswo: Marine-Sonar zur U-Boot-Jagd:
    http://blog.meertext.eu/2011/12/04/schnabelwal-strandungen-durch-sonar/

    Bei Delphin-Massenstrandungen:

  4. Beifang
  5. https://scienceblogs.de/meertext/2022/02/23/delfin-und-schweinswal-beifaenge-in-der-biskaya-alle-jahre-wieder-hintergrund-informationen/,

  6. Krankheit
  7. http://blog.meertext.eu/2012/06/22/die-toten-delphine-von-peru-%E2%80%93-todesursache-ungeklart/,

  8. Ölpest
  9. http://blog.meertext.eu/2012/07/30/zusammenhang-zwischen-der-olpest-in-2010-und-delphinsterben-in-2011-im-golf-von-mexiko//andere Umweltkatastrophen oder

  10. ungeklärt
  11. https://scienceblogs.de/meertext/2021/04/13/3967/

    Es gibt also ganz unterschiedliche Erklärungen für Massenstrandungen. Zu oft ist der Nachweis schwierig : (

  • #4 RPGNo1
    11. Oktober 2022

    @Bettina Wurche

    Danke für die Erläuterungen und Lesetipps.

  • #5 Bettina Wurche
    11. Oktober 2022

    @RPGNo1: Jederzeit gern. Sorry, dass es manchmal etwas dauert.

  • #6 Johanna Borde
    Passau
    13. Oktober 2022

    Könnte man die Wassertiefe an den besagten Stränden für die Tiere, z.B. durch große Steine, Stangen oder Bojen, kenntlich machen?

  • #7 Bettina Wurche
    13. Oktober 2022

    @Johanna Borde: Schwierig. Die Küstenlinie ändert sich ja stetig, durch Tiden, Stürme u Strömungen – Fahrwassermarkierungen müssen darum stetig angepaßt werden. Außerdem sind die Küstenbereiche sehr ausgedehnt, das wäre also ein irrsinniger Aufwand. Und dann ist da noch die Frage, ob wir uns den Walen verständlich machen können. Schließlich kennen sie solche Markierungen nicht. Akustische Scheuch-Methoden würden ebenfalls durch die langen Küstenlinien sehr aufwändig zu teuer und würden noch den Lärm im Meer verstärken.
    Darum halte ich diese Idee für wenig tragfähig.