Das neue Jahr beginnt mit einem kniffligen Rätsel: ein alter Brief, der noch auf seine Dechiffrierung wartet.

Im Januar 1817 schickte ein gewisser Vincent LeRay de Chaumont einen kurzen Brief an einen gewissen Joseph Rosseel. Beide Herren hatten zu diesem Zeitpunkt mit der Erschließung von Grundstücken im Norden des US-Bundesstaats New York zu tun. So sah der Brief aus (vielen Dank an Blog-Leser Kent Ramliden, der ihn mir zur Verfügung gestellt hat):

Leray-Letter-1817

Der Brief ist recht kurz und nicht ohne Weiteres zu lesen. Vermutlich ist er in einer Kurzschrift verfasst. Wie regelmäßige Leser von Klausis Krypto Kolumne wissen, ist der Übergang zwischen Kurzschriften und Verschlüsselung fließend. Laut Kent Ramliden wurde der Brief bisher nicht entschlüsselt. Falls also jemand eine Idee hat, wie das funktionieren könnte, bitte melden. Die verwendete Sprache könnte Französisch sein. Der Brief enthielt vermutlich weitere Bestandteile, die nicht verschlüsselt waren, diese liegen mir aber nicht vor.

Ich werde auf jeden Fall die Forschungs- und Ausbildungsstätte für Kurzschrift und Textverarbeitung informieren, vielleicht kann man dort weiterhelfen. Aber vielleicht ist ja ein Leser schneller.

Zum Weiterlesen: Ungelöste Verschlüsselung aus dem 19. Jahrhundert: Bibliothek bietet 1000 Dollar Belohnung

Kommentare (12)

  1. #1 Jan
    3. Januar 2015

    Sieht doch sehr nach dem Stenographie Verfahren von John Byrom aus:
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/John_Byrom_(Schriftsteller)

    Hab aber gerade keine Möglichkeit das zu “entschlüsseln”.

    • #2 Klaus Schmeh
      3. Januar 2015

      Könnte passen. Ist aber nicht einfach zu entschlüsseln.

  2. #3 Forschungsstätte für Kurzschrift E. V.
    Bayreuth
    4. Januar 2015

    Sorry, Leute – das ist gründlich danebengetippt. Byrom ist eine moderne Buchstabenschrift der englischen Neugeometrik (und sehr leicht zu entschlüsseln!). Was wir HIER vor uns haben, ist – trotz des Briefdatums – ein wesentlich archaischeres Stenosystem. Frohes Weiterraten! 🙂

    • #4 Klaus Schmeh
      4. Januar 2015

      Danke für den Hinweis. Mir war klar, dass die Forschungsstätte für Kurzschrift die richtige Anlaufstelle für solche Fragen ist – dort gibt es eben entsprechende Experten. Wie ich inzwischen per E-Mail mit der Forschungsstätte abgeklärt habe, könnte man dort das Kurzschriftsystem identifizieren und den Brief transkribieren. Allerdings wäre das mit einiger Arbeit verbunden, für die man verständlicherweise eine Spende erwartet. Hier gibt es Informationen dazu: https://www.forschungsstaette.de/uebersetzung_stenogrammx.htm

  3. #5 Jan
    4. Januar 2015

    Hier findet man eine Übersicht:

    https://images.zeno.org/Meyers-1905/I/big/Wm18930e.jpg

    Ich hab allerdings, wie schon bemerkt, keine Ahnung von Stenographie und auf den ersten Blick sieht das für mich “alles gleich” aus 🙂

    Wenn es etwas archaischer sein darf, dann vielleicht das Byzantinische System. Würde zu den vielen Kringeln passen.

    Da sich aber die Symbole im Vergleich zum “Alphabet” aber teilweise stark verändern ist es für mich schwer zu sagen, ob das stimmt.

  4. #6 Detlef Schmidt
    Dresden
    4. Januar 2015

    Hier gibt es auch noch eine kleine “Suchhilfe”:
    https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/70309/1/

    • #7 Klaus Schmeh
      4. Januar 2015

      Danke für den Tipp. Die Forschungsstätte empfiehlt außerdem:
      Sander/Karpenstein: Art und Bau der wichtigsten Kurzschriften (1988)

  5. #8 Kent
    10. April 2015

    Update:

    With assistance from an ACA colleague happily this letter has been largely solved with the exception of some words in the middle. It is indeed based on Thevenot’s “Tachygrafie” system and reads:

    Mon cher Monsier,

    Je vou fai mai com pli ment sur vo tre ta chy gra fi….je vou pri da c sep te la su rons de ma per fai con spi re ment (signed)

    or in normal text “Je vous fais mes compliments sur votre tachygrafie…je vous pris d’acceptez l’assurance de ma parfait conspirement”.

    Thanks to all for their helpful comments early this year

  6. #9 Norbert
    13. Oktober 2015

    Der ganze Text (mit noch ein paar Lücken):

    Mon cher Monsieur
    je vous fais mes compliments sur votre tachygraphie qui prouve que vous avez fait
    fortement usage de mon livre de tachygraphie. Je n’en ai pas eu besoin et je vous prie de le garder
    [unklar]! [Unklar, evtl. sûr(ement)?] vous puissiez me l’envoyer comme vous demandez(?). Nous espérons que nous aurons le plaisir de vous voir ici
    cette hiver. Je vous pris d’accepter l’assurance de ma parfaite considération.

    Beim letzten Wort considération steht der hochgestellte Punkt steht für das Suffix -tion, siehe hier:

    https://books.google.de/books?id=cEU6y3PZOWUC&pg=PA16#v=onepage&q&f=false

  7. #10 Norbert
    13. Oktober 2015

    Folgende etwas freie Übersetzung dürfte trotz der noch vorhandenen Unklarheiten dem Sinn recht nahe kommen:

    Mein lieber Herr,
    ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Kurzschrift, welche unter Beweis stellt, dass Sie von meinem Kurzschrift-Buch ausgiebig Gebrauch gemacht haben. Ich habe dieses nicht vermisst und bitte Sie, es weiterhin zu behalten! Freilich können Sie es mir auch zurückschicken – wie Sie möchten. Wir hoffen, das Vergnügen zu haben, Sie in diesem Winter hier zu sehen. Seien Sie meiner uneingeschränkten Hochachtung versichert,
    (Unterschrift)

  8. #11 Claire
    Basel
    2. September 2016

    Woher kommt dieser Brief überhaupt? Ich forsche seit Jahren über die Familie LeRy und wurde gerne mehrere Briefe knacken lassen.

  9. #12 Norbert
    26. September 2016

    Endlich habe ich die Lösung komplett:

    Mon cher Monsieur,
    je vous fais mes compliments sur votre tachygraphie qui prouve que vous avez fait
    fort bon usage de mon livre de tachygraphie. Je n’en ai pas eu besoin et je vous prie de le garder
    jusqu’à ce que vous puissiez me l’envoyer sans vous déranger. Nous espérons que nous aurons le plaisir de vous voir ici
    cet hiver. Je vous prie d’accepter l’assurance de ma parfaite considération.
    V. LeRaydechaumont

    Für meine sinngemäße Übersetzung ändert sich im Falle von “fort bon” statt “fortement” nichts; der zweite Satz müsste etwa so lauten: “Ich habe dieses nicht vermisst und bitte Sie, es solange zu behalten, bis Sie es mir ohne großen Aufwand zurückschicken können. Wir hoffen …”