Auf meiner Liste ungelöster Verschlüsselungen aus dem Zweiten Weltkrieg befand sich auch eine spanische Enigma-Nachricht. Dank Blog-Leser Michael Hörenberg konnte ich diese nun löschen.

English version (translated with DeepL)

Meine dreiteilige Artikelserie über ungelöste Verschlüsselungen aus dem Zweiten Weltkrieg war für mich ein Erfolg. Dank zahlreicher Leser-Kommentare konnte ich meine anfangs noch recht provisorische Liste ausbauen und verbessern. Bei dieser Gelegenheit löste Cipherbrain-Leser Armin Krauß gleich das Tagebuch des Soldaten Emil Klein, das ich dadurch von der Liste nehmen konnte.

Übrigens will ich demnächst eine ähnliche Liste zum Ersten Weltkrieg erstellen. Wenn jemand einen Tipp hat, …

 

Eine spanische Enigma-Nachricht

Doch zurück zu meiner WW2-Liste. Michael Hörenberg hat nun ebenfalls dafür gesorgt, dass diese geschrumpft ist: Er hat eine spanische Enigma-Nachricht geknackt.

Quelle/Source: Hörenberg

Die besagte Enigma-Nachricht wird in einem auf Spanisch verfassten Artikel von José Ramón Soler beschrieben, der 2019 in der Zeitung “Diario de Ibiza” erschienen ist. Der Artikel berichtet über Manuel Espinosa Rodríguez, einen Geheimdienst-Offizier, der im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) auf der Seite von Francisco Franco kämpfte. Er organisierte  einen bedeutenden Spionagering, der insbesondere Informationen über Schiffe lieferte, die den Kriegsgegner (die “Republikaner”) versorgten und die dadurch gekapert oder zerstört werden konnten. Auch im Zweiten Weltkrieg blieb Rodríguez in seinem Amt.

Franco kooperierte mit Nazi-Deutschland und mit Italien, wodurch Rodríguez in diesen Ländern zu tun hatte. Im Artikel wird der folgende undatierte Enigma-Funkpruch gezeigt, den vermutlich ein spanischer Marine-Attaché aus Italien empfangen hatte:

Quelle/Source; Archivo j. r. s.

Leider ist mir nicht klar, wann diese Nachricht verschickt wurde und welchen Bezug sie zu Espinosa hatte. Vielleicht kann ein Leser mehr dazu sagen.

 

Wie Michael Hörenberg die Nachricht knackte

Michael Hörenberg hat diese Enigma-Nachricht gelöst. Der folgende Klartext kam dabei zum Vorschein:

RADIOSDEBENREGRESARAZZESPANAZZTANPRONTOLESSEAPOSIBLEXCONTESTOSURADIOKKQQTKKDEDIEZACTUALXXX

Michael hat mir dankenswerterweise den folgenden Bericht über die Dechiffierung zur Verfügung gestellt:

Ich kannte die Nachricht aus dem Artikel der spanischen Zeitung schon länger, hatte mich jedoch aufgrund der fehlenden Informationen zu den Maschinen nie richtig dafür interessiert. Nach Deinem Blog über die Nachricht habe ich dann aber doch mal angefangen zu recherchieren und bin auf den großartigen Artikel von Frode Weierud über die spanischen Enigma-Maschinen gestoßen.

Quelle/Source: Weierud

Das Einlesen fiel mir bei der Fülle an Information etwas schwer. Was ich aber sofort realisiert habe war, dass die Maschinen kein Steckerbrett haben. Das machte die Sache natürlich interessant, weil dies den Aufwand der Schlüsselsuche erheblich vereinfachen würde. Leider war dem Artikel zu entnehmen, dass es sehr viele unterschiedliche Rotorverdrahtungen gegeben haben musste, von denen nur die wenigsten bekannt sind.

Unter dem Bild der Enigma-Nachricht im spanischen Artikel stand jedoch die Information, das die Nachricht wohl beim spanischen Marine-Attaché empfangen wurde („Naval Attaché“). Im PDF-File über die spanischen Maschinen fand sich auf der Seite 24 (Abbildung 17), wo es um die verschiedenen Rotorverdrahtungen ging, der Hinweis das die Maschinen mit den Seriennummern A1252, K240 und K261 wohl beim spanischen Marine-Attaché eingesetzt waren. Des Weiteren ist in einer Fußnote zu lesen, dass die italienische Marine wohl die gleichen Maschinen und Rotoren eingesetzt haben. Die Italiener benutzten jedoch sechs Rotoren, die Spanier wohl nur drei. Und nur die Verdrahtung der drei spanischen Rotoren ist bekannt.

So wie ich das verstanden habe, kooperierte die Marine des Franco-Regimes im Bürgerkrieg mit den Italienern, um die Frachtschiffe der „Republikaner“ aufzubringen, um die Fracht zu stehlen. Die Aufgabe des „Spions“ Manuel Espinosa Rodríguez, um den es in dem Artikel geht, war es, ein Spionagenetzwerk (Informationsdienst) aufzubauen. Dieses sollte sich mit dem Auskundschaften der Auslauftermine und der Fracht republikanischer Schiffe auf dem Balkan beschäftigen.

Nachdem ich mir die Nachricht genauer angeschaut hatte, meinte ich unter der Nachricht spanischen Klartext zu sehen. Ein Blogleser Namens „Me“ hat dann für die Übersetzung gesorgt.

[ESP] “Radios deben regresar a España tan pronto les sea posible. Contesto su radio QQT de diez actual”.

[ENG] “Radios must return to Spain as quickly as possible. I answer your radio QQT at ten today”.

Blogleser Max Baertl steuerte noch weitere Infos bei. Zum Beispiel, dass QQT für 115 stehen könnte und das die Nachricht wohl aufgrund der Kenngruppe „LRS10“ von der Italienischen Marine stammte. Dies machte auch Sinn, da laut Frode Weieruds Artikel die beiden Länder wohl gleiche Enigmas bekommen hatten.

Nachdem ich alle Informationen beisammenhatte, habe ich meinen Enigma G Simulator (Hillclimber) auf die Funktion der spanischen Maschine umprogrammiert. Hillclimbing ist hier aber nicht nötig, da es kein Steckerbrett gibt. Im Endeffekt geht es um das Durchsuchen aller Rotorstellungen.

Zusätzlich kann ich in meinem Programm noch Schlüsselwörter angeben nach denen gesucht werden soll. Dies vereinfachte die ganze Sache, da ich keine spanischen Bi- und Trigramme benötigte, um die richtige Stelle zu finden. Der Koinzidenzindex bringt hier nicht viel, da die Nachricht zu kurz ist und auch sinnlose Lösungen einen hohen IC haben. Schlüsselwörter gab es ja genug durch den spanischen Klartext unter der Nachricht.

Mit dem Auffinden des Schlüssels konnte gezeigt werden, das die Nachricht wirklich auf einer spanischen Enigma chiffriert wurde und zwar mit der Rotorverdrahtung, die schon in Frode Weieruds Aufsatz angegeben wurde. Die Nachricht hat glücklicherweise keine Weiterschaltung des langsamen Rotors, so dass eine Suche nur mit dem „schnellen“ Ring der rechten Walze schnell zum Erfolg führte.

Der gefundene Schlüssel bei der Rotorreihenfolge 213 ist nur einer von vielen, da es aufgrund der verdrehbaren 4 Ringe hunderte Kombinationsmöglichkeiten gibt. Die spanischen Enigma-Maschinen haben eine einstellbare Umkehrwalze, die wie ein Rotor gedreht werden kann und deren Position Teil des Schlüssels ist. Die UKW wird aber anders als bei der Enigma G nicht vom benachbarten Rotor weitergeschalten.

Der gefundene Schlüssel lautet:

************************************************************************************************

13.02.2021 18:53:27  RESULT No 23 FOUND KEYWORD!!! @:

************************************************************************************************

U U213 WYAO AAAH

IOC:0,05917603  N-Gramm Scoring:0  Plugs:0 Time: 1060,63 s / 18 m

RADIOSDEBENREGRESARAZZESPANAZZTANPRONTOLESSEAPOSIBLEXCONTESTOSURADIOKKQQTKKDEDIEZACTUALXXX

************************************************************************************************

Rotorreihenfolge: U213 (U ist Umkehrwalze)
Rotorstellung: WYAO
Ringstellung: AAAH

Der Schlüssel wurde nach 18 Minuten gefunden.

Die Verdrahtung der Rotoren kann diesem Bild entnommen werden:

Quelle/Source: https://cryptocellar.org/pubs/EnigmaInSpain.pdf

Laut dem Artikel über die spanischen Enigmas, machten die Spanier viele Fehler bei der Benutzung der Enigma. Daraufhin deutet auch die Aussage der Codeknacker aus Bletchley Park: “The problem of the Spanish Attachés was highly entertaining throughout, providing an excellent example of how a cypher machine should not be used.” (Seite 17 unten).

Die Schlüsselelemente wurden viel zu selten gewechselt und es wurden topografische Namen als Rotorstellung gewählt, wie im folgenden Bild zu sehen. Da kann natürlich auch viel erraten werden.

Quelle: https://cryptocellar.org/pubs/EnigmaInSpain.pdf

 

Fazit

Ich kann Michael Hörenberg zu diesem Erfolg nur gratulieren. Dank auch an Me, Max Baertl und Frode Weierud für ihre Beiträge.

Interessant fände ich noch zu wissen, was der entschlüsselte Funkspruch bedeutet. Auf Englisch übersetzt lautet er: “Radios must return to Spain as quickly as possible. I answer your radio QQT at ten today”. Sollen irgendwelche Funkgeräte zurück nach Spanien gebracht werden? Oder sind Funksprüche gemeint? Vielleicht kann ein Leser etwas dazu sagen.


Further reading: Funktioniert der britische Kriegsgefangenen-Code? Ein Selbstversuch

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Kommentare (2)

  1. #1 Michael BGNC
    Lake Constance
    17. Februar 2021

    It’s funny how DeepL translates UKW (Umkehrwalze/reversing drum) to VHF (Very High Frequency). UKW in German also means “Ultra Kurzwelle – UKW”. This is the same as FM broadcasting in English or VHF.

  2. #2 Klaus Schmeh
    17. Februar 2021

    @Michael: I have changed VHF to UKW now. Sorry for the bad DeepL translation.