Die verschlüsselten Botschaften des mutmaßlichen Frauenmörders Henry Debosnys sind nach über 130 Jahren noch immer ungelöst. Dank eines Lesers kann ich heute ein paar neue Informationen dazu präsentieren.
Im Vergleich zu einigen anderen ungelösten Krypto-Rätseln sind die verschlüsselten Botschaften des 1883 als Frauenmörder hingerichteten Henry Debosnys bisher nur wenig untersucht. Die Chancen stehen daher gut, dass sich über diesen 130 Jahre alten Kriminalfall auf kryptologischem Weg noch etwas herausfinden lässt.
Der Fall Debosnys
Mein letzter Blog-Artikel über Debosnys ist schon wieder dreieinhalb Monate her. Daher noch einmal das Wichtigste in Kürze. Im Frühling des Jahres 1882 tauchte in Essex (US-Bundesstaat New York) ein Mann auf, der seinen Namen mit Henry Debosnys angab. Er war ein gebildeter Schöngeist und Frauenschwarm, der sechs Sprachen sprach, malte und Gedichte schrieb. In der Witwe Elizabeth Wells fand Debosnys schnell eine Geliebte, die er schon nach kurzer Zeit heiratete.
Doch bereits zwei Monate nach der Hochzeit wurde die Frischvermählte tot aufgefunden – erschossen und mit durchgeschnittener Kehle. Henry Debosnys war naturgemäß der Hauptverdächtige und wurde festgenommen. Doch er bestritt die Tat und behauptete außerdem, dass “Henry Debosnys” nicht sein richtiger Name war, ohne über seine wahre Identität Auskunft zu geben. Schon zwei frühere Ehefrauen von ihm waren unter merkwürdigen Umständen gestorben. Das Gericht verurteilte ihn zum Tode. 1883 wurde er gehenkt.
Während seiner Haft fertige Debosnys zahlreiche Bilder, Gedichte und Texte an. Außerdem hatte man ihm einige Unterlagen aus seinem Besitz ins Gefängnis geliefert. In seinem Nachlass fanden sich vier verschlüsselte Texte (Kryptogramme). Diese Debosnys-Kryptogramme sind bis heute nicht entschlüsselt.
Scans der vier Kryptogramme gibt es hier (Originalquelle ist die Brewster Memorial Library). Wer mehr über den Fall wissen will, sollte das Buch Adirondack Enigma von Cheri L. Farnsworth lesen.
Ein verschlüsseltes Gedicht?
Bereits in meinem letzten Debosnys-Artikel habe ich auf Folgendes hingewiesen: Das vierte Debosnys-Kryptogramm hat das Format eines Gedichts. In den meisten Fällen stimmen sogar die letzten Buchstaben zweier benachbarter Zeilen überein, was auf Reime schließen lässt. Debosnys hat sogar eine “Übersetzung” des Gedichts hinterlassen. Sie steht auf der Rückseite des Blatts, auf dem das Gedicht notiert ist. Diese “Übersetzung” ist auf Griechisch verfasst.
Blog-Leser Peter Marksteiner hat das griechische Gedicht dankenswerterweise transkribiert und auf Deutsch übersetzt. In der folgenden Abbildung habe ich das Kryptogramm, die (angebliche) griechische Übersetzung, die Transkription und die deutsche Übersetzung nebeneinander gesetzt:
Anmerkungen von Peter Marksteiner:
2 Teier (aus Teos) = Anakreon
10 Ἐφίλει στεφῶν wörtlich: küsste bekränzend
13 „lachend“ ist zweifelhaft (von σαίρω ?)
19 νέον βίον (neues Leben) ist zweifelhaft, die letzten zwei Zeilen geben so keinen rechten Sinn.
Die Voraussetzungen, dieses Kryptogramm zu lösen, erscheinen gut, zumal es bisher noch nicht viele probiert haben. Oder hat sich Debosnys mit diesem angeblichen verschlüsselten Gedicht und der angeblichen Übersetzung nur einen Scherz erlaubt? Die Meinung meiner Leser würde mich sehr interessieren.
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