Sensationell: Blog-Leser Armin Krauß hat den verschlüsselten Brief an Präsident Madison, den ich vorgestern vorgestellt habe, innerhalb weniger Stunden geknackt.

Vorgestern berichtete ich über einen Brief, den der Italiener Philip Mazzei im Jahr 1780 an den späteren US-Präsidenten James Madison schickte (siehe hier). Der Brief enthält einige verschlüsselte Passagen, die anscheinend bisher ungelöst sind.

Madison-Cryptogram

Mir war dieses Kryptogramm bis vor ein paar Tagen nicht bekannt. Dabei ist der Mazzei-Brief auf der Web-Seite der US-Nationalarchive aufgeführt – mit dem Hinweis, dass er eine unbekannte Chiffre enthält. Man kann davon ausgehen, das bereits der eine oder andere Codeknacker versucht hat, die Verschlüsselung zu lösen und dabei keinen Erfolg hatte. Der vermutliche Grund: Es handelt sich im eine homophone Verschlüsselung. Homophon bedeutet, dass es für manche Klartextzeichen mehrere Geheimtextzeichen gibt. Wenn etwa für das E (der häuigste Buchstabe im Deutschen) die Zeichen §, & und # zur Auswahl stehen, ist es für einen Codeknacker äußerst schwierig, das E im Geheimtext zu identifizieren. Dass es sich hier möglicherweise um ein homophones Verschlüsselungsverfahren handelt, erkennt man daran, dass das Geheimtext-Alphabet deutlich mehr als 26 Buchstaben enthält.

Umso schöner ist es, dass ich heute die Lösung des Madison-Kryptogramms präsentieren kann. Der Blog-Leser und Meister-Codeknacker Armin Krauß hat das Kryptogramm geknackt – nur wenige Stunden, nachdem ich es veröffentlicht habe. Hier ist die Lösung:

VI RICORDERETE DEL MIO

CARTEGGIO CON AQUESTO SOVRANO; EI LA MOLTA STIMA DELLE MIE
PAROLE. UN GIORNO PARLANDO SUGLI AFFARI D’AMERICA EI
DISSE “VOI AVETE PREDETTO TUTTO AQUELLO CHE E SEGUIR”

Auf Deutsch heißt das etwa:

Erinnern Sie sich an meine Korrespondenz mit dem Souverän; und der großen Wertschätzung meiner Worte. Einmal unterhielten wir uns über die Unternehmungen Amerikas und er meinte: “Sie haben alles so vorausgesagt, wie es gekommen ist.”

Wie erwartet, steckte tatsächlich ein homophones Verschlüsselungsverfahren dahinter. Um es zu knacken, hat Krauß einen Hill-Climbing-Algorithmus verwendet, der mit italienischen Buchstaben-Tripeln (Trigrammen) arbeitet. Hill-Climbing bedeutet, dass man mit einer mutmaßlich falschen Lösung anfängt und sich dann durch Prüfung bestimmer Kriterien immer mehr der richtigen Lösung nähert (bildlich gesprochen “den Berg besteigt”). In einem ersten Hill-Climbing-Durchgang konnte Krauß ein paar Wörter erraten und dadurch einige Buchstaben identifizieren. Ein weiterer Hill-Climbing-Durchgang brachte dann noch mehr Wörter zum Vorschein, wodurch Krauß weitere Buchstaben fixieren konnte. Nach ein paar Zyklen war dann fast alles lesbar, und Krauß konnte die restlichen unklaren Stellen von Hand (und mit Hilfe von Google Translate) ergänzen.

Armin Krauß ist ohne Zweifel ein Meister seines Fachs und der erfolgreichste Codeknacker auf Klausis Krypto Kolumne. Einige seiner Erfolge finden sich hier, hier und hier. Ich bedanke mich herzlich bei Armin Krauß und hoffe, dass er noch viele weitere Codes knacken wird.

Zum Weiterlesen: Wer löst diese Verschlüsselung aus dem Jahr 1783?

Kommentare (15)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    3. August 2015

    War das NSA, CIA & Co nicht der Mühe wert? Oder haben die das nicht geschafft?

    • #2 Klaus Schmeh
      3. August 2015

      Vielleicht haben die es geschafft, aber nicht veröffentlicht. Wäre nicht das erste Mal.

      • #3 BreitSide
        Beim Deich
        3. August 2015

        Hmm, ja, macht Sinn…;-)

  2. #4 PeteH
    3. August 2015

    Glückwunsch! und schön zu sehen sowas.

  3. #5 Crazee
    4. August 2015

    Ich finde es wirklich erstaunlich, was dieses Blog und sein Autor gemeinsam mit seiner Leserschaft schaffen.

    Gratulation. Ich werde weiter interessiert mitlesen.

  4. #6 Braunschweiger
    4. August 2015

    Ebenfalls Gratulation an Armin! Ich sehe da auch eine Bestätigung der Fähigkeiten von Informatikern.

    Nach der Beschreibung des Lösungsverfahrens scheint es ja von Vorteil zu sein, die eine oder andere Fremdsprache zu verstehen. Um die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit von Teillösungen beurteilen zu können. Wobei ich vermute, dass jede Sprache mit Schrift einen gewissen Rhythmus beim Wechsel geeigneter Konsonanten und Vokale aufweist. Wie weit man die Erkennung wohl automatisieren kann?

  5. #7 GCH
    4. August 2015

    Sagenhaft, wie schnell das gelöst wurde. Hat schon jemand Tomokiyo-san von “cryptiana” informiert?

    Gruß,
    Gerd

  6. #8 Zeitgenosse
    5. August 2015

    Hallo Klaus,
    da würde ich gerne mehr dazu lesen. Kannst du nicht Armin Krauß fragen, ob er über seine Herangehensweise einen eigenen Blogartikel schreiben würde?

    • #9 Klaus Schmeh
      8. August 2015

      Wenn ich dazu komme, werde ich Armin noch einmal genauer fragen und selbst (z.B. für Focus Online darüber schreiben).

  7. #10 Bernhard Gruber
    5. August 2015

    Armin konnte ja bereits hier seine Sprachkenntnisse verbessern: https://www.spiegel.de/einestages/geheimes-tagebuch-aus-dem-zweiten-weltkrieg-entschluesselt-a-951102.html
    Tolle Leistung! /chapeau

  8. #11 helmut
    6. August 2015

    gratulation an armin!

    finde es immer wieder faszinierend, wie schnell manche hier lösungen erarbeiten. vorallem, wenn man bedenkt, dass der code offiziell noch nicht gelöst wurde!

  9. #12 leo
    6. August 2015

    Ist irgendwem schon die Ähnlichkeit der Symbole zu denen aus dem “Augusti-Kryptogramm” ( https://scienceblogs.de/klausis-krypto-kolumne/2015/05/19/wer-knackt-diese-verschluesselung-aus-dem-bonner-stadtarchiv/ ) aufgefallen?

    • #13 Klaus Schmeh
      8. August 2015

      Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden. Ist das mehr als Zufall?

  10. #14 S. Tomokiyo
    12. September 2015

    Lieber Klaus Schmeh und Armin Krauss,
    Mit Google Translate, möchte ich Hallo sagen und Ihnen danken.
    Ich aktualisiert meine Seite
    https://cryptiana.web.fc2.com/code/unsolved.htm
    mit einem Link zu einer neuen Seite für die Lösung.

    • #15 Klaus Schmeh
      13. September 2015

      Thanks for the note and congratulations on your web site.