Ein Leser hat mir von einer dreiteiligen Inschrift berichtet, deren Buchstaben teilweise in auffälliger Form markiert sind. Vermutlich wurde auf diese Weise eine Nachricht in der Inschrift versteckt.

Versteckte Nachrichten wurden schon viele gefunden – zum Beispiel in der Bibel (Bibelcode), in den ägyptischen Pyramiden, in der Mona Lisa oder in den Werken Shakespeares. Meist existieren diese Nachrichten jedoch nur in der Fantasie ihrer Entecker. Wenn wieder einmal ein neuer Code dieser Art “entdeckt” wird, entlockt dies Verschlüsselungsexperten daher meist nur ein Gähnen.

Dies ändert aber nichts daran, dass es auch versteckte Nachrichten gibt, die wirklich existieren. So fand man beispielsweise in einem Kornkreis die Eulersche Identität im ASCII-Code (der unumstößliche Beweis, dass Außerirdische den ASCII-Code kennen) oder in der Originalausgabe von Till Eulenspiegel den kodierten Namen des angeblichen Autors. Solche versteckten Botschaften sind ein Teilbereich der Steganografie.

Vor ein paar Tagen erreichte mich ein weiterer Fall einer versteckten Nachricht. Auf Vermittlung von Prof. Bernhard Esslinger wies mich eine Person auf eine Inschrift hin, deren Buchstaben teilweise markiert sind. Diese Person will anonym bleiben und hat mich gebeten, vorerst nicht zu erwähnen, wo sich die Inschrift befindet.

Die Inschrift hat drei Teile. Hier ist der erste Teil:

Inschrift-1

Der zweite Teil sieht wie folgt aus:

Inschrift-2

Und hier kommt Teil Nummer drei:

Inschrift-3

Bernhard Esslinger hat mich darauf hingewiesen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit so genannte Chronogramme in den drei Inschrift-Teilen vorhanden sind. Ein Chronogramm (oder Eteostichon) ist laut Wikipedia ein Satzteil, ein Satz, ein Sinnspruch oder eine Inschrift, bei der die Summe aller darin vorkommenden Buchstaben, die zugleich römische Zahlensymbole sind (I, V, X, L, C, D, M), eine Jahreszahl angibt.

Im ersten Teil der Inschrift sind folgende Buchstaben markiert: V(5), I(1), C(100), I(1), D(500), I(1), M(1000), L(50), V(5), L(50), I(1), V(5). Zählt man diese Zahlen zusammen ergibt sich; 5 + 1 + 100 + 1 + 500 + 1 + 1000 + 50 + 5 + 50 + 1 + 5 = 1719.

Soll hier also tatsächlich die Jahreszahl 1719 zum Ausdruck gebracht werden? Was ergeben die Chronogramme in den zwei anderen Teilen? Stimmt die Vermutung des Hinweisgebers, dass noch weitere Informationen in der Inschrift versteckt sind? Vielleicht findet ein Leser mehr.

Zum Weiterlesen: Was bedeutet diese Inschrift?

Kommentare (5)

  1. #1 Thomas
    28. Mai 2016

    Oben sind der zweite und der dritte Teil vertauscht; die Stifter werden erst am Ende genannt (hier der Text auch auf Deutsch: https://books.google.de/books?id=JVtZAAAAcAAJ&pg=PA09).

  2. #2 Lercherl
    28. Mai 2016

    Klosterneuburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Klosterneuburg_7393.jpg

    Ich glaube nicht, dass hier noch etwas Besonderes codiert ist, außer mehrmals der Jahreszahl. Der Text sind übliche Anrufungen an die heilige Dreifaltigkeit, die Jungfrau Maria, Huldigung an Kaiser Karl VI. und Dank an die Stifter, den Rat und die Bürger von Klosterneuburg.

    Die Inschrift ist anscheinend fehlerhaft, es sollte immer 1714 sein. Die Hervorhebung des V in CVJVS in der dritten Zeile der ersten Inschrift ist wohl ein Irrtum. In der zweiten Inschrift ist ein I zuviel (SANCTISIDEI), das sollte SANCTIS DEI heißen, dann gibt es Sinn und geht sich auf 1714 aus. In der dritten Inschrift geht das Chronogramm bis zum Anfang der Zeile 2 (DEIPARAE, da sind D und I hervorgehoben). Nach den Regeln der Chronogrammkunst ist das kein Meisterwerk – es gibt bessere Chronogramme. Die Inschrift hat noch zwei Schreibfehler: IMORTALI in Zeile 2 sollte IMMORTALI heißen und statt SVM in Zeile 5 gehört SVVM. Manche dieser Fehler wurden vielleicht erst bei einer Renovierung eingeschleppt.

  3. #3 Thomas
    28. Mai 2016

    Nur ergänzend:

    Das Errichtungsjahr der Pestsäule in Klosterneuburg (1714) ist in den drei Teilen der Inschrift jeweils auf unterschiedliche Weise dargestellt, nach Sortierung der Zahlzeichen ergibt sich:

    1) MDCLLVV(V)IIII
    2) MDCCVIIIIIIIII
    3) MDCLLVVIIII

  4. #4 Klaus Schmeh
    28. Mai 2016

    Wolfgang Wilhelm über Facebook:

    Am besten finde ich Texte, in denen auch etwas Humor heincodiert wurde: “(der unumstößliche Beweis, dass Außerirdische den ASCII-Code kennen)” 😀 (y)

  5. #5 Klaus Schmeh
    29. Mai 2016

    Thomas & Lercherl: Vielen Dank, das klingt plausibel.
    Dass sich die Inschrift im österreichischen Klosterneuburg (auf der Dreifaltigkeitssäule) befindet, kann ich hiermit bestätigen.