Die Geschichte könnte aus einem Dan-Brown-Roman stammen: In der Kirche St. Martin in Moustier (Belgien) befinden sich seit 170 Jahren zwei Altare mit verschlüsselten Inschriften. Niemand weiß, was diese bedeuten. Interessanterweise waren diese Kryptogramme bis vor einigen Wochen in der Kryptologie-Szene noch völlig unbekannt.
„Eingebettet in die steinernen Fronten zweier Altäre in West-Belgien befinden sich die Moustier-Kryptogramme – 20 Textzeilen, die bisher niemand dechiffriert hat.“ So heißt es in einem Artikel, der im September 1974 in der Zeitschrift Cryptolog erschienen ist.
Sie kennen die Zeitschift Cryptlog nicht? Keine Angst, dies ist keine Bildungslücke, denn bis vor drei Monaten war die Existenz dieser Publikation öffentlich nicht bekannt. Die Cryptolog war ein internes Magazin der US-Geheimbehörde NSA, die bekanntlich als weltgrößter Knowhow-Träger in der Kryptologie gilt. Von 1974 bis 1997 versorgte die Cryptolog NSA-Mitarbeiter mit allerlei Wissenswertem rund um die Kryptologie. Sie war jedoch kein Fachmagazin, sondern hatte eher den Charakter eine Schülerzeitung. 1997 wurde sie eingestellt, vermutlich weil eine Web-Seite ihre Aufgaben übernahm.
Im März 2013 entschied die NSA, dass die Cryptolog nicht länger als geheim eingestuft werden musste (diesen Vorgang nennt man Deklassifizierung) und stellte alle 136 je erschienenen Cryptolog-Ausgaben ins Netz (allerdings mit vielen geschwärzten Stellen). Eine solche Deklassifizierung ist übrigens nicht ungewöhlich. Auf der NSA-Web-Seite finden sich inzwischen viele spannende Dokumente, deren Geheimhaltung irgendwann aufgegeben wurden.
Natürlich schaute ich mir einige Cryptolog-Ausgaben an. Ich fand aber nicht viel Interessantes und kümmerte mich daher um andere Dinge. Derweil hatte der britische Blogger Nick Pelling die gleiche Idee und wohl etwas mehr Durchhaltevermögen. So stieß er in Ausgabe 9/1974 auf den Artikel über die Moustier-Kryptogramme. Auch Pelling kannte diese Geschichte noch nicht, obwohl er sich mit historischen Kryptogrammen ziemlich gut auskennt. Dabei hatte der belgische Fotograf Koen van de Moortel schon vor Jahren Bilder von den Tafeln im Internet veröffentlicht (hier und hier). Kaum zu glauben, dass kein Kryptologie-Fan dies je bemerkt hat. Dankenswerterweise hat mir Herr van de Moortel erlaubt, die Bilder zu verwenden.
Zwei der Tafeln befinden sich am Martinsaltar:
Die zwei verbleibenden Tafeln sind am Jungfrauenaltar zu sehen:
Wie der (ananonye) Autor des Cryptolog-Artikels erzählt, gab es einen Wissenschaftler namens Jean Connart, der über Jahrzehnte hinweg versuchte, die Kryptogramme zu lösen – vergeblich. Er kontaktierte sogar die NSA und verschiedene Kryptologie-Experten. Allerdings kam wohl niemand auf die Idee, diese Geschichte in einer Fachzeitschrift oder auf einer Kryptologie-Internet-Seite zu veröffentlichen.
Das Alter der vier Inschriften ist nicht mit Sicherheit bekannt. Vermutlich wurden sie im Jahr 1838 angefertigt, als die Kirche St. Martin umgebaut wurde. Ob die Kryptogramme wirklich zu einem Schatz der Templer führen, wie eine Legende besagt, lasse ich an dieser Stelle dahingestellt.
Nick Pelling hat in seinem Blog einige erste Analysen veröffentlicht (hier und hier). Die Inschrift der Martinsaltars transkribiert Pelling wie folgt:
J N L K B F P R
V M G H W H[
Q L S B N F HP
M G [ K H V R
^ L R N F S X V
—–
P F V B L P M R
R A [ G K T D
B N D F J V R W
L U B F P N I D
C [ T R ^ Q M
Und so sieht der Jungfrauenaltar in Pellings Transkription aus:
L F E G K R V Q
Y P Z H N R L B D
M F ^ N V D [
N ^ P V J H M ^
L F N ^ B K P
—–
N C L X B P D W
R N [ C H Z R P
Kommentare (17)