Der Israeli George Lasry ist einer der besten Codeknacker, den ich kenne. Letzte Woche traf ich ihn zum ersten Mal und sprach mit ihm über seine Dechiffrier-Projekte und über seine Doktorarbeit, in der es um das Knacken historischer Verschlüsselungen geht.
Klaus Schmeh: Herr Lasry, Sie sind äußerst erfolgreich, wenn es um das Knacken historischer Verschlüsselungen geht. Wie sind Sie darauf gekommen, sich mit so etwas zu beschäftigen?
George Lasry: Ich mache das erst seit zwei Jahren. Ich war damals auf Job-Suche, und nach mehreren Management-Tätigkeiten wollte ich endlich wieder Software entwickeln. Um wieder in Übung zu kommen, suchte ich nach einem Hobby-Projekt.
Klaus Schmeh: Und was für eines haben Sie gefunden?
George Lasry: Ich hörte damals von der Verschlüsselungsmaschine Enigma und habe ein paar Bücher darüber gelesen. Für Geschichte habe ich mich schon immer interessiert. Einiges in den Büchern habe ich aber nicht verstanden, da ich nicht so recht wusste, wie eine Enigma funktioniert und wie man sie knackt. Als ich es genauer wissen wollte, war das Hobby-Projekt gefunden.
Klaus Schmeh: Wie haben Sie angefangen?
George Lasry: Auf der Web-Seite des Belgiers Dirk Rijmenants habe ich ein paar verschlüsselte Enigma-Nachrichten gefunden. Die waren mit meinem selbstentwickelten Enigma-Knack-Programm schnell gelöst. Das Programm wurde schnell komplexer, da ich immer neue Methoden implementierte und außerdem eigene erfand.
Klaus Schmeh: Und dann?
George Lasry: Irgendwann landete ich auf der Krypto-Rätsel-Seite MysteryTwister C3. Dort gab es einige knifflige Verschlüsselungsrätsel – nicht nur zur Enigma –, auf die ich mich stürzen konnte. Das lief ganz gut, und so kam ich mit dem MysteryTwister-C3-Organisator Prof. Arno Wacker in Kontakt. Er riet mir, meine Dechiffrier-Methoden in Forschungsaufsätzen zu veröffentlichen. Inzwischen ist Prof. Wacker mein Doktorvater. Ich promoviere bei ihm über das Lösen historischer Verschlüsselungen. Außerdem habe ich Arbeiten über die einfache Spaltentransposition, die Verschlüsselungsmaschine M-209 und die Chaocipher verfasst. Diese sind in der Fachzeitschrift Cryptologia erschienen oder werden dort noch erscheinen.
Klaus Schmeh: Auch mit der von mir entwickelten Doppelwürfel-Challenge haben Sie sich beschäftigt. Dieses Rätsel habe ich mir vor acht Jahren ausgedacht, um zu prüfen, ob die im Kalten Krieg verwendete Verschlüsselungsmethode „Doppelwürfel“ auch nach heutigen Maßstäben noch sicher ist.
George Lasry: Ihre Doppelwürfel-Challenge gibt es auch auf MysteryTwister C3. Außerdem habe ich ein Video von Craig Bauer über die größten ungelösten Verschlüsselungen gesehen. Ich habe mich gefragt, welches der von Bauer vorgestellten Rätsel etwas für mich wäre – und habe mich für die Doppelwürfel-Challenge entschieden.
Klaus Schmeh: Mit Erfolg, wie man heute weiß …
George Lasry: Ich war zwei Monate lang mit der Doppelwürfel-Challenge beschäftigt. Ich habe in dieser Zeit kaum geschlafen. Ich habe viele Methoden ausprobiert. Nach zwei Monaten hatte ich schließlich die Lösung.
Klaus Schmeh: Eine tolle Leistung, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Der ehemalige BSI-Präsident Otto Leiberich, von dem die Idee stammte, auch nicht …
George Lasry: Das war ein phantastischer Moment. Ich war so begeistert, dass ich eine Weile lang noch nicht einmal etwas essen konnte. Ich habe Ihnen dann eine Mail mit der Lösung geschickt …
Klaus Schmeh: Zugegebenermaßen habe ich diese Mail nicht so recht ernst genommen. Ich bekomme öfters Post von Leuten, die etwas Sensationelles entschlüsselt haben wollen. Ich habe mir daher mit der Beantwortung Zeit gelassen.
George Lasry: Ich war verwirrt, dass ich keine Antwort von Ihnen erhielt. Ich überlegte, ob meine Lösung vielleicht doch falsch war.
Klaus Schmeh: Erst als mich die Leute von MysteryTwister C3 ansprachen, habe ich mir endlich die Mail genauer angeschaut. Ich konnte es kaum glauben …
George Lasry: Sie haben dann ja für Focus Online darüber geschrieben. Das hat wohl ein israelischer Journalist gelesen. Dadurch ging die Sache auch in Israel durch die Presse. Ich hatte sogar einen Fernsehauftritt.
Klaus Schmeh: Das freut mich natürlich. Aber wie lief es eigentlich mit der Job-Suche?
George Lasry: Durch den Presserummel war es nicht schwierig, ein Vorstellungsgespräch bei Google zu erhalten. Nach allerlei Tests hat man mir dort schließlich einen Job angeboten. Inzwischen arbeite ich seit einem Jahr bei Google.
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Zum Weiterlesen: Top-25 der ungelösten Verschlüsselungen – Platz 5: Die Doppelwürfel-Challenge
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