Presseberichten zufolge hat die italienische Polizei elf Mafia-Mitglieder verhaftet, die einen ausgeklügelten Geheimcode verwendet haben. Was steckt dahinter?

2011 entdeckten italienische Ermittler einen Bauernhof in Sizilien, den die Mafia als Umschlagplatz nutzte. Die dort verkehrenden Personen stammten offenbar aus dem Umfeld des seit 1993 flüchtigen Mafia-Bosses Matteo Messina Denaro. Polizisten beobachteten den Bauernhof mit versteckten Kameras und Mikrofonen. Nach jahrelangen Beobachtungen und anderweitigen Ermittlungen schlug die Polizei am vergangenen Montag schließlich zu. Elf Verdächtige wurden verhaftet. Denaro selbst war offensichtlich nicht darunter.

Dafür ging den Ermittlern ein anderer interessanter Fisch ins Netz: Vito Gondola, der auf dem Bauernhof lebte, war für die geheime Kommunikation innerhalb der Gruppe zuständig. Dabei soll ein Geheimcode eine wichtige Rolle gespielt haben. Dies kann man in zahlreichen Pressebrichten nachlesen (hier ist ein Artikel auf Focus Online auf Deutsch, hier einer im Guardian auf Englisch).

Leider sind die Beschreibungen der Verschlüsselung recht ungenau. In den Presseberichten ist zum einen von Zettelchen (“Pizzini”) die Rede, die an einer bestimmten Stelle versteckt wurden, und von Telefonaten, die Gondola führte, um auf diese Zettelchen hinzuweisen. Das Verschlüsselungsverfahren, von dem in der Presse die Rede ist, zählt zur Familie der Jargon-Codes. Ein Jargon-Code (ein solcher ist ein Verfahren aus der Steganografie) sieht vor, dass harmlos klingende Wörter bzw. Sätze eine geheime Zusatzbedeutung haben. Ein bekanntes Beispiel ist der Code der Spionin Velvalee Dickinson, die sich im Zweiten Weltkrieg als Puppensammlerin ausgab und Informationen über Kriegsschiffe in ihren Briefen als Informationen über Puppen tarnte (dieses und weitere Beispiele gibt es in einem alten Telepolis-Artikel von mir).

Der Jargon-Code, den die Mafiosi verwendet haben sollen, basiert auf Sätzen, die sich scheinbar auf die Schafzucht beziehen. Beispiele sind „Ich habe Dir Ricotta beiseite gelegt, kannst Du ihn später abholen” oder „die Schafe müssen geschoren werden” oder „das Futter für die Schafe ist fertig”. Mit solchen Sätzen war wohl gemeint, dass ein bestimmter Pizzino bereitliegt oder dass ein solcher erwartet wird.

Vermutlich haben die Mafiosi diesen Jargon-Code nur am Telefon – und nicht etwa auf den Zetteln – angewendet. In den Presseberichten heißt es allerdings, dass auch die Pizzini verschlüsselt waren. Ich gehe stark davon aus, dass zu diesem Zweck kein Jargon-Code verwendet wurde, denn komplexe Botschaften lassen sich auf diese Weise nur schwer übermitteln. Welches Verfahren stattdessen für die Pizzini zur Anwendung kam, ist den Pressetexten nicht zu entnehmen. Wer etwas dazu weiß, möge sich melden.

Wie Eine Pizzino-Verschlüsselung vor über zehn Jahren aussah, ist diesem Artikel zu entnehmen. Damals verwendete die Mafia eine einfache Cäsar-Chiffre – schlechter geht es kaum.

Nach Angaben der diversen Presseberichte, brauchte die italienische Polizei Jahrzehnte, um den Mafia-Code zu lösen. Doch was ist damit gemeint? Der Jargon-Code erscheint mir nicht ganz so schwierig, dafür braucht man keine Jahrzehnte. Ist vielleicht eine Pizzino-Verschlüsselung gemeint, über die die Polizei nichts verraten will?

Insgesamt vermute ich, dass die italienische Polizei nicht alle kryptologischen Fakten zu dieser Mafiosi-Verhaftung auf den Tisch gelegt hat. Falls jemand mehr weiß, würde ich mich über einen Hinweis freuen.

Zum Weiterlesen: Italienische Polizei entschlüsselt Mafia-Code

Kommentare (5)

  1. #1 Hobelbruder
    5. August 2015

    Warum hast du nicht mal bei der italienischen Polizei angerufen und gefragt? So ist doch der Artikel jetzt nur eine Zusammenfassung was du in anderen Medien gelesen hast. Oder wartest du ab, dass die sich aus Italien bei dir melden? oO

  2. #2 Max Baertl
    5. August 2015

    Unter dem folgenden Link gibt es Infos zur Verschlüsselung die von einem Mafia Boss verwendet wurde.
    Möglicherweise wurde im Aktuellen Fall eine ähnliche Verschlüsselung verwendet.

    Link: https://www.schneier.com/blog/archives/2006/04/mafia_boss_secu.html

  3. #3 Max Baertl
    5. August 2015

    Infos und ein Bild zu einem weiteren Mafia Verschlüsselungssystem gibt es unter dem Link:

    https://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/italy/10562132/Italian-police-decipher-Mafia-code-in-initiation-script.html

  4. […] Mafiosi und andere dunkle Gestalten oft eine Geheimsprache benutzen, wundert mich nicht. Kollege Schmeh hat aber jetzt einen Beweis beschrieben: Italienische Fahnder haben nämlich den Chefkommunikator einer Mafia-Gruppe dingfest […]