Im Gesundheitswesen gibt es viele Bereiche, die von einer weitergehenden Digitalisierung profitieren würden. Allerdings hat man im Moment den Eindruck, als ob „Digitalisierung“ als Sesam-öffne-dich zur Lösung aller Probleme im Gesundheitsbereich gesehen wird. Genauer gesagt, man fragt gar nicht mehr, welches Problem man lösen will, man digitalisiert einfach. Dysfunktionale Strukturen werden aber nicht besser, wenn man sie digitalisiert. Sie sind digital dysfunktional.

Dass Tabak immer noch rund um die Uhr verkäuflich ist, als sei es ein lebensnotwendiges Produkt, dass die Pflege immer noch in vielen Fällen menschenunwürdig ist, dass in manchen Branchen immer noch in unanständiger Weise auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten gewirtschaftet wird usw. – all das ist nicht einer mangelnden Digitalisierung geschuldet, sondern handfesten Interessenlagen.

Der frühere IQWIG-Chef Jürgen Windeler hat dazu jetzt im „Observer Gesundheit“ eine bitterböse Polemik geschrieben: „Digitalistan oder der Tanz um das binäre Kalb“. Der Artikel ist frei zugänglich.

Unter anderem fragt Windeler, ob man wirklich glaube, dass ausgerechnet die Pharmaindustrie „gemeinwohlorientierte Forschung“ im Sinn habe, wenn sie Zugang zu möglichst vielen Daten haben will. Hier gibt es in der Tat eine seltsame Unwucht bei den neuen Datenzugangsrechten. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz macht den Weg frei dafür, dass die Industrie die Krankenkassendaten nutzen kann. Karl Lauterbach hatte bereits früh erklärt, dass er damit den Pharmastandort stärken will. Die Gemeinwohlorientierung besteht hier somit zu einem guten Teil aus Wirtschaftsförderung.

Zugleich kommen staatliche Behörden, die Gesundheitsdaten für Planungszwecke benötigen, nicht einmal ohne Weiteres an staatliche Gesundheitsstatistiken heran, zumindest nicht in feiner Differenzierung. Das Bundesstatistikgesetz sieht in § 16 (4) dergleichen nur für die „obersten Gesundheitsbehörden“ vor, also die Ministerien. Noch schlimmer: Gesundheitsämter in Deutschland leiten die Todesbescheinigungen ihres Zuständigkeitsbereichs an die Statistischen Landesämter weiter, damit die amtliche Todesursachenstatistik erstellt werden kann. Die ICD-codierten Sterbefälle können die Gesundheitsämter aber nicht wieder zurückbekommen: sie sind zu Statistikdaten geworden und dafür gilt ein datenschutzrechtliches „Rückspielverbot“. Um solche Probleme kümmert sich Karl Lauterbach allerdings nicht. Vermutlich muss aus seiner Sicht der Gesundheitsbehörden-Standort nicht gestärkt werden. Ob sein „BIPAM“ je Realität wird, ist ja auch zunehmend fraglich.

Ein schönes Beispiel für gedankenlose Digitalisierungseuphorie hat Karl Lauterbach vorgestern bei der DMEA, einer Messe der E-Health-Branche, geliefert. Lauterbach möchte Deutschland zum „Vorreiter in der Digitalmedizin“ machen, das ist sicher einfacher als zum Vorreiter in der Pflegequalität, und verwies dabei auf die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz:

„‘Digitalisierung und KI wird die Medizin dahingehend verändern, dass wir Krankheiten sehr viel früher in ihrer Entstehung beobachten können‘, so Lauterbach. Das könne man zwar jetzt schon. So ließe sich etwa mit bestimmten Blutuntersuchungen bei der alzheimerschen Demenz bis zu 25 Jahre vor Ausbruch der Erkrankung feststellen, wer wahrscheinlich diese Krankheit entwickeln werde. ‚Aber wir werden bei dieser Vorhersage immer präziser und schneller werden.‘ Dank KI werde sowohl die Früherkennung als auch die Risikovorhersage immer besser“

Wer bitte braucht noch früher eine Demenzdiagnose, wenn sich die Krankheit nicht behandeln lässt? Welches Problem wird damit gelöst? Ob Lauterbach je von den Screening-Kriterien von Wilson & Jungner gehört hat? Hat er natürlich, aber Diagnostika sind eben auch lohnende Produkte für die Pharmaindustrie.

Nach der Genforschung, die seinerzeit auch schon all unsere Probleme lösen sollte, gefolgt von der Hirnforschung, die von ähnlichen Versprechen begleitet war, wird uns jetzt also gesagt, die Digitalisierung führe ins Paradies. Solche Realitätsverkennungen werden im ICD eigentlich im Kapitel V – Psychische und Verhaltensstörungen – codiert.

Kommentare (24)

  1. #1 rolak
    12. April 2024

    Es sollte vielleicht grundsätzlich mal bedacht werden, daß ‘Digitalisierung’ hauptsächlich ein buzzword mit vielen unzutreffenden, doch gerne (aktiv und passiv) inkludierten WirkungsWähnungen ist. De facto aber nur ein mittlerweile so la la beherrschtes technisches Hilfsmittel zur Darstellung, Lagerung, Kommunikation und Verarbeitung von Daten einer Problematik ist – klar, gegenüber Zettel/Stift/Locher mit deutlichen Effizienzvorteilen gesegnet (und hat außerdem www als Bonus gebracht 😉), doch an sich keineswegs prinzipiell zur Problemlösung beitragend.

    Die Vorteile der digitalen Verarbeitung sind zwar des öfteren derart klar, daß selbst die Natur seit Urzeiten darauf zurückgreift (Hören, Sehen, Fühlen etc pp), doch keineswegs überall gegeben. So ist der hier trotz möglicher Alternative VR/AR-Headset meistbenutzte Rechner immer noch und wohl auch bis auf Weiteres analog: die Brille…

  2. #2 RGS
    12. April 2024

    Der Zauberlehrling hat den digitalen Besen in Gang gesetzt.
    Jürgen Windeler weist sehr gut auf die blinden Flecken beim Thema Digitalisierung hin.
    Der Zauberlehrling kann auch so unbehelligt herumfuhrwerken, weil nur noch sehr wenige durchblicken, was gemacht wird und was die Folgen sein werden.

  3. #3 Nicker
    12. April 2024

    Wenn man statt Digitaliserung den älteren Begriff “Bürokratisierung” verwendet, beruhigen sich die Nerven.
    Tatsächlich bringt der Einsatz von Computern nicht nur eine Vereinfachung der Verwaltungsaufgaben.
    In der Praxis ist der Zeitaufwand für Arbeitsvorgänge größer geworden.
    Die Ärzte in den Arztpraxen klagen über die erhöhten Anforderungen die von den Krankenkassen verlangt werden. Bei der Abrechnung der Arztpraxen mit den Krankenkassen müssen die Arztpraxen zusätzliche Arbeitskräfte einstellen.
    Aber auch bei den Krankenkassen ist der Arbeitsaufwand gestiegen, weil dort die Arbeitsabläufe durch Compter-Programme erfolgt. Und die Mitarbeiter einer Krankenkasse müssen für die Programme eingelernt werden. In dem mir bekannten Fall wurde nach 3 Jahren das Programm umgestellt. Die Mitarbeiter wurden erneut geschult, die tägliche Aufgaben blieben liegen.
    Das führt zu Stress mit der Folge eines erhöhten Krankenstandes und auch mit sinkender Mitarbeiterzahl..
    Von den Patienten wird auch einiges abverlangt werden. Man braucht jetzt ein Smartphone samt App, wenn man ein Rezept vom Arzt haben will.
    Das Problem mit Coputerdiagnosen ist jetzt noch nicht angesprochen worden.

    • #4 Joseph Kuhn
      12. April 2024

      @ Nicker:

      “Wenn man statt Digitaliserung den älteren Begriff “Bürokratisierung” verwendet, beruhigen sich die Nerven.”

      Eher verwirren sich dann die Gedanken. Genauso, wie wenn man statt “Digitalisierung” den Begriff “Pampelmusen” verwendet.

  4. #5 Nicker
    12. April 2024

    Joseph Kuhn,
    Rolak hat unter #1 schon dargelegt, was bei einer Digitalisierung geschieht.
    Aber…..bei den Effizienvorteilen ist es nicht geblieben.
    Und jetzt spreche ich aus der Praxis, die Krankenkassen haben die Abrechnungen verkompliziert, indem sie noch mehr Daten abfragen als vorher.
    Diese Verkomplizierung hat man vor 20 Jahren noch als Bürokratisierung bezeichnet.
    Und ich rede wieder aus der Praxixs, einer unserer Verwandten arbeitet an der Quelle bei einer Landesversicherungsanstalt, und dort wird noch mehr reglementiert, mit der Hilfe der digitalen Datenverarbeitung.
    Anmerkung: Ob sich Pampelmuse heimischer anhört als Grapefruit, das hängt mehr von der ethnischen Herkunft ab, und wir wollen uns doch nícht als national outen.

  5. #6 Fluffy
    12. April 2024

    @Nickerchen #5
    Erst mal muss es Uffizien statt Effizien heißen.
    Dann haben die Krankenkassen bei mir noch nie Daten nachgefragt, außer mal bei der Anmeldung.
    Außerdem kommt das Wort Digitalisierung vom Wort Digitus, Finger und bedeutet also das Klatschen für unsere Pflegekräfte als Belohnung ihrer Arbeit.
    p.s.

  6. #7 Beobachter
    12. April 2024

    @ Fluffy. # 6:

    ” … Dann haben die Krankenkassen bei mir noch nie Daten nachgefragt, außer mal bei der Anmeldung.
    … ”

    Dann haben Sie noch nie Zuzahlungsbefreiungsanträge und/oder Kostenrückerstattungsanträge und/oder Härtefallanträge und/oder Anträge auf Pflegestufe bei einer GKV gestellt oder stellen müssen.
    Das war schon immer ein zermürbender Papierkrieg.
    Und wenn das heutzutage ältere Leute ohne PC/Drucker/Scanner und ohne Internetzugang/-kenntnisse machen müssen, sind sie völlig aufgeschmissen.

  7. #8 Nicker
    12. April 2024

    zu #6
    es muss Effizienzvorteil heißen.
    Ich sprach von einer Dialysestation. die haben einen 24-Stunden Tag. Und dann kommen die Krankenversicherer und wollen detaillierte Angaben bei jedem Patienten für die Abrechnung.
    Und….das war für unseren Schwager so belastend, geradezu ärgerlich, dass er seine Dialysestation verkauft hat. Das sollte man nicht glauben, war aber so.

    • #9 Joseph Kuhn
      12. April 2024

      … und hat er stattdessen eine Corona-Teststation aufgemacht? Voll digitalisiert?

  8. #10 PDP10
    12. April 2024

    Dysfunktionale Strukturen werden aber nicht besser, wenn man sie digitalisiert.

    In meinem Bereich (IT-Beratung) formuliert man das ähnlich (in meiner persönlichen Liste Regel #8):

    Ein schlechter Prozess lässt sich nicht durch eine technische Lösung verbessern.

    #8a: Wenn dein Chef das glaubt: RENN!

    (Das Beharren in manchen großen Firmen oder Behörden auf ihren Prozessen – so schlecht sie auch sein mögen – hat schon so manchen externen IT-ler in den Burnout getrieben. Oder dazu seinen Job auf zu geben und fürderhin auf einem Hausboot zu leben, als Yoga-Lehrerin zu arbeiten und Hanf anzubauen. Oder Pampelmusen.)

  9. #11 Nicker
    13. April 2024

    zu #9
    Der Frust über die sinnlose “Bürokratisierung” war so groß, dass er sich zur Ruhe gesetzt hat.
    Es geht um das Wort sinnlos. Vielen Ärzten geht es genauso. Viele schließen ihre Praxen, weil sie es der Überbelastung durch Digitalisierung leid sind.

    Die Stimmung in der genannten Körperschaft des öffentlichen Rechtes ist ebenfalls schlecht. Digitalisierung , so wie sie gehandhabt wird ist schädlich, weil sie die Menschen nicht beachtet, die sich in dieser komplexen Ebene nicht mehr zurecht finden.
    Noch krasser werden die Auswirkungen der Digitalisierung bei den den öffentlichen Verwaltungen.
    Wir wickeln gerade eine Erbschaft ab, bei der die Betroffenen auch aus dem Ausland kommen.
    So wie es aussieht, kann die Abwicklung nicht stattfinden, weil die komplizierten Fälle in einem digitalisierten Abwicklungsprogramm nicht vorgesehen sind und die Erben dann auch schon wieder verstorben sind.

  10. #12 Beobachter
    13. April 2024

    Viele ältere niedergelassene Allgemeinmediziner sind gottfroh, wenn sie endlich in den Ruhestand gehen können, weil sie schon seit Jahren wegen der permanenten Arbeitsüberlastung und ausufernden Bürokratie/Digitalisierung nicht mehr so gut und sorgfältig arbeiten können, wie sie wollen und können.

    Mit viel Glück finden sie dann einen jungen Praxis-Nachfolger, der die “Zeichen der Zeit” erkannt hat und außer Mediziner auch noch MBA (Master of Business Administration) ist, auch noch zwei weitere Hausarztpraxen in der Umgebung übernimmt und immer wechselnde Ärzte-Kollegen/innen anstellt.

    Ein “Check up” (bei GKV-Patienten) dauert dann bei ihm 5 Minuten:
    Es werden einem kurz die Ergebnisse der Blut- und Urinuntersuchung mitgeteilt, es findet trotz mehrerer ernsthafter körperlichen Vorerkrankungen keinerlei körperliche Untersuchung statt, und man muss ihn auf eine diagnostizierte, bekannte, schwere Herzerkrankung aufmerksam machen und bitten, dass er einen vielleicht zumindest abhören sollte.

    Das ist eine Anekdote, aber vermutlich kein Einzelfall.
    Ähnliches erlebt und hört man seit Jahren in den Krankenhäusern, in Pflegeheimen, bei Pflegediensten.
    Wo soll das alles hinführen ?!
    Für Patienten UND Beschäftigte ?!

  11. #13 Nicker
    13. April 2024

    zu #12
    solche high-tech-Mediziner gibt es, es gibt aber auch noch den alten Schlag vom Lande, bei uns ist es einer aus Albanien, der auch noch nachts nach Hause kommt, wenn man anruft.
    Unsere Ärzte erkennen manchmal nicht einen Flohstich und vermuten gleich etwas Schlimmeres.
    Dafür hat seine Gehilfin aus Albanien den Flohstich diagnostiziert.
    Und es wird geradezu lächerlich, wenn jetzt mit einem Computerprogramm so eine Diagnose abgespeichert wird.

  12. #14 Ichbinich
    13. April 2024

    Komisch. In Deutschland geht immer alles nicht und alle Ärzte kündigen, weil sie Stress mit der digitalisierung haben und überhaupt als ganz schlimm mit diesen Computern. Nicht mal mehr erben kann man…

    Nur merkwürdig dass das in anderen Ländern alles super funktioniert und die leute entlastet werden, weil nicht mehr alles per Fax hin und her geschickt werden muss und man seine Daten einfach auf dem Handy hat, anstelle in Akten bei 20 verschiedenen Ärzten.

    Aber naja, Hauptsache der Datenschutz funktioniert!

  13. #15 PDP10
    13. April 2024

    @Ichbinich

    Aber naja, Hauptsache der Datenschutz funktioniert!

    Das tut er ja nicht. Der wird oft nur vorgeschoben, wenn man seine Prozesse nicht auf die Kette kriegt oder wenn man Angst hat Kompetenzen abgeben zu müssen, oder, oder. Ist das nicht der Fall wird auf Datenschutz auch mal gepfiffen.

  14. #16 Beobachter
    14. April 2024

    @ Nicker, # 13:

    “High tech-Mediziner” ?!
    Weder High Tech noch Mediziner, sondern Verwaltungsfachmann !
    Wenn niedergelassene Ärzte heutzutage in unserer Gesundheitswirtschaft wirtschaftlich erfolgreich sein wollen, müssen sie mehr Verwaltungsfachleute als Mediziner sein !
    Regelrechte Anamneseerhebungen finden kaum mehr statt, (Facharzt-)Befunde gehen unter/werden nicht eingelesen, ebenso wichtige Änderungen im Medikamentenplan; in Gemeinschaftspraxen (mit angestellten Ärzten) weiß der eine nicht, was der andere tut oder getan hat, usw.

    Die Digitalisierung macht nichts besser, eher schlechter:
    Wenn schon analoge Patientenakten aus Zeitgründen nicht gelesen wurden/werden, werden digitale (die zudem oft unvollständig und fehlerhaft sind) auch oder erst recht nicht gelesen.
    Es muss alles SCHNELL gehen – und ob es fachlich richtig ist, was getan wird und ob die Grundlagen dessen vollständig, korrekt und ausreichend sind, wird zunehmend zum Glücksspiel (für den Patienten).

    Man wird versehentlich zum “insulinpflichtigen Diabetiker” gemacht, obwohl man gar keiner ist, oder auf dem digitalen Medikamentenplan taucht plötzlich fälschlicherweise ein Gerinnungshemmer auf, oder es wird nicht vermerkt, dass man nicht mehr laufen kann – oder es werden gleich bei der stationären Aufnahme die Krankenakten verwechselt und man wird bei der Visite vom Stationsarzt als ein völlig anderer Patient “vorgestellt”, usw. …

    Wenn man so schwerstkrank ist, dass einem sowas selbst nicht auffällt und es ist kein aufmerksamer Angehöriger dabei, der Einspruch erhebt, dann gnade einem Gott.

    Die Fehler liegen im System, es sind keine kuriosen Einzelfallversagen-Fälle.
    Das ist das Schlimme !

  15. #17 Ichbinich
    14. April 2024

    @PDP10
    Ja, das war etwas überspitzt. Ich weiß, dass das meist vorgeschoben ist. Fakt bleibt aber, dass diese Argumentation zum Datenschutz oft ein Hinderungsgrund für erfolgreiche Digitalisierung ist.

    @Beobachter
    “Die Digitalisierung macht nichts besser, eher schlechter”.

    Doch. Gut gemachte digitalisierung macht einiges besser und entlastet vor allem zeitlich. Wenn der Arzt auf alle Daten zugreifen könnte (meinetwegen gerne erst nach Freigabe durch den Patienten), Überweisungen und Rezepte gespeichert würden um Fehlmedikation zu minimieren, Diagnosen alle auf einen Blick ersichtlich sind etc. würden alle entlastet.

    Sich die ganzen Dokumente, die sie genannt haben wären mit sinnvoller Digitalisierung deutlich einfacher zu stellen. (Kostenrückerstattungsanträge und/oder Härtefallanträge und/oder Anträge auf Pflegestufe).

    Aber entweder wollen wir das nicht, oder was ich eher vermute, wir können es tatsächlich einfach nicht…

  16. #18 Beobachter
    14. April 2024

    @ Ichbinich, # 17:

    Nein, denn in den meisten Fällen ist die Digitalisierung eben nicht “gut gemacht”, in der Anwendung so zeitaufwändig und auch so kompliziert, dass sowohl Patienten als auch Beschäftigte damit überfordert sind.

    Und selbst wenn sie gut gemacht, entlastend und zeitersparend wäre, wäre das für unsere privatisierte Gesundheitswirtschaft und unseren Gesundheitsminister ein Grund mehr, noch mehr bei den Personalkosten, bei den Stellenplänen und an der Ausbildung von Fachkräften zu sparen.
    Die Groß-Baustellen in unserem Gesundheitssystem liegen ganz woanders.
    Ob Sie z. B. die Ablehnung Ihres Antrages auf Pflegeeinstufung analog (schriftlich per Post) oder digital (als Mail-Anlage im pdf-Format) erhalten, ist völlig wurscht.
    In beiden Fällen werden Sie als hilfsbedürftiger Mensch im Regen stehen gelassen.

    Bisher nützt die Digitalisierung hauptsächlich den großen “Datenkraken” in der privatisierten (Gesundheits)wirtschaft, dem Handel und den Versicherungen.
    “Daten sind die Währung der Zukunft:”
    Deshalb ist gerade im Gesundheitssystem Datenschutz so wichtig.
    Oder wollen Sie, dass z. B. potentielle Arbeitgeber auf Ihre hochsensiblen Gesundheitsdaten Zugriff haben ?

  17. #19 Ichbinich
    14. April 2024

    @Beobachter:

    Sry, aber sie sehen überall immer nur Negatives aka: “Und selbst wenn sie gut gemacht, entlastend und zeitersparend wäre, wäre das für unsere privatisierte Gesundheitswirtschaft und unseren Gesundheitsminister ein Grund mehr, noch mehr bei den Personalkosten, bei den Stellenplänen und an der Ausbildung von Fachkräften zu sparen”.

    Keine Ahnung wer da das je gefordert hat.

    Oder: “Oder wollen Sie, dass z. B. potentielle Arbeitgeber auf Ihre hochsensiblen Gesundheitsdaten Zugriff haben ?”

    Nennen Sie mir mal ein Zitat von einem hochrangigen Politiker, der das möchte.

    Wie gehabt: Bedenkenträger überall. Da braucht man sich nicht wundern dass wir bei der digitalisierung Schlusslicht sind und bleiben werden.
    Sie können ja hoffen, dass sich dadurch die Lage Bedürftiger verbessert. Ich gehe vom Gegenteil aus. Denn auch die würden von einfacheren Anträgen und automatischem Datenabgleich wesentlich profitieren.

    Aber wird sicher eh nix bei uns.

  18. #20 Beobachter
    15. April 2024

    @ Ichbinich, # 19:

    Lesen Sie mal den im Blogbeitrag verlinkten Artikel von J. Windeler:

    https://observer-gesundheit.de/digitalistan-oder-der-tanz-um-das-binaere-kalb/
    (sehr lesenswert)

    Da wird viel Kritikwürdiges auf den Punkt gebracht.
    Allein irgendwie irgendwas für irgendwelche Zwecke digitalisieren zu wollen und die Patienten mit ihren persönlichsten Gesundheitsdaten und viel “Vertrauensvorschuss” doch gefälligst dazu beitragen sollen, weil das alles doch nur “gemeinwohl-dienlich” sei, ist wohl arg dünn und planlos bis verschleiernd von Lauterbach und Co. “argumentiert”.

    Wenn die Fehler im System stecken und man die Fehler digitalisiert, statt zuerst das System zu ändern/zu verbessern, wird tatsächlich nichts besser, sondern schlechter – besonders für die Patienten.

  19. #21 Beobachter
    15. April 2024

    Nachtrag zu # 20:

    Zur “e-Patientenakte”:

    https://taz.de/Launch-der-ePatientenakte/!5975930/

    “Launch der ePatientenakte
    Für Forschung und Industrie
    Die Bundesregierung treibt die Digitalisierung des Gesundheitssystems voran. Pa­ti­en­t:in­nen dürften allenfalls in zweiter Linie profitieren.
    … “

  20. #22 Ichbinich
    16. April 2024

    @Beobachter:

    Natürlich ändert die digitalisierung nix an zuvielen Hüftoperationen (“Argument” aus dem blogartikel). Wer hat denn das behauptet? Und natürlich (siehe oben) Macht Digitalisierung schlechte Prozesse nicht besser – wie auch?

    Aber aus diesen “Gründen” darauf zu schließen, dass digitale Rezepte, eine digitale Patientenakte und, Gott bewahre, vielleicht auch irgendwann eine digitale Terminvergabe nichts bringen, ist doch hanebüchen.
    Einfaches Beispiel aus der Praxis: Eine Freundin wird operiert, nachsorge dann ambulant. Der Brief mit der Diagnose ist aber noch nicht da, deswegen muss nochmal angerufen, und die Diagnose gefaxt!, und dann erstmal ins System des ambulanten Arztes abgeschrieben! werden…
    Dann eine Woche später, vertretungsarzt. Gleiches Spiel nochmal, weil der natürlich auch keinen Zugriff hat.
    Und natürlich werden da alle Untersuchungen doppelt und dreifach gemacht, weil einfach keiner weiß, dass es die schon irgendwo gibt.
    Geschweige denn, dass irgendwer überblickt, welche Medikamente schon aufgeschrieben wurden, und was nicht. Das muss dann der Patient machen.

    Oder, weil Sie ja da ein Faible für haben: ich habe für meinen Onkel die Zuzahlungsbefreiung beantragt. Keine Chance, dass er das alleine macht. Und dann, für jede einzelne Rechnung, die er vorher bezahlt hat, einen einzelnen Antrag auf Rückerstattung. Und natürlich muss man da alle Rechnungen nochmal einscannen und abgeben. Inkl. Bestätigung, dass das Geld bezahlt wurde.
    Auf jeden Fall würde das, wenn man denn wöllte und die digitalen Möglichkeiten da wären, automatisch funktionieren. Denn die Daten sind ja da, nur halt nicht bei dem, der sie für die Bearbeitung der Anträge benötigt.
    (ähnliches gilt übrigens für den Antrag für Wohngeld und Hilfe zur Pflege. Alles muss man extra bestätigen lassen, ausdrucken und an alle Ämter schicken. Weil ist ja Datenschutz und die können sich die Daten selbst mit Freigabe nicht selber holen. Und natürlich sind die Systeme auch nicht kompatibel. Auch hier können Sie vergessen, dass er das alleine geschafft hätte. Das geht nur, wenn man Angehörige hat, die sich kümmern. Im Prinzip wären die Daten aber natürlich verfügbar, und das könnte fast alles automatisch geprüft und bewilligt werden).

    Aber ja, haben wir lieber Angst davor dass irgendein ominöser Arbeitgeber Zugriff auf diese Daten bekommt (wie auch immer), anstatt die Prozesse für die Bürger zu vereinfachen.

  21. #23 Beobachter
    16. April 2024

    @ Ichbinich, # 22:

    ” … Auch hier können Sie vergessen, dass er das alleine geschafft hätte. Das geht nur, wenn man Angehörige hat, die sich kümmern. Im Prinzip wären die Daten aber natürlich verfügbar, und das könnte fast alles automatisch geprüft und bewilligt werden).
    … ”

    Wenn sich viele Patienten weder im Dschungel des analogen Papierkrieges noch in dem des digitalen Durcheinanders alleine zurechtfinden – dann müsste man die helfenden/sich kümmernden (oft nicht vorhandenen) Angehörigen oder Fachkräfte nur noch durch Care-Roboter ersetzen.
    Dann wäre es perfekt, alle wären froh und glücklich und die Patienten-Gesundheitsdaten könnten endlich ungehindert fließen und überall genutzt werden.

    (Dieser Kommentar ist sarkastisch gemeint.)

  22. #24 Ichbinich
    16. April 2024

    Aha.

    Wertvoller Beitrag, danke.

    (ist auch sarkastisch gemeint).