Nunmehr ist es offiziell, nachdem Florian ja bereits im Kommentarstrang nebenan erzählt hatte: Die Plattform scienceblogs.de wird eingestellt! Und sind wir ehrlich, überraschend kann das für niemanden gewesen sein: Ein Verlag muss mit einem Angebot Gewinn machen und dies war offenbar nicht der Fall. Weil das so ist, habe ich ja bereits zweimal versucht auf Probleme hinzuweisen (hier und hier), vorsichtig, leisetreterisch und nicht effektiv. Eigentlich hatte ich im Sommerurlaub bereits ein Update verfasst, um noch deutlicher zu werden, doch Stress hielt mich sowohl von der Veröffentlichung einiger Artikel, als auch der Veröffentlichung eines weiteren Kommentars zur Plattform ab – die Erwartung, dass sich hier bald nichts mehr tut, tat ein Übriges.
Letztlich erschien mein Blog spät auf der Bühne. Scienceblogs.de war zu diesem Zeitpunkt die Vernachlässigung bereits anzusehen. Wir kennen das: Unternehmen vernachlässigen ihre Infrastruktur und Manager meinen dann, per Tarifmodell mit dem Flugzeug konkurrieren zu müssen (Bahn/Mehdorn). Oder das öffentlich-rechtliche Fernsehen, welches sich völlig in Angeboten verzettelt, im Hauptprogramm nur mehr das 60+-Klientel bedient und sich wundert, warum der Ruf nach all den Skandalen um Selbstbereicherung leidet. Jetzt schließt sich der Konradin-Verlag an, hat gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen und wundert sich, warum das auf einer Plattform, die kaum jemand ohne AD-Blocker besucht, überhaupt nicht zündet (oder warum die vielen tracer nicht die erhofften Einnahmen bringen, oder, oder, oder …).
Ich habe mich für Scienceblogs.de entschieden, weil ich zumindest hoffte frei und manchmal auch mit Blick auf andere Forschende schreiben zu können. Ein wenig Dampf ablassen und zugleich konstruktiv sein. Die Naivität und Gleichgültigkeit der Betreiber hat mich dennoch überrascht. Doch dies ist nicht die Zeit für weiteres Lamento – die technisch-konzeptuellen Schwächen der “Plattform Scienceblogs” und die Vernachlässigung der Plattform insgesamt sind lehrreich. Jedoch darauf herumzureiten führt zu nichts.
Jedem Ende wohnt ein Anfang inne
Die Idee einer unabhängigen Blogplattform zur Wissenschaftskommunikation bleibt für mich attraktiv: Für Leserinnen und Leser, denn sie müssen sich nicht die Inhalte auf verschiedenen Seiten zusammensuchen. Und auch für Autorinnen und Autoren, denn sie müssen nicht ständig um Aufmerksamkeit buhlen – wenn der Nachbarblog in der eigenen Pause schreibt und die Aufmerksamkeit für die Plattform erhält, profitiert man gegenseitig. Außerdem verteilt eine Plattform die Verantwortung auf mehrere Schultern.
So eine Plattform gibt es bereits in ähnlicher Form: https://scilogs.spektrum.de . Sie ist jedoch etwas anders als scienceblogs. Mein Blog ist in der Pandemiezeit etwas abgedriftet, aber mein Wunsch ist es neben vermehrter Wissenschaftskommunikation auch konstruktive Wissenschaftskritik zu leisten. Irgendwie kann ich mir das bei scilogs nur schwer vorstellen – und wer garantiert eigentlich, dass die Muttergesellschaft nicht irgendwann merkt, dass die Blogplattform des Tochterunternehmens zu wenig Gewinn liefert?
Ich verfolge deshalb die Gründung einer von Autorinnen und Autoren selbstverwalteten Plattform. Diesmal mit Transparenz, zu den Kriterien für neue Blogs. Aufgeräumt soll sie sein und auch zu Gastbeiträgen häufiger einladen (viele wollen am Ende eines Projektes oder ihrer Doktorarbeit a) über “ihre” Wissenschaft erzählen und b) manchmal auch aus dem Nähkästchen plaudern – ohne einen eigenen Blog zu starten).
Klar, es gibt mittlerweile Podcasts und Vlogs. Obendrein liegen die famosen Anfangstage der Blogs und der Hype um Blogs längst hinter uns. Doch der Blog hat weiterhin eine Nische (ich bin überzeugt: eine häufig unterschätzte Nische!). Und neben all den institutionellen Selbstbeweihräucherungen und dem Wissenschaftsteil von Zeitungen gibt es auch genuines Interesse an Blogs zu wissenschaftlichen Themen. Denn Blogs können leicht verfasst werden und manche Ecke ausleuchten, wo sonst kein Licht für Aufmerksamkeit sorgt. Eine selbstverwaltete Plattform hat deshalb einen weiteren Vorteil, der nicht unerwähnt sein soll: Autorinnen und Autoren dürfen (fast) alles schreiben, sie sind frei von institutionellen Zwängen.
Leider gibt es aus der Runde der Scienceblogger:innen wenig positives Feedback. Das hat einen einfachen Grund: um im deutschen Recht einigermaßen bestehen zu können, braucht es für ein Internetportal einen Ansprechpartner. Und niemand (auch ich nicht), mag diesen als natürliche Person darstellen. Schließlich gilt es, Posten abzurechnen und Kommunikation zu betreiben. Also bleibt – Gewinnstreben ist nicht angedacht – ein Verein. Es braucht nicht nur Leute, die schreiben wollen, sondern auch Krämer (z.B. Kassenwarte), die für das Anliegen dieser Form der Wissenschaftskommunikation und Streitbarkeit brennen. Wenn ihr also Lust dazu habt oder jemanden kennt, die/der mitarbeiten mag: Bitte schreibt mir eine Mail. Das Zeitfenster wird nicht lange offen bleiben.
Und wenn es nicht gelingt? Vielleicht ende ich auch bei scilogs, vielleicht mache ich etwas Anderes. Wir werden sehen.
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