Harold James Nicholson verkaufte Top-Secret-Dokumente an den russischen Geheimdienst. Zur Kommunikation nutzte er unter anderem harmlos aussehende Grußkarten, die eine geheime Botschaft in sich trugen. Zwei dieser Karten wurden veröffentlicht. Ihre Bedeutung kann man erahnen, aber bisher nicht eindeutig entschlüsseln.

Was macht ein Mitarbeiter eines US-Geheimdienstes, wenn er dringend Geld braucht? Er liefert geheime Informationen an einen ausländischen Geheimdienst und lässt sich dafür bezahlen.

 

Für Geld zum Verräter

Geheimdienst-Mitarbeiter, die für Geld zum Verräter wurden, gab es in der jüngeren US-Geschichte erstaunlich viele. Als die drei wichtigsten gelten Aldrich Ames, Robert Hanssen und John Anthony Walker. Alle drei nahmen über die sowjetische Botschaft Kontakt mit einem sowjetischen Geheimdienst auf und lieferten über Jahrzehnte hinweg Top-Secret-Material gegen eine Bezahlung, die teilweise in die Millionen ging. Der Schaden für die USA war verheerend. Alle drei Top-Spione wurden enttarnt und erhielten eine lebenslange Haftstrafe.

Nicholson

Nicht ganz so katastrophal war der Geheimnis-Verrat des CIA-Mitarbeiters Harold James Nicholson. Seit 1980 bei der CIA angestellt, hatte er 1992 mehrere dienstliche Termine in der russischen Botschaft in Malaysia. Anscheinend nutzte er diese Gelegenheit, um den Russen seine Dienste als Maulwurf anzubieten. Zwei Jahre später fiel Nicholson bei einem routinemäßigen Lügendetektor-Test mit verdächtigen Ergebnissen auf.

Ermittlungen, die nun angestellt wurden, ergaben, dass Nicholson eine Überweisung von 12.000 Dollar erhalten hatte, deren Herkunft nicht klar war. Zahlreiche weitere verdächtige Überweisungen folgten. Die CIA ließ Nicholson nun überwachen und hatte schon bald genügend Beweise gegen ihn in der Hand. Am 16. November 1996 wurde Nicholson am Flughafen von Washington verhaftet.

Nicholson ist der ranghöchste CIA-Mitarbeiter, der bisher der Spionage überführt wurde. Er wurde zu 23 Jahren und sieben Monaten Haft und später zu acht weiteren Jahren verurteilt.

 

Die erste kodierte Postkarte

Am 1. August 1996, also gut drei Monate vor seiner Verhaftung, schickte Nicholson eine Grußkarte an eine ausländische Adresse. Sie wurde von seinen Überwachern abgefangen. Die Postkarte hatte folgenden Inhalt:

1 Aug 96

Dear J. F.,

Just want to let you know that unfortunately I will not be your neighbor an expected. Priorities at the home office resulted in my assignment to the management position there. Some travel to your general vicinity to visit field offices will occur, but not for more than a few days at a time. Still, the work at the home office should prove very beneficial. I know you would find it very attractive. I look forward to a possible ski vacation this winter. Will keep you informed. Until then, your friend,

Nevil R. Strachey

P.S. I am fine.

Die angegebene Absenderadresse in Virginia erwies sich als falsch. Einen Nevil R. Strachey konnte die Polizei ebenfalls nicht ermitteln. Offensichtlich handelte es sich um eine getarnte Botschaft an Nicholsons Agentenführer. Die Ermittler vermuteten, dass Nicholson den russischen Geheimdienst auf diese Weise informieren wollte, dass er nicht die angestrebte Stelle als Leiter einer CIA-Niederlassung im Ausland erhalten hatte, sondern stattdessen eine Position im CIA-Hauptquartier antreten musste. Einen Beweis für diese Interpretation gibt es jedoch nicht.

 

Die zweite kodierte Postkarte

Am 9. Oktober 1996 ging den Überwachern eine weitere Postkarte von Nicholson ins Netz:

Hello Old Friend, I hope it is possible that you will be my guest for a ski holiday this year on 23-24 November. A bit early but it would fit my schedule nicely. I am fine and all is well. Hope you are the same and can accept my invitation.

Best Regards,

Nevil R. Strachey

P.S. The snow should be fine by then.

Die vermutete Bedeutung: Nicholson wollte seine Kontaktperson am 23. und 24. November 1996 in der Schweiz treffen (solche Treffen fanden im Halbjahres-Rhythmus statt). Der Ausdruck “a bit early” könnte darauf anspielen, dass das halbe Jahr seit dem letzten Treffen erst im Dezember abgelaufen gewesen wäre.

Zu diesem Treffen kam es jedoch nicht mehr. Nicholson war gerade auf dem Weg nach Zürich, als man ihn am Flughafen verhaftete.

Zum Weiterlesen: Wie FBI-Codeknacker einen Spion lebenslänglich ins Gefängnis brachten