Rolf Thelen versuchte, die Verschlüsselung zu knacken. Da ihm damals noch kein Computer zur Verfügung stand, musste er das Ermitteln der Buchstabenhäufigkeiten, die Suche nach Parallelstellen und andere Dinge von Hand erledigen. Doch seine Arbeit war erfolgreich!

 

Die Lösung

Das Verschlüsselungsverfahren, das in der Presse als ”Fünf-Zeilen-Caesar” bezeichnet wurde, ist eigentlich eine (leicht abgewandelte) Vigenère-Chiffre. Es wurde der Schlüssel ALLES ODER NICHTS verwendet. Zum Entschlüsseln muss man zunächst aus jeder Fünfergruppe die erste Zahl streichen (sie hat keine Bedeutung). Die verbleibenden vier Zahlen werden jeweils als zwei Paare betrachtet. Der eigentliche Geheimtext beginnt daher mit den Zahlen 15 13 15 13 37 24. Der Schlüssel ALLES ODER NICHTS wird davon abgezogen (es gilt A=01, B=02, C=03 usw.):

Geheimtext:             15 13 15 13 37 24 ...
Schlüssel:              01 12 12 05 19 15 ...
Entschlüsselter Text:   14 01 03 08 18 09 ...
In Buchstaben:           N  A  C  H  R  I ...

Insgesamt ergab sich folgender Text (Originalangaben sind gelb unterlegt, der Unterstrich steht für ein Leerzeichen, einen Teil der enthaltenen Telefonnummer habe ich geschwärzt):

Gallwitz-Klartext-2

Wie man sieht, wurden keine Umlaute verwendet, sondern jeweils der entsprechende Vokal (z.B. FUNF). Statt dem Z wird jeweils das C geschrieben. Anders als hier dargestellt, sind im Originaltext keine Wortzwischenräume enthalten.

Obwohl der Entführungsfall bereits vorüber war, übergab Rolf Thelen den entzifferten Text der Polizei. Im Text sind Informationen (insbesondere eine Telefonnummer) enthalten, von denen er nicht wusste, ob diese den Ermittlern bekannt waren.

Außer dieser Nachricht gab es noch weitere, die die Unterhändler per Zeitungsanzeige an die Entführer schickten. Leider liegen mir diese nicht vor. Als weiterer Schlüssel wurde ENDE GUT ALLES GUT eingesetzt.

Ich bedanke mich bei Rolf Thelen herzlich für diese äußerst interessanten Informationen. Die in diesem Artikel beschriebenen Details zum Entführungsfall Nina von Gallwitz wurden meines Wissens bisher nirgendwo veröffentlicht. Falls jemand weitere Informationen dazu kennt (die anderen verschlüsselten Nachrichten müssten noch aufzutreiben sein), würde mich das sehr interessieren.

Zum Weiterlesen: Botschaft an Geiseln war im Pop-Song versteckt

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Kommentare (14)

  1. #1 Thomas
    17. Januar 2016

    Laut dem Wiki-Artikel soll dieser Code auch von den Nachrichtendiensten zwischen den Weltkriegen verwendet worden sein. Waren die nicht schon über Vigenere hinaus?

    • #2 Klaus Schmeh
      17. Januar 2016

      Ich bezweilfe stark, dass dieser Code in größerem Umfang von den Nachrichtendiensten zwischen den Weltkriegen verwendet wurde. Es gab damals schon deutlich bessere Verfahren.

  2. #3 robsn
    18. Januar 2016

    Sehr interessanter Artikel. Vielen Dank dafür. Mich würde interessieren, was der Angestellte der Zeitung denkt, wenn er so eine Anzeige entgegen nimmt. Zumal sie damals ja sicher abeschrieben / abgetippt werden musste.

  3. #4 helmut
    leobersdorf
    21. Januar 2016

    @robsn
    fragen sie lieber, wie sich der schriftsetzer damals fühlte, wenn er so was vor sich hatte 😉

    • #5 robsn
      21. Januar 2016

      @helmut

      oh ja – der innere Monolog begann sicher mit “Ihr wollt mich doch…”

  4. #6 Martin
    21. Januar 2016

    Hallo Klaus,
    am Anfang Deiner Abschrift fehlt ein ganzes Stück.
    Auch 15 13 15 13 37 24 aus Deiner Lösung sehe ich da nirgens!
    “Gallwitz-3010” kann auch nicht so ganz stimmen.

    Gibt’s den Scan auch komplett? Der fängt nämlich auch erst später in leserlicher Form an.

    • #7 Klaus Schmeh
      22. Januar 2016

      Leider habe ich keinen kompletten Scan.

  5. #8 Hilde Meister
    21. Januar 2016

    Super, ein toller Einblick.

  6. #9 Rolf
    22. Januar 2016

    Hallo Martin! ja, stimmt. Die ersten 7 Gruppen fehlen.
    Sie lauten
    11513 21513 33724 42306 53916 61017 71525
    3010 ist die 8. Grp (komplett: 83010)

    • #10 Klaus Schmeh
      22. Januar 2016

      Danke für den Hinweis, ich habe es korrigiert.

  7. #11 Martin
    25. Januar 2016

    Es stimmt immer noch nicht:

    Am Ende der ersten Zeile fehlt noch (Danke an Rolf!):
    83010 92030 01038 13022

    • #12 Klaus Schmeh
      25. Januar 2016

      Danke für den Hinweis, habe es korrigiert.

  8. #13 Toma
    Neuss
    5. Februar 2016

    Re: Kommentare 1 und 2:
    Zwischen den Weltkriegen haben einige Polizeibehörden in Westeuropa sogar den Double Playfair verwendet (der um einiges einfacher zu knacken ist als Vigénere). Habe die Info an mehreren Stellen gelesen, leider kann ich i. Moment nicht nach einer konkreten Quelle suchen. Das der “Gallwitz”-Code oder ein ähnlicher zwischen den Kriegen auf niedriger Geheimhaltungsstufe von irgendwelchen Polizei- oder Sicherheitsbehörden verwendet wurde, halte ich für gar nicht so unwahrscheinlich.

  9. #14 Miriam
    22. Mai 2017

    Vielen Dank für den interessanten Artikel! Wissen Sie zufällig, in welcher Ausgabe der “Welt” dieser Code erschienen ist?