Im Zweiten Weltkrieg erhielt der deutsche Kapitänleutnant Horst Hesselbarth, der sich in britischer Kriegsgefangenschaft befand, eine Geheimcode-Nachricht aus seiner Heimat. Diese Botschaft enthielt eine wichtige Frage.

Im Zweiten Weltkrieg gab es zwischen den Kriegsgegnern Deutschland und Großbritannien wenigstens ein Zugeständnis: Die Kriegsgefangenen durften Post an ihre Angehörigen verschicken und von diesen empfangen. Diese Briefe wurden natürlich zensiert, denn die Gefangenen sollten keine kriegsrelevanten Informationen verschicken. Doch für solche Zwecke gibt es ja die Steganografie (diese beschäftigt sich mit der versteckten Daten Übertragung). Wie ich unlängst in Klausis Krypto Kolumne berichtet habe, verwendeten britische Offiziere in Kriegsgefangenschaft einen bereits im Vorfeld entwickelten Geheimcode. Dieser zählt zu den kompliziertesten steganografischen Methoden, die ich kenne. Trotzdem scheint er funktioniert zu haben, und obendrein durchschauten ihn die Deutschen nicht.

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In einem U-Boot-Archiv, das online zugänglich ist (eine tolle Sache, immerhin bin ich für Archiv-Recherchen schon bis in die USA gereist), habe ich nun ein Schriftstück gefunden, das belegt, dass auch deutsche Kriegsgefangene mit Hilfe steganografischer Nachrichten korrespondierten. Der in diesem Fall angewendete Code war jedoch deutlich simpler als der oben erwähnte britische und wurde daher von den Zensoren entdeckt. So sah eine kodierte Nachricht aus:

Rahmlow-Message

Vermutlich handelt es sich um eine Abschrift, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass die Punkte und Striche im Original so klar zu erkennen waren. Der Code ist denkbar einfach: Über jedem Anfangsbuchstaben steht entweder ein Punkt oder ein Strich oder ein Leerzeichen, was zusammen eine Morsenachricht ergibt:

… — ..-. — .-. – — . .-.. -.. . -.

Dies bedeutet: SOFORT MELDEN

Der vollständiger Text lautet: SOFORT MELDEN OB GEHEIM SACHEN RAHMLOW VERNICHTET

Die Nachricht hat einen sehr interessanten historischen Hintergrund. Im August 1941 konnten die Briten das deutsche U-Boot U-570 erbeuten. Dessen Kommandant, der unerfahrerene  Kapitänleutnant Hans-Joachim Rahmlow, hatte vor dem Auftauchen ein gegnerisches Flugzeug übersehen und konnte dessen Beschuss anschließend nicht mehr ausweichen. Die Besatzung geriet in Kriegsgefangenschaft. Sowohl im Gefangenenlager als auch in Deutschland wurde Rahmlow für seinen Fehler heftig kritisiert. Die Briten reparierten derweil das U-Boot und nutzten es unter dem Namen HMS Graph selbst. Unter dieser Bezeichnung ist es auch bei Wikipedia aufgeführt.

Die beschriebene Geheimnachricht, die an einen Kollegen Rahmlows gerichtet war, sollte klären, ob die Besatzung der U-570 vor der Gefangennahme wenigstens die geheimen Unterlagen an Bord (zum Beispiel Enigma-Schlüsselbücher) vernichtet hatte. Ob dies der Fall war, ist mir leider nicht bekannt.

Zum Weiterlesen: So trickste ein Kriegsgefangener mit geheimen Botschaften die Wärter aus

Kommentare (8)

  1. #1 Dario
    28. September 2014

    Über die Erbeutung von U-570 schreibt Hugh Sebag-Montefiore ausführlich im 15. Kapitel des sehr zu empfehlenden Buches “Enigma: the Battle for the Code”, das ich in der italienischen Übersetzung gelesen habe.

    >ob die Besatzung der U-570 vor der Gefangennahme
    >wenigstens die geheimen Unterlagen an Bord
    >(zum Beispiel Enigma-Schlüsselbücher) vernichtet hatte.

    Die Antwort ist: zum Teil. So Sebag-Montefiore (Zitat aus der Google Books Preview vom englischen Original):

    Rahmlow’s men had destroyed most of the Enigma codebooks. But some documents had been overlooked. They included papers containing matching plain-language German and enciphered text for at least three days, and some Enigma settings.

    Und jetzt aus https://www.geschichtsthemen.de/u-570.htm:

    Deshalb traf Rahmlow und seine Besatzung die Rache deutscher Marineoffiziere. Im Gefangenenlager mussten britische Soldaten Rahmlow mit Waffengewalt vor der über ihn verhängten Feme schützen. Im Falle des I WO von U-570 gelang das nicht. Kein anderer als der berüchtigte Kretschmer, der in diesem schottischen Offiziersgefangenenlager in Grizedale Lagerältester war, organisierte gegen den ehemaligen Wachoffizier Berndt ein sogenanntes Ehrengericht. Der junge Offizier wurde verurteilt, “die Schmach zu tilgen”, indem er das U-Boot, das in einer Bucht an der Westküste Schottlands lag, versenken sollte. Nur durch eine nachträgliche Selbstversenkung wäre die “Ehre” der deutschen Kriegsmarine wieder herstellbar. Es ist charakteristisch für die Erziehung vieler Marineoffiziere, dass der Wachoffizier nicht gründlich über die Haltung seines Kommandanten nachgedacht hatte und das Urteil des illegalen “Ehrengerichtes” annahm. Bei der Verwirklichung dieses Unternehmens wurde der aus dem Lager ausgebrochene Offizier erschossen.

    • #2 Klaus Schmeh
      28. September 2014

      Danke für den Hiweis. Bei Wikipedia steht folgendes (https://de.wikipedia.org/wiki/HMS_Graph):
      Im September wurden der I. WO, der II. WO und der L.I von U 570 im britischen Gefangenenlager Grizedall Hall inhaftiert, wo sich zu diesem Zeitpunkt einige hundert Offiziere der Kriegsmarine und der Luftwaffe befanden. Den Insassen war der „Fall U 570“ aus britischen Zeitungen bekannt, und die drei Offiziere des Bootes wurden von ihren Mitinsassen geschnitten. Entgegen der Genfer Konvention stellte der ebenfalls dort inhaftierte und von dem britischen Lagerkommandanten mit der Lagerführung beauftragte Otto Kretschmer ohne Wissen der Wachmannschaft einen sogenannten „Ehrenrat“ aus Inhaftierten zusammen, der ermitteln sollte, inwieweit den drei Neuankömmlingen „Feigheit vor dem Feind“ vorgeworfen werden konnte und wie des Weiteren mit ihnen zu verfahren sei. Vom vorstehenden Vorwurf wurden zwar der II. WO und der L.I. freigesprochen, dem I. WO wies der „Ehrenrat“ im Zusammenhang mit dem Verlust von U 570 jedoch ehrenrühriges Verhalten nach und beschloss die Überstellung an ein Kriegsgericht, sobald die Invasion Großbritanniens erfolgreich abgeschlossen wäre. Im Anschluss daran schlug der junge Offizier vor, seine Ehre durch Selbstmord wiederherzustellen, was der „Ehrenrat“ als ungenügend ansah.

      Einige Zeit später wurde den Insassen von Grizedall Hall bekannt, dass U 570 in den Hafen von Barrow-in-Furness geschleppt worden war. Nun fassten die Gefangenen den Plan, das Boot nachträglich zu versenken. Unter Miteinbeziehung vieler Insassen wurden zivile Kleidung und gefälschte Ausweise angefertigt. Gefangene, die Nordengland noch aus Friedenszeiten kannten, fertigten eine Landkarte an und beschrieben Bus- und Bahnverbindungen. Sogar eine Karte des Hafens von Barrow wurde erstellt. Während die Gefangenen einen lautstarken Liederabend veranstalteten, brach der I. WO aus Grizedall Hall aus und entkam. Er wurde von Angehörigen der British Home Guard gestellt, verhaftet und bei einem Fluchtversuch erschossen.

  2. #3 Henning
    Region Hannover
    28. September 2014

    Naja, das ist ja so dämlich, wie soll es nicht entdeckt werden? Man stelle sich vor, der Herr Offizier ist in Kriegsgefangenschaft und berichtet nach Hause, daß er die Frau Mutter besucht habe. Schlechtes Drehbuch.

  3. #4 Michel
    Lönneberga
    28. September 2014

    @Henning:
    Der Herr Offizier hat den Brief empfangen, nicht versendet. Wer lesen kann, …

  4. […] Eine versteckte Nachricht aus dem Zweiten Weltkrieg – Klausis Krypto Kolumne: Im Zweiten Weltkrieg erhielt der deutsche Kapitänleutnant Horst Hesselbarth, der sich in britischer Kriegsgefangenschaft befand, eine Geheimcode-Nachricht aus seiner Heimat. Diese Botschaft enthielt eine wichtige Frage. – https://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/2014/09/28/eine-versteckte-nachricht-aus-dem-zweiten-w… […]

  5. #6 UMa
    30. September 2014

    “Vermutlich handelt es sich um eine Abschrift, denn ich kann mir kaum vorstellen, dass die Punkte und Striche im Original so klar zu erkennen waren. Der Code ist denkbar einfach: Über jedem Anfangsbuchstaben steht entweder ein Punkt oder ein Strich oder ein Leerzeichen, was zusammen eine Morsenachricht ergibt:”
    Die Punkte und Striche sind zu auffällig. Außerdem ist der Text unglaublich schlechtes Deutsch. Das bedeutet, dass die Punkte und Striche nicht dagewesen waren, der Code steckt in den Anfangsbuchstaben. Simple Lösung:
    “.”=A-I,
    “-“=J-R,
    ” “=S-Z.

    • #7 Klaus Schmeh
      30. September 2014

      Vielen Dank für den Hinweis. Jetzt habe ich endlich verstanden, wie der Code wirklich funktioniert. Die Punkte und Striche waren im Original gar nicht vorhanden, stattdessen gaben die Anfangsbuchstaben den Ausschlag.

  6. #8 hk
    Soltau
    29. Dezember 2014

    Terence Robertson beschreibt in seinem Buch über O. Kretschmer ‘Der Wolf im Atlantik’ diese Vorgänge genau. Sie zeigen eine verabscheuenswürdige Verbissenheit deutscher NS-Offiziere, die sich wie ‘Wölfe’ selbst auch in Gefangenschaft verhielten! (Mobbing lässt grüßen!) Die Anmerkungen zum Gebrauch des Codes berücksichtigen m.M.n. nicht, dass die Schreiben an Angehörige gingen, denen komplizierte Kryptologie fremd war. Ob diese damit dann gleich zur OHL/BdU liefen, mag ich nicht glauben. Bei aller Bewunderung für O.K’s ‘Heldenmut am Feind’ bleibt mir seine Persönlichkeit damit doch suspekt.