Auf meine Leser war mal wieder Verlass! Gut 40 Stunden nach Veröffentlichung der verschlüsselten Postkarte erreichten mich fast zeitgleich zwei Lösungen – von einer unerfahrenen Rumänin und einem erfahrenen Deutschen.

Huegel-Delia-2Vor etwa zwei Tagen habe ich in Nick Pellings Blog von einer Web-Seite über den Codex Rohonci gelesen. Sie wird von einer (mir bis dahin nicht bekannten) Rumänin namens Delia Huegel betrieben. Ich schrieb Frau Huegel eine Mail, um sie auf Klausis Krypto Kolumne und meine Encrypted Book List hinzuweisen. Sie wurde durch meine Mail auf den Beitrag über die verschlüsselte Postkarte von 1906 aufmerksam und probierte ihr Glück.

Mit Erfolg: Gestern Abend um 18 Uhr schickte Delia Huegel mir die Lösung – sie erwies sich als korrekt. Übrigens spricht Frau Huegel kein Deutsch und versteht nach eigenen Angaben kaum etwas von Kryptologie.

Krauss-ArminKaum hatte ich Frau Huegels Lösung geprüft, traf auch schon die nächste ein. Sie stammt von einem alten Bekannten: Armin Krauß, Deutschlands wohl bestem Hobby-Codeknacker. Herr Krauß ist nicht nur der erfolgreichste Teilnehmer der Kryptogramm-Plattform MysteryTwister C3, sondern auch sonst sehr erfolgreich beim Lösen von Verschlüsselungen. Unter anderem hat er das verschlüsselte Tagebuch von Antonio Marzi gelöst. Hier ist ein Artikel inklusive Video über ihn. Es versteht sich von selbst, dass Krauß’ Lösung korrekt war. Damit waren zwei Codeknacker mit sehr unterschiedlichem Hintergrund zum gleichen Ergebnis gelangt.

Die Lösung

Immerhin gingen meine ersten Gedanken in die richtige Richtung. Wie vermutet, ist die Verschlüsselung eine monoalphabetische Substitution. Und wie vermutet, steht die Viertelpause (also das D in meiner Transkription) für einen Wort-Zwischenraum. Trotz dieser richtigen Annahmen habe ich die Lösung nicht gefunden. Jetzt weiß ich auch warum: Jeder der drei Abschnitte des Texts ist buchstabenweise von hinten (also von rechts unten nach links oben) zu lesen. Wenn man das weiß, ist das Rätsel durchaus lösbar. Die Lösung sieht dann wie folgt aus:

Adress-Seite:

Vorderseite Lützelhöhe b.Frankenberg 1905
DIE HERCLICHSTEN GRÜSE
UND KÜSSE SENDET DIR
MAX.
SAGE MEINEN BESTEN
DANK FÜR DEINE
KARTEN
HOFFENDLICH KANST
DU ES LESEN . ICH BIN
GERADE BEI LAUNE .

Bildseite, Abschnitt 1:

Rückseite Lützelhöhe b.Frankenberg 1905
GRUS AN KARL UND ELSE .
HEISGELIEBDER ENGEL SEI NOCHMALS
GEGRÜST UND GEKÜSST VON DEINEM MAX.

Bildseite, Abschnitt 2:
WIE BIST
DU DENN
AM SONN=
TAG
NACHHAUSE
GEKOMMEN? M

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Frau Huegel hat mir inzwischen geschrieben, wie sie vorgegangen ist:

I thought it can not be very difficult, thinking about ladies in boarding schools, learning piano and stuff. That gave me courage to try. I presumed it was German. The sign that appeared the most often should be E. The second most often should be N. I noticed that many words would start with NE, which is uncommon. So, I thought, this should be the ending. The word ENGEL was the first, yes, it starts at the right bottom corner. I had EN_E_. Engel would match this kind of messages. And the sign for G appeared mostly in combination with E, so I thought about the specific German starting “GE”. And I was sure the sign for pause is the separator between words. I also found a three letter word that appears several times, I thought it would be UND.

Danke an Delia Huegel und Armin Krauß fürs Lösen, an Günther Hunger für das Rätsel und an alle, die mitgemacht haben!

Kommentare (8)

  1. #1 Pnugi
    München
    23. April 2014

    Ich habe stundenlang rumprobiert. Habe die Lösung aber nicht gefunden. Dabei wars gar nicht so schwierig. Danke jedenfalls für zwei unterhaltsame Tage.

  2. #2 Peter
    25. April 2014

    Finde ich echt Super, wie die Entschlüsselungen hier wieder mal vom Band fliesen.
    War leider wieder mal kurz angebunden und konnte keine Zeit frei machen. Ich war zwar kurz drin und habe mir die Karte angesehen, aber eben schneller als Fedex. ( Lieferung folgt promot ).
    Gratulation noch an Delia, und ist doch etwas anders als so ein Kreuzworträtzel, und macht doch Spass.
    Klar, auch an Armin ein Danke, aber er spielt ja auch ein einer anderen Liga. ( Nicht Böse gemeint ).

  3. #3 Peter
    25. April 2014

    PS: Hatte 1 Stunde keinen Zutritt auf den Blog. hatte schon Angst, man hätte mich gesperrt. 🙂

    • #4 Klaus Schmeh
      25. April 2014

      Ich hatte selbst auch keinen Zugriff. Lag also am server.

  4. #5 Delia Huegel
    27. April 2014

    Thank you Klaus for the nice article. This postcard reminded me something from my distant childhood. One of our neighbours gave me several postcards from her attic, to play with. They belonged to her mother-in-law, I think, however, they were quite old. The images were about elegant men staring into the eyes of beautiful women, chubby children dressed as cherubs with feathery wings, girls looking into the distance under huge full-moons, you get it. The messages on the back were short and conventional. For some reason (which I don’t remember) I peeled the stamps of. Under the stamps, in very small writing with a very sharp pencil, there were the most romantic and exalted love letters. Which is funny and sad, since only a ten year old girl saw them.

    • #6 Klaus Schmeh
      27. April 2014

      Messages written under a stamp? This is an interesting kind of steganography.

  5. #7 rolak
    1. Mai 2014

    Das mit der unter der Briefmarke versteckten Nachricht, auch in der Form eines Extra-Mini-Briefchens ist mir schon derart oft untergekommen, das scheint ein Klassiker zu sein, sozusagen gleichzeitig mit dem Prinzip Marke geboren. Wars nicht auch in ‘Papillon’?

    Aber ganz was anderes, angeregt durch eine ~10 Jahre alte Doku¹ über die Welfen: Sind eigentlich mittlerweile die verschlüsselten Passagen aus dem Liebesbriefwechsel zwischen Prinzessin Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg und dem Grafen Philipp Christoph von Königsmarck (hehe, wiki-c/p) geknackt?

    ______________
    ¹ da ist doch tatsächlich mal ein YT-Raubgut von besserer Qualität als die alten (NDR-)Fernseh-Mitschnitte^^ Egal, 384p reicht.

  6. #8 Jochen
    Berlin
    13. Mai 2014

    Danke,
    nach Deinen Informationen ist es meiner Tochter und Ihren Enkeln gelungen, Postkarten – Texte meines Großvaters aus den Jahren 1893 zu übersetzen.

    Insgesamt geht um 34 Postkarten zwischen dem Zeitraum von 1893 – ca. 1902. Ich bin mal gespannt, welche Übersetzungen in den nächsten Tagen und Wochen auf mich drauf zukommen werden…