Der Deutsche Codeknacker Reinold Weber löste im Zweiten Weltkrieg ein US-Verschlüsselungsverfahren. Erst 70 Jahre später gelang es, dieses zu identifizieren.

Im Jahr 2004 erlebte ich einen echten Höhepunkt in meiner Arbeit als Krypto-Autor. Damals meldete sich der 84-jährige Reinold Weber aus Frankfurt bei mir. Er hatte im Zweiten Weltkrieg als Codeknacker gearbeitet und dabei am Dechiffrieren der US-Verschlüsselungsmaschine M-209 mitgewirkt. Zu diesem Thema hatte es bis dahin so gut wie keine Informationen gegeben. Durch Webers Augenzeugenbericht, den ich in der Telepolis veröffentlichte, blieben der Nachwelt spannende Informationen erhalten, die ansonsten wohl für immer verloren gegangen wären.

Der TELWA-Code

Dass Weber überhaupt in den elitären Kreis der M-209-Dechiffrierer aufgenommen wurde, lag daran, dass er zuvor ein anderes US-Verschlüsselungsverfahren geknackt hatte. Die Deutschen nannten es TELWA-Code.

Die im TELWA-Code verschlüsselten Nachrichten bestanden aus Buchstaben in Fünfergruppen, wobei die Funksprüche immer mit der Buchstabenkombination TELWA anfingen – daher der Name. Weber standen für die Analyse nur etwa 1.000 Fünfergruppen zur Verfügung. Die bereits von seinen Kollegen geäußerte Vermutung, dem TELWA-Code läge ein Codebuch zu Grunde, das jedem gängigen Wort der englischen Sprache eine Buchstaben-Fünfergruppe zuordnete, konnte Weber bestätigen. Um eine Lösung zustande zu bringen, hatte er die Idee, die einzelnen Buchstaben der Fünfergruppen getrennt vertikal auf schmalen Streifen untereinander aufzuschreiben. Damit konnte er innerhalb jeder Gruppe die Reihen der Buchstaben untereinander verschieben.

Durch farbige Kennzeichnungen und Vergleiche machte Weber eine interessante Entdeckung: Die einzelnen Buchstaben in einer Fünfergruppe waren voneinander abhängig. Ihm gelang es sogar, eine mathematische Formel zu erstellen, mit der sich diese Abhängigkeit, die vermutlich zur Entdeckung von Übertragungsfehlern diente, ausdrücken ließ. Die Bedeutung der jeweiligen Buchstabengruppe war damit jedoch natürlich noch nicht bekannt. Doch auch hier kam Weber voran: Durch die Untersuchung von Wiederholungen, beispielsweise am Anfang und am Ende von Funksprüchen, konnten er erste Fünf-Buchstaben-Kombinationen identifizieren.

Je mehr Weber herausfand, desto einfacher wurde es für ihn, weitere Buchstabengruppen ihrer Bedeutung zuzuordnen. So stand beispielsweise die Fünfergruppe RYKFI für eine öffnende Klammer, während UZUSP das Wort “signed” bedeutete. Nachdem Weber bereits nach einer Woche erste Nachrichtenfragmente entziffern konnte, gelang es ihm mit einigen dazu abgestellten Kollegen, nach und nach etwa 75 Prozent des TELWA-Codes zu knacken. Mit seiner mathematischen Formel und angefertigten Tabellen ließen sich sogar falsch abgehörte Buchstaben korrigieren.

Was war der TELWA-Code?

Der TELWA-Code war kein ungewöhnliches Verfahren. Codebücher, die für jedes gängige Wort einer Sprache eine Entsprechung vorsahen (oft waren es mehrstellige Zahlen, manchmal auch kurze Buchstabenfolgen wie TELWA oder UZUSP), kamen im 19. Jahrhundert auf. Im Zweiten Weltkrieg hatte diese zeitweise sehr populäre Art des Verschlüsselns ihre Glanzzeit längst hinter sich. Stattdessen galten nun Verschlüsselungsmaschinen (wie die Enigma) als Stand der Technik. Codebücher wurden nur noch für weniger wichtige Angelegenheiten verwendet. Manche der Codes wurden “überschlüsselt” (so wurde beispielsweise zu einer fünfstelligen Zahl jeweils eine Zahl dazu gezählt, die vom aktuellen Datum abgeleitet war), doch selbst diese Sicherheitsmaßnahme fehlte beim TELWA-Code.

Über Jahre hinweg versuchte ich immer wieder, mehr über den TELWA-Code (der bei den US-Amerikanern sicherlich einen anderen Namen hatte) herauszufinden. Das war nicht einfach. Alleine in der Bibliothek des Krypto-Museums der NSA in Fort Meade (USA) finden sich Hunderte von Codebüchern – und diese Sammlung ist längst nicht vollständig. Leider ist die Geschichte der Codebücher bis heute nur in kleinen Teilen erforscht. Es gab also keinen Katalog und kein Standardwerk, in dem ich nachschauen konnte. So liefen meine Recherchen immer wieder ins Leere.

Nachdem ich mich ein paar Jahre lang nicht mehr mit dem TELWA-Code beschäftigt hatte, versuchte ich es vor ein paar Tagen mal wieder mit einer Google-Suche. Und siehe da, auf der Web-Seite von Christos Triantafyllopoulos (die ich eigentlich kenne und durchaus empfehlen kann) fand ich in einem Artikel aus dem Jahr 2012 die Erklärung, nach der ich lange vergeblich gesucht hatte.

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Kommentare (6)

  1. #1 Richard SantaColoma
    https://proto57.wordpress.com/
    4. Juli 2015

    Another interesting one… it is great to see the missing pieces of old problems being fille din. Some thoughts:

    Did Mr. Weber live to see the actual book, after it was identified and found?

    I was also wondering if the code-word “TELWA” was on the list, and if it had a specific meaning… other than to specify which code was being used.

    And I would also imagine that the book had a second list for decoders, with either the code-words in alphabetical order, or the numbers in numerical… otherwise it would be an onerous task to decode, searching those thousands of code-words!

  2. #2 Peter
    4. Juli 2015

    ich frage mich ob das auch etwas mit diesem Bericht zu tun hat, da er in die selbe Zeit fällt ?

    Fellers’ concerns about security were overridden and he sent his reports by radio, encrypted in the “Black Code” of the U.S. State Department. Unbeknownst to the U.S. government, the details of this code were stolen from the U.S. embassy in Italy by Italian spies in September 1941. Around the same time it was also broken by German cryptanalysts.[6] Beginning in mid-December 1941 (coincidentally as the U.S. was entering the war) Germany was able to identify Fellers’ reports. This lasted until June 29, 1942, when Fellers switched to a newly adopted U.S. code system.[7]

    • #3 Klaus Schmeh
      4. Juli 2015

      Der Black Code war sicherlich ein anderer als der TELWA-Code, auch wenn beide vermutlich auf Codebüchern basierten. Solche Verschlüsselungen waren in im Zweiten Weltkrieg bereits knackbar, weshalb Codebücher nach und nach durch Verschlüsselungsmaschinen ersetzt wurden.

  3. #4 Kent
    4. Juli 2015

    Nice story Klaus. I find the process of reconstructing code books, or code segments among the more interesting crypto challenges.

    On the enclosed link is another story of German success in WWII breaking US codes, in this case Code B7, with a fair amount of technical details about how it was done cryptanalytically. People may find it interesting.

    https://www.nsa.gov/public_info/_files/tech_journals/How_the_Germans.pdf

  4. #5 Max Baertl
    4. Juli 2015

    Interessant das sich die Deutschen so Intensive mit dem TELWA Code Beschäftigten obwohl der Inhalt quasi bedeutungslos war.

  5. #6 Kent
    19. Juli 2015

    @Max Baertl

    While reading an Army Security Agency report from 1946 in connection with the “Rilke Cryptogram” mystery, I came across an opinion which relates to your observation in #5.

    “Although no traffic of strategic value was passed (on Code AC1), the intelligence was valuable enough so that when AC1 was succeeded by a simplified version designated as TELWA (SIGARM), Feste 9 (KONA unit in Norway?) took pains to reconstruct this code with the help of AC1.”