Wieder einmal gibt eine verschlüsselte Postkarte einige Rätsel auf. Schafft es jemand, die Verschlüsselung zu knacken?

Tobias Schrödel, vielen Lesern von Klausis Krypto Kolumne als Comedy-Hacker und Krypto-Experte bekannt, besitzt eine eindrucksvolle Sammlung verschlüsselter Postkarten. Auf seiner Web-Seite kann man eine Auswahl davon bewundern. Viele der verschlüsselten Postkarten hat Tobias längst selbst gelöst, doch es gibt natürlich auch Ausnahmen. Kürzlich hat er beispielsweise ein Exemplar erstanden, das 1906 in Tschechien verschickt wurde und dessen Klartext ihm bisher nicht bekannt ist. Dankenswerterweise hat mir Tobias Scans der Karte zur Verfügung gestellt. Hier sind sie:

Postcard-Dopisnice

Postcard-Dopisnice-2

Schafft es jemand, die Verschlüsselung zu knacken?

Da der Klartext vermutlich auf Tschechisch verfasst ist, wären entsprechende Sprachkenntnisse zweifellos hilfreich. Allerdings hat es in der Geschichte der Kryptologie genug Fälle gegeben, in denen Codeknacker erfolgreich waren, ohne die Klartextsprache zu verstehen. Der legendäre US-Kryptologe Herbert Yardley (1889-1958) beobachtete sogar, dass es oft von Nachteil war, wenn jemand Texte in seiner Muttersprache dechiffrieren wollte – man übersieht eben viele Dinge, wenn man zu tief drin steckt.

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Vermutlich ist das verwendete Verschlüsselungsverfahren eine einfach Buchstaben-Ersetzung. Leider ist der Text recht kurz, was die Analyse erschwert. Man beachte allerdings, dass der Absender einige Wörter unter die (nicht mehr vorhandene) Briefmarke geschrieben hat. Insgesamt kann man vermuten, dass der verschlüsselte Text irgendwelche Liebesgrüße enthält, wie es meist bei verschlüsselten Postkarten der Fall ist.

Kann jemand etwas zum Empfänger sagen? Handelt es sich um eine Rosa Reinberger? War der Absender der Geliebte dieser Frau? Sachdienliche Hinweise nehme ich gerne entgegen.

Zum Weiterlesen: Ein einzigartiger kryptologischer Schatz: 35 verschlüsselte Postkarten aus dem 19. Jahrhundert

Kommentare (16)

  1. #1 Norbert
    24. April 2015

    Ich lese den Empfängernamen eher als “Jóža Reinberger”. Die Zeile darüber würde ich als “Ctêný Pán” (oder “Pan”) identifieren (“verehrter Herr” laut Google Translate – selber habe ich leider keinen blassen Schimmer von Tschechisch). Also ziemlich sicher ein Mann.

    “Jóža” ist wohl eine Variante von “Josef”. Es gibt im Tschechischen viele Koseformen von Josef, die mit “Pep” beginnen; gefunden habe ich z.B. Pepa, Pepík, Pepíček, Pepan, Pepánek, Pepec, Pepek, Pepouš, Pepša, Pepák, Pepčour. Man könnte in Betracht ziehen, dass das zweite verschlüsselte Wort (davon ausgehend, dass die Kommas Worttrenner sind) eine derartige Koseform mit “Pep” ist, weil 1. und 3. Buchstabe identisch sind. Dann wären p und e identifizert. Ist aber nur eine vage Annahme (und erklärt nicht, warum dasselbe Wort kurz vor Schluss wieder auftaucht, wo doch normalerweise der Absendername stehen müsste).

    Zweite Überlegung: Der chiffrierte Text scheint diakritische Zeichen zu beinhalten, von denen es im Tschechischen ja einige gibt. Den Kringel (kroužek) kommt aber nur über einem Buchstaben vor: dem u. Wäre also evtl. der Bindestrich ein u und der Bindestrich mit Kringel drüber ein ů? Auch das nur eine Annahme. Allerdings scheinen mir im verschlüsselten Text weniger diakritische Zeichen aufzutauchen als in einem typischen Normaltext.

    • #2 Klaus Schmeh
      24. April 2015

      Danke für diese Überlegungen. Wenn der Empfänger ein Mann war und es sich um eine Liebesbotschaft handelt (wie meistens bei verschlüsselten Postkarten), war der Abender wahrscheinlich eine Frau. Das unterste Wort auf der linken Seite könnte daher ein tschechischer Frauenname mit sechs (?) Buchstaben sein, bei dem der letzte und der drittletzte Buchstabe gleich sind. Bojana, Dusana oder Renata wären Möglichkeiten (siehe https://www.vorname.com/tschechische,vornamen,0.html). In jedem Fall müste das Pluszeichen für ein A stehen. In der vierten Zeile kommt ein Zwei-Buchstaben-Wort vor, dessen zweiter Buchstabe demnach ein A wäre. Was gibt es da im Tschechischen für Möglichkeiten?

  2. #3 Michel
    Lönneberga
    24. April 2015

    “Pan” ist eines der wenigen tschechischen Worte, die ich kenne, und zwar von der Fernsehserie “Pan Tau”.

  3. #4 Norbert
    24. April 2015

    @Klaus Schmeh: Ich würde auf eine der Präpositionen “na” / “za” tippen … https://de.wiktionary.org/wiki/Vorlage:Pr%C3%A4positionen_%28Tschechisch%29
    Wenn das a ein á sein dürfte, ginge auch “já” (ich). Ob es noch mehr Möglichkeiten gibt, kann ich nicht sagen.

    @Michel: Ja, Pan Tau heißt ganz einfach “Herr Tau”. Das hat mir mal ein Tscheche erklärt…

  4. #5 Norbert
    24. April 2015

    Vorschlag: das letzte Wort auf der linken Seite (Frauenname vermutet) sei “Milada” – immerhin gibt’s eine “Milada von Prag” 🙂

    Dann würde ich mich nämlich mal aus dem Fenster lehnen und für die ersten drei Zeilen folgenden unverbindlichen Vorschlag machen:

    Milý Pepouši, přijmêde (irrtümlich für přijmête?) ode mnê
    srdečný pozdrav

    Wörtlich übersetzt etwa:
    Lieber Pepousch (Josef),
    nehmen Sie von mir einen herzlichen Gruß.

    Vielleicht könnte jetzt eine Muttersprachlerin / ein Muttersprachler übernehmen und aus diesem Anfang und dem Rest etwas Sinnvolles machen? 😉

    • #6 Klaus Schmeh
      25. April 2015

      Das sieht doch schon mal gut aus. Jetzt wäre jemand hilfreich, der des Tschechischen mächtig ist.

  5. #7 Hans Jahr
    katkryptolog.blogspot.sk
    25. April 2015

    Dear Norbert and Klaus, full solution of postcard cryptogram:
    “Milý Pepouši přijměte ode mne srdečný pozdrav. Jak se máte. Já právě jdu domů. V duchu Vás líbá Vaše Pepouši, Milada.”
    Message under stamp:
    “Až přijdete ku nám, tak Vám řeknu víc.”
    Thanks again, it was fun:)

    • #8 Klaus Schmeh
      25. April 2015

      Many thanks! Here’s the translation (according to Google Translate):
      “Dear Joe, accept from me a cordial greeting. How are you? I just walk home. In the spirit of you kissing your Joe, Milada.”
      Under the stamp: “When you come to us, so we say more.”

  6. #9 Hans Jahr
    25. April 2015
  7. […] Klaus Schmeh zverejnil vďaka Tobiasovi Schrödelovi, ďalšiu zo zachovaných poštových pohľadníc, tentoraz z Čiech. Bola poslaná z Turnova dňa 8.1. 1906. Odkaz pre istého Jóžu Reisbergera sa nenachádzal len na mieste pre to určenom, ale aj pod známkou. Znovu sa jedná typicky o vymyslené symboly, ktoré sú použité na zámenu písmen správy. Preto pri jej rozlúštení pomáha hlavne frekvenčná analýza a pravdepodobné slová na začiatku posolstva, ktoré môžu byť aj pre amatérskych lúštiteľov veľmi nápomocné. V tomto prípade veľmi pomohlo, že sme od začiatku vedeli o tom, že “dopisnice” bola adresovaná “Pepovi”:) […]

  8. #11 Norbert
    25. April 2015

    Super! Congrats to Hans Jahr! Es bleiben imho zwei interessante Kleinigkeiten zu erwähnen:

    Erstens unterscheidet Milada ganz offensichtlich nicht zwischen d und t. Vielleicht spricht (oder sprach) man in Turnov ja einen Dialekt, bei dem die beiden Buchstaben gleich klingen – ähnlich wie das Fränkische im deutschen Sprachraum?

    Zweitens hat sie, wie man schön sehen kann, dem Wort právě (Ende vierte Zeile) nachträglich ein “j” hinzugefügt (právje). Unsicher mit der Rechtschreibung? Eher hat es wohl damit zu tun, dass in der hier verwendeten Verschlüsselung die diakritschen Zeichen nur bei Konsonanten notiert werden, also nicht bei “e”. Ich nehme an, dass práve (ohne den Hatschek) eine andere Bedeutung hat als právě und sich Milada nachträglich für eine Art Lautschrift entschieden hat, um nicht missverstanden zu werden (zur Erklärung: e entspricht ungefähr dem deutschen offenen e/ä, und ě wird etwa wie jä ausgesprochen) .

    Kann das jemand die beiden Überlegungen bestätigen (oder widerlegen)?

  9. #12 Hans Jahr
    25. April 2015

    I think, that substution ě=je, is phonetic transcript.

  10. #13 Ludek
    Universum
    26. April 2015

    ja, alles korrekt..

    Jóža, alias Pepouš war wohl ein junger Gehilfe (Příručí) bei der Familie Faltyn in Turnov, die dort ein Geschäft führte.
    https://axioart.com/tetel/turnov-main-square-with-the-shops-of-vilem-faltyn,-karel-ruz_785106

    Milada, die Verfasserin der Botschaft, scheint eine junge Dame mit gewissen Schwächen für die Orthographie zu sein. Auch wenn man in jener Zeit in dem Gebiet eher ein deutsch-tschechisches Kauderwelsch pflegte, ist sie eindeutig eine Tschechin. Kaum hätte sie sonst für den tschechischen Buchstaben „ch“ ein eigenes Zeichen verwendet.
    Der Sinn der dechiffrierten Nachricht ist korrekt, ein paar Buchstaben sind nach meiner Meinung anders, aber das ist ohne Bedeutung.
    Die „verflixte“ Diakritik löst Milada etwas inkonsistent und offensichtlich nachträglich bzw. nur für die Konsonanten („ ˇ “), für die Vokale fehlt das „´ “ bzw. „° “ bei „domů“ gar.
    Das „je“ anstelle des „ě“ ist ein typischer Schulfehler. Auch die Verwendung des Pronomen ich = já und die Wortreihenfolge ist eine typische deutsch-tschechische Verwirrung.
    Ich denke drei bis vier Fehler auf 30 Worte ist auch in Deutschland heute ein gleitender Durchschnitt :-).

    Grüße L.

    • #14 Klaus Schmeh
      26. April 2015

      Hallo Ludek, vielen Dank für die Anmerkungen. Damit ist das Rätsel vollständig gelöst.
      Klaus

  11. #15 Tobias Schrödel
    27. April 2015

    Danke sehr, insbesondere auch für die Hintergrundinformation zu den Akteuren! Ich bin begeistert.
    Habe Klaus schon “angedroht”, ihm meine restlichen Karten zu senden. Es warten knapp 80, viele davon mangels Zeit noch ungelöst.
    Tobias

    • #16 Klaus Schmeh
      2. Mai 2015

      Da bin ich schon gespannt. Ich bin sicher, dass meine Leser viele knacken werden.