Die Inschrift von Shugborough Hall besteht aus zehn Buchstaben, deren Bedeutung unbekannt ist. Schon viele haben vergeblich versucht, diese Botschaft zu entschlüsseln.
Das englische Landgut Shugborough Hall ist eine Touristenattraktion. Das schlossähnliche Anwesen nahe Wolverhampton bietet neben einer verschwenderischen Einrichtung eine großzügige Parkanlage. In Letzterer steht ein um 1750 errichtetes Denkmal, das als “Shepherd’s Monument” bekannt ist.
Auf dem Shepherd’s Monument ist ein Relief angebracht:
Schöpfer des Reliefs ist der flämische Bildhauer Peter Scheemaekers (1691–1781), der im Auftrag der Besitzerfamilie Anson arbeitete. Das Motiv ist dem Gemälde “Die Hirten von Arkadien” des französischen Malers Nicolas Poussin nachempfunden.
Die Shugborough-Inschrift
Unterhalb des Reliefs befindet sich eine Inschrift, die aus zehn Buchstaben besteht:
Transkribiert sieht die Inschrift wie folgt aus:
O·U·O·S·V·A·V·V D· M·
Es ist nicht bekannt, was diese Buchstaben bedeuten. Man weiß auch nicht, warum die Nachricht auf zwei Zeilen verteilt ist. Unklar ist außerdem, warum auf jeden Buchstaben ein Punkt folgt, außer auf das V am Ende der oberen Zeile. Der Punkt nach dem M wirkt dagegen überflüssig.
Vollkommen unbekannt ist zudem, um welche Art von Verschlüsselung (wenn überhaupt) es sich handelt. Denkbar ist, dass jeder Buchstabe für den Anfang eines Wortes steht (dann wäre es keine echte Verschlüsselung, sondern eine Abkürzung). Allerdings fällt es schwer, im Englischen einen Satz mit zehn Buchstaben zu finden, in dem drei Wörter mit V beginnen.
1987 schlug eine Adlige aus der früheren Besitzerfamilie folgende Worte vor: “Out of your own sweet vale Alicia vanish vanity twixt Deity and Man, thou Shepherdess the way” (“Alicia, du Schäferin, lasse aus deinem kleinen, süßen Tal die Eitelkeit zwischen Gottheit und Mensch verschwinden”). Mit Alicia ist eine vor der Errichtung des Denkmals verstorbene Adlige aus dem Anson Clan gemeint. Damit dieser Satz passt, muss man die letzten acht Wörter und das “of” streichen sowie dem Wort “your” den Buchstaben U zuordnen. Besonders überzeugend finde ich das nicht.
Oder ist der abgekürzte Text auf Latein verfasst? Wenn ja, dann könnte DM für “dis manibus” stehen, was etwa “in Gedenken an” bedeutet und manchmal auf Grabsteinen oder Gedenktafeln zu lesen ist. Doch was bedeuten die anderen acht Buchstaben? Eine Erklärung wäre der lateinische Satz “Optimae Uxori Optimae Sorori Viduus Amantissimus Vovit Vir tutibus” (“Der besten Ehefrau und besten Schwester gelobt ein liebender Witwer aufrichtig”).
Eine andere Erklärung schlug der ehemalige NSA-Linguist Keith Massey vor. Demnach stehen die Buchstaben für “Oro Ut Omnes Sequantur Viam Ad Veram Vitam” (“I bete, dass alle dem Weg zum wahren Leben folgen werden”). Dieser Satz spielt auf auf die Bibel (Joh 14:6) an, wo es heißt: “Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben.”
Kojotengras
Möglich ist auch eine Verschlüsselung durch Buchstabenersetzung. Allerdings liefert die Software CrypTool 2 für das Wortmuster OUOSVAVV (bzw. ABACDEDD) keinen einzigen Treffer. Gleiches gilt für die Web-Seite Code Penguin. Für DOUOSVAVVM habe ich immerhin ein passendes Wort gefunden: COYOTEWEED (“Kojotengras”).
Oder ist die Buchstabenfolge ein Anagramm (also ein Wort, bei dem die Buchstabenfolge verändert wurde)? Das Verhältnis von Vokalen zu Konsonanten (4:6) passt zwar auf den ersten Blick, allerdings kenne ich kein zehnbuchstabiges Wortin dem drei Vs vorkommen. Außerdem lassen sich aus V, D, M und S kaum plausible Konsonantenpaare bilden. Daher fällt es schon schwer, aus den zehn Buchstaben überhaupt ein aussprechbares Wort zusammenzustellen. VOMSUVODAV wäre eine Möglichkeit. Lässt man das D und das M weg, dann wird die Aufgabe auch nicht wesentlich einfacher, zumal drei von vier Konsonanten nun Vs sind. VOSUVOVA zählt unter diesen Voraussetzungen noch zu den eleganteren Wortkonstruktionen.
Findet sich vielleicht im Relief ein Hinweis? Dieses ist dem besagten Poussin-Gemälde nachempfunden, allerdings ist die Darstellung spiegelverkehrt (vermutlich hat der Künstler eine Camera Obscura verwendet). Auf dem Original-Gemälde deutet eine Person auf den Buchstaben R des Satzes “Et in arcadia ego” (“Ich bin auch in Arkadien”). Die Hand in Shugborough Hall zeigt dagegen auf das N. Warum der Künstler den Buchstaben änderte, ist nicht bekannt.
Zum Weiterlesen:
Die rätselhaften Bilder und Verschlüsselungen des Charles Dellschau (Teil 1)
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