Auf dem Gelände des CIA-Hauptquartiers in Langley (Virginia) steht eine Skulptur, die nicht öffentlich zugänglich ist: Kryptos. Auf Kryptos ist eine vierteilige verschlüsselte Nachricht angebracht, deren vierter Teil noch nicht geknackt ist. Eine ganze Szene von Kryptos-Enthusiasten versucht, das Rätsel zu lösen.

 

Ich freue mich schon auf den nächsten Dan-Brown-Film. Warum? Weil dieser voraussichtlich Das verlorene Symbol heißen wird und weil in der Romanvorlage die (real existierende) Skulptur Kryptos vorkommt. Kryptos ist eine Skulptur aus Kupfer und versteinertem Holz, die auf dem Gelände des CIA-Hauptquartiers in Virginia steht. Sie ist bekannt, weil darauf ein verschlüsselter Text angebracht ist. Wir werden also demnächst ein bekanntes kryptologisches Rätsel im Kino erleben – jedenfalls dann, wenn die Produzenten sich an die Romanvorlage halten.

Kryptos

Bild: Jim Sanborn/CC-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported

Der Text auf Kryptos besteht aus vier Teilen. Er ist unter Mithilfe des ehemaligen CIA-Kryptologen Ed Scheidt entstanden. Während die ersten drei Teile schon seit Jahren dechiffriert sind, ist der vierte Teil noch ungelöst. Kryptos ist in nahezu allen Listen der größten kryptologischen Rätsel aufgeführt. Auch in meinem Buch Nicht zu knacken gibt es ein Kapitel darüber. In meiner Liste der 25 größten Kryptogramme darf die Skulptur selbstverständlich nicht fehlen.

Kryptos wurde von dem US-Künstler James Sanborn geschaffen. Die Skulptur ist nicht öffentlich zugänglich. Von den mehreren Tausend Leuten, die versuchen, das Rätsel zu lösen, haben die wenigsten die Skulptur in Natura gesehen. Die vier Teile des verschlüsselten Texts sind nicht voneinander abgegrenzt. Inzwischen weiß man: Die ersten beiden Teile sind mit einer Variante der Vigenère-Chiffre verschlüsselt, während der dritte mit einer Transpositionschiffre erstellt wurde. Die ersten beiden Klartexte wurden vermutlich von Sanborn selbst geschaffen, während der dritte einen Auszug aus dem Tagebuch des Archäologen Howard Carter darstellt.

Die ersten drei Teile wurden bereits dreimal voneinander unabhängig gelöst: 1999 verkündete der US-Kryptologe James Gillogly als erster öffentlich, die drei Teile gelöst zu haben. Danach gab die CIA bekannt, dass deren Mitarbeiter David Stein bereits ein Jahr zuvor das gleiche geschafft hatte. Anschließend verkündete auch die NSA, die drei Teile längst gelöst zu haben, und zwar im Jahr 1992. Den vierten Teil konnte jedoch weder Gillogly noch Stein noch die NSA lösen. Dieser dritte Teil liest sich wie folgt :

                          ?OBKR
UOXOGHULBSOLIFBBWFLRVQQPRNGKSSO
TWTQSJQSSEKZZWATJKLUDIAWINFBNYP
VTTMZFPKWGDKZXTJCDIGKUHUAUEKCAR

2010 gab Jim Sanborn einen Tipp: NYPVTT steht für BERLIN. Mehr dazu steht in diesem Artikel von mir.

Die weltweit führende Kryptos-Expertin ist die US-Amerikanerin Elonka Dunin. Sie kommt sogar im Roman „Das verlorene Symbol“ vor (Dan Brown hat ihren Namen in Elona Kaye umgewandelt). Ich bin schon gespannt, wer Elonka im Film spielen wird. Ich habe Elonka Dunin letztes Jahr interviewt. Das ganze Interview gibt es hier. Hier ist ein kurzer Ausschnitt:

Dunin

Frage: Sie gelten als die weltweit führende Expertin für die Skulptur “Kryptos” des Künstlers Jim Sanborn. Warum ist der vierte und letzte Teil der darauf angebrachten Inschrift nach über 20 Jahren immer noch nicht entschlüsselt?

Elonka Dunin: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist der vierte Teil recht kurz – er besteht aus nur 97 Zeichen. Normalerweise haben Codeknacker deutlich mehr Geheimtext zur Verfügung, den sie analysieren können. Ginge es um eine Nachricht aus der Zeit der Verschlüsselungsmaschine Enigma, dann hätte man eine Nachricht mit 97 Buchstaben vermutlich unter der Rubrik “Mehr Material benötigt” abgelegt. Beim Lösen von Enigma-Funksprüchen hatten die Briten seinerzeit deutlich mehr Text zur Verfügung – ansonsten hätten sie wohl keinen Erfolg gehabt.

Frage: Was meinen Sie, wie lange wird es noch dauern, bis die Lösung gefunden ist?

Elonka Dunin: Ed Scheidt, der sich, die Verschlüsselungsmethoden ausgedacht hat, ging ursprünglich davon aus, dass die ersten drei Teile schnell gelöst sein würden. Für den vierten Teil veranschlagte er zehn Jahre. Inzwischen sind aber über 20 Jahre vergangen, und wir haben immer noch keine Lösung.

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Kommentare (4)

  1. #1 Alex
    21. November 2014

    Sieht für mich nach Doppelwürfel aus, allerdings rückwärts geschrieben. Doch warum taucht Berlin im Text auf (Zitat: “NYPVTT steht für BERLIN”)? Da Kryptos im Jahr 1990 enthüllt wurde, in dem Jahr, in dem Berlin wieder deutsche Hauptstadt wurde, gibt es ja wahrscheinlich einen Zusammenhang.

    Vielleicht gibt es ein Zitat von Bush sen. dazu? Oder ist es doch der Klassiker von Kennedy:

    “Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt West-Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: “Ich bin ein Berliner!””

    Dann wäre das Ausrufezeichen als Fragezeichen verschlüsselt. ^^

    • #2 Klaus Schmeh
      21. November 2014

      Gegen den Doppelwürfel (und andere Transpositionschiffren) spricht, dass sechs aufeinander folgende Buchstaben für BERLIN stehen. Bei einer Transpositionschiffre gibt es eine solche Zuordnung nicht.

  2. #3 Alex
    21. November 2014

    OK, das fiel mir auch auf, aber vielleicht meinte Sanborn einfach die Position der Buchstaben im Fließtext (er ist ja wohl selbst kein Experte für Verschlüsselungen). Gibt es eine andere Erklärung, warum in “NYPVTT” das “T” einmal für ein “I” und einmal für ein “N” (oder bei rückwärtiger Lesart für ein “B” und ein “E”) stehen könnte?

  3. #4 MAD-Max
    3. Oktober 2015

    Auch wenn Fr. Dunin bereits von den Codewörtern Binary und Shifted gesprochen hat, so könnte ich mir wegen des doppelten “T” auch Four-Square vorstellen.
    Aber ich verstehe noch zu wenig von der gesamten Materie, da mein Interesse erst richtig seit 3301 geweckt wurde. 😉
    Ach ja, nebenbei: Tolle Seite, Herr Schmeh !