Eine 1968 entdeckte Botschaft, die in einer Geige versteckt gewesen sein soll, gibt Rätsel auf. Handelt es sich um eine Verschlüsselung?

Im Jahr 1968 brachte eine Person aus der Gegend von Boston eine alte Violine zu einem Geigenbauer, um sie restaurieren zu lassen. Der Geigenbauer fand darin eine Inschrift, die offensichtlich mit Bleistift auf die Innenseite des Resonanzkörpers geschrieben worden war. Diese sah wie folgt aus:

Suffi-Fiddle-614

Der Besitzer der Geige konnte mit diesen arabisch anmutenden Zeilen nichts anfangen. Er brachte das Instrument zur Havard-Universität, wo sie sich der Nahost-Experte Labib Zuwiyya-Yamak genauer ansah. Doch weder er noch einer seiner Kollegen konnten die Inschrift einordnen oder gar lesen. Bei einem Abendessen wurde der Historiker, Islamexperte und Schriftsteller Richard Bulliet auf die Geige aufmerksam. Er schrieb die seltsame Botschaft ab und versuchte in den Folgejahren, ihrer Bedeutung auf den Grund zu kommen – ohne Erfolg.

1991 veröffentlichte Bulliet einen Roman mit dem Titel The Sufi Fiddle, in dem eine fiktive Geschichte rund um die rätselhafte Inschrift erzählt wird.

Nun stellen sich zwei interessante Fragen: Erstens: Kann ein Leser die seltsame Schrift entziffern? Zweitens: Entspricht diese Geschichte der Wahrheit, oder hat Richard Bulliet sie erfunden erfunden?

Was Frage 2 betrifft: Ich habe ernsthafte Zweifel an der Echtheit der Geschichte. Die einzige Quelle, die ich dazu finden konnte, ist das Nachwort des Romans. Wo die Geige verblieben ist, ist unklar. Die einzige im Nachwort genannte Person, Labib Zuwiyya-Yamak, hat zwar tatsächlich existiert, war aber bei Erscheinen des Romans bereits verstorben. Über den ursprünglichen Besitzer der Geige ist nur bekannt, dass er oder sie aus der Region Boston stammte. Es lässt sich also nichts überprüfen.

Es spricht also einiges dafür, dass die Sache mit der rätselhaften Inschrift nur ein geschickter PR-Gag war. Eine ähnliche Idee hat bekanntlich bereits im 19. Jahrhundert glänzend funktioniert: die Geschichte mit den Beale-Kryptogrammen und dem angeblich versteckten Schatz.

Beim Schreiben dieses Artikels ist mir aufgefallen, dass Richard Bulliet noch aktiv ist und eine Web-Seite hat. Ich werde ihn gleich mal anschreiben.

Zum Weiterlesen: Top-25 der ungelösten Verschlüsselungen – Platz 23: Die Altarinschriften von Moustier

Kommentare (14)

  1. #1 Peter
    18. Oktober 2014

    Wenn ich die Zahlen ansehe wo rechts stehen und dazu noch die Zeichen, sieht das für mich wie arabisch aus. Da das ganze anscheinend von rechts nach links geschrieben wurde.

  2. #2 Chemiker
    18. Oktober 2014

    Es sieht an der Oberfläche aus wie eine Qurān-Inschrift.

    Die Zeichen sind arabisch und unter Berück­sichtigung der Ligatur­regeln geschrieben. Die Schrift enthält auch Zeichen für Vokale und Konsonanten­verdoppelung, die gewöhnlich nicht geschrieben werden, außer im Qurān. Allerdings sind diese Vokalzeichen nur gelegentlich eingestreut; eine echte Qurān-Sure sollte viel mehr davon haben,

    Das vierte Wort in der fünften Zeile محمد lautet Muḥammad, allerdings ohne die Vokale und das Verdopplungszeichen. In einem echten qurānischen Text würde man volle Dekoration مُحَمَّدْ erwarten.

    Ich habe nach einigen der gut lesbaren Worte gegoogelt, und nichts Relevates gefunden (auch nicht bei quranexplorer.com). Ich glaube nicht, daß es sich um einen echten arabischen Text handelt. Sondern um eine Chiffre eines (vielleicht) arabischen Textes in arabischen Buchstaben.

    • #3 Klaus Schmeh
      18. Oktober 2014

      Interessant. Das mit dem Muhammad in der fünften Zeile steht bei Bulliet auch. Es ist aber wohl das einzige was er identifizieren konnte.

  3. #4 Chemiker
    18. Oktober 2014

    Noch etwas fällt mir auf, was mich ein bißchen skeptisch stimmt: Das Bild sieht nicht so aus, als ob es von einer un­regel­mäßigen Ober­fläche wie dem Innen­leben einer Geige ab­photo­graphiert wäre. Eher wirkt es wie auf Papier geschrieben. Wenn es aber eine von Richard Bulliet anfertigte Abschrift ist, dann weiß man nie, ob nicht alles, was daran wichtig ist, in der Geige verblieben ist.

  4. #5 ulfi
    18. Oktober 2014

    @Chemiker im Text stand ja auch, dass die Nachricht abgeschrieben wurde.

  5. #6 Peter
    18. Oktober 2014

    @Chemiker
    Er schreibt ja oben .
    >Der Geigenbauer fand darin eine Inschrift, die offensichtlich mit Bleistift auf die Innenseite des Resonanzkörpers geschrieben worden war.

    Also Zettel = Abschrift, gehe mal davon aus das es richtig abgeschrieben oder abgezeichnet wurde.

  6. #7 Pnugi
    18. Oktober 2014

    Ich kenne einen Geigenbauer (in Bologna). Ich frage ihn, ob er die Geschichte kennt.

  7. #8 Klaus Schmeh
    19. Oktober 2014

    Ich habe Richard Bulliet angeschrieben und eine Antwort erhalten. Wichtigste Aussagen:
    – Die Geschichte war kein PR-Gag, sondern Realität.
    – Das Rätsel ist bis heute ungelöst.
    – Es gibt immerhin ein paar zusätzliche Erkenntnisse.
    Details gibt es demnächst in einem Artikel in Klausis Krypto Kolumne.

  8. #9 Hosen-Träger
    19. Oktober 2014

    Ich habe mal in einer neuen Hose einen Zettel mit “arabischer” Inschrift gefunden. Eine tunesischstämmige Kollegin meinte, es sei kein Arabisch sondern Persisch. Mit anderen Worten: kann die Notiz in der Geige nicht in einer Sprache sein, die arabische Buchstaben nutzt. Türkisch (vor Atatürk), persisch, ..?

    • #10 Klaus Schmeh
      20. Oktober 2014

      Wäre natürlich möglich. Ich gehe aber davon aus, dass einer der vielen Experten, die sich die Inschrift angeschaut haben, dies erkannt hätte.

  9. #11 Peter
    20. Oktober 2014

    Interessant zu wissen wäre alter und Hersteller der Geige
    Um eine Schrift so in eine Geige zu schreiben muss sie wohl offen sein, oder der Hersteller hat es geschrieben.
    > Bau Datum, zweites mal geöffnet, und noch restaurieren. <
    In welcher Zeitspanne wäre gut zu wissen.

  10. #12 Chemiker
    20. Oktober 2014

    kann die Notiz in der Geige nicht in einer Sprache sein, die arabische Buchstaben nutzt.

    Nein, das ist nicht möglich, weil der Zeichensatz dem Arabischen (und nicht Farsī, Urdū, Paṣto oder was auch immer) entspricht. Bei osmanischem Türkisch kenn ich mich nicht aus, aber da sind wohl auch irgendwelche Sonder­zeichen oder verdächtige Zeichen­kombina­tionen drin.

    Bekanntlich kann man jede der euro­päischen National­sprachen, die Latein­schrift benutzen, am Schrift­bild er­ken­nen, mit der einzigen Aus­nahme Dänisch/Norwegisch.

    Mit der arabischen Schrift ist es ähnlich. Alle Sprachen, die das arabische Alpha­bet nutzen, mußten irgend­etwas dazu­fummeln, entweder, weil zusätzliche Kon­sonanten gebraucht werden (Arabisch hat z.B. kein G und kein P), oder weil die vokal­lose bzw. teilweise vokal­lose Schreibung des Arabischen nicht für die andere Sprache paßt.

  11. #13 seb
    24. März 2015

    “Ich habe Richard Bulliet angeschrieben und eine Antwort
    erhalten. Wichtigste Aussagen:
    – Die Geschichte war kein PR-Gag, sondern Realität.
    – Das Rätsel ist bis heute ungelöst.
    – Es gibt immerhin ein paar zusätzliche Erkenntnisse.
    Details gibt es demnächst in einem Artikel in Klausis
    Krypto Kolumne.”

    Lese deine Kolumne echt gerne, auch als Laie. Ist denn der Artikel in Arbeit oder hab ich ihn übersehen?

    LG sebastian

    • #14 Klaus Schmeh
      25. März 2015

      Leider habe ich von Bulliet keine weiteren Informationen erhalten. Vielleicht kann ich bei Gelegenheit mal nachhaken. Einen weiteren Artikel habe ich bisher nicht veröffentlicht.