Zu den fünf kryptolgischen “Cold Cases”, die ich vorgestern vorgestellt habe, gehörte auch die Pigpen-Verschlüsselung des französischen Künstlers Guy de Cointet. Blog-Leser Rossignol hat sie gelöst.
English version (translated with DeepL)
Meine Blog-Leser waren mal wieder sehr schnell. Am Samstag stellte ich auf Cipherbrain fünf ungelöste verschlüsselte Botschaften vor, die meiner Einschätzung nach lösbar waren. Beim ICCH-Webinar, das am Abend stattfand, wollte ich diese “Cold Cases” kurz mit den teilnehmenden Personen diskutieren. Das hat auch funktioniert. Allerdings waren zwei der fünf Fälle bereits keine Cold Cases mehr, als die Diskussion stattfand.
Doch der Reihe nach. Um 10:25 Uhr veröffentlichte ich meinen Cold-Case-Artikel auf Cipherbrain. Um 14:51 Uhr präsentierte Blog-Leser Gerd die Lösung zu einem der fünf Kryptogramme (es handelte sich um ein Steganografierätsel aus dem Zweiten Weltkrieg). Auch P. Herden und dku trugen zur Dechiffrierung bei. In den nächsten Tagen werde ich näher auf diese Sache eingehen.
Um 18:00 begann das ICCH-Webinar. Um 18:05 Uhr verkündete Blog-Leser Rossignol die Lösung zu einem weiteren der fünf Fälle. Es ging um die Pigpen-Verschlüsselung des Künstlers Guy de Cointet. Als um etwa 18:30 Uhr mein Zeitfenster im Webinar begann, stellte ich kurz die fünf “Cold Cases” vor und sagte, einer davon sei bereits gelöst. Dass es bereits zwei waren, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.
Guy de Cointets Pigpen-Kryptogramm
Der besagte Guy de Cointet (1934–1983) war ein französischer Künstler, der in Kalifornien lebte. 1972 schuf er ein knapp 40-seitiges Buch mit dem Titel “A Captain from Portugal” (alle Seiten gibt es hier). Darin findet sich auf jeder Seite eine Zeichnung. Text im üblichen Sinne enthält das Buch dagegen nicht. Die meisten Seiten sehen etwa so aus:
Es könnte sich bei desen Mustern um verschlüsselte Nachrichten handeln, doch Genaueres ist mir nicht bekannt. Besonders auffällig fand ich folgende Seite, die stark nach einer Pigpen-Verschlüsselung aussieht:
Eine Pigpen-Verschlüsselung ist zwar in vielen Fällen nicht allzu schwer zu knacken, doch diese erwies sich als harte Nuss. Dies lag unter anderem daran, dass keine Wortzwischenräume erkennbar sind.
Blog-Leser Rossignol aus Paris, der auf Cipherbrain schon öfters mit äußerst kompetenten Beiträgen aufgefallen ist, ließ sich davon nicht abschrecken und nahm sich das Kryptogramm seines Landsmanns de Cointet vor. Ich nehme an, er führte eine Häufigkeitsanalyse durch und versuchte das Ergebnis mit der französischen Sprache in Einklang zu bringen. Das funktionierte.
Rossignol ermittelte folgende Pigpen-Variante:
Man beachte, dass ein Pigpen-Zeichen (drittes Quadrat, unten links) für das Leerzeichen steht. Dies ist unüblich. Als zusätzliche Schwierigkeit erwies sich, dass die einzelnen Zeilen im Kryptogramm von rechts nach links geschrieben sind. Hier ist der Roh-Klartext:
TRUEH IA J OV ZEVAS E ORCNI D SU OCF SELBAY ALEM SEDIR ELF XUA TN EY SED SIU TEAP ED XU EP A SEREH MMOH D XUA
Liest man dies von rechts nach links, dann ergibt sich:
J AI HEURTE SAVEZ VOUS D INCROYABLES FCORIDES MELANT AUX FLEUIS DES YEUX DE PAETHERES A PEAUX D HOMM
Durch fehlende Punkte sind drei Fehler in das Kryptogramm geraten (C->L, I->R, E->N). Korrigiert lautet der Klartext wie folgt:
J AI HEURTE SAVEZ VOUS D INCROYABLES FLORIDES MELANT AUX FLEURS DES YEUX DE PANTHERES A PEAUX D HOMM
Es handelt sich hierbei um den Anfang der zwölften Strophe des Gedichts “Le Bateu ivre” von Arthur Rimbaud (1854-1891):
J’ai heurté, savez-vous, d’incroyables Florides
Mêlant aux fleurs des yeux des panthères à peaux
D’hommes ! Des arcs-en-ciel tendus comme des brides
Sous l’horizon des mers, à de glauques troupeaux !
Herzlichen Glückwunsch an Rossignol für diesen Erfolg!
Man kann das Kryptogramm übrigens aus einfacher entschlüsseln: Wenn man die Grafik spiegelt, dann ist der Text von links nach rechts lesbar. Auch die Pigpen-Tabelle wird dann einfacher, den aus CBA wird ABC, aus FED wird DEF und so weiter. Ob der Künstler den Text selbst gespiegelt hat oder ob es der Fotograf war, ist mir leider nicht bekannt.
Weitere Rätsel aus diesem Buch
Das Buch “A Captain from Portugal” von Guy de Cointet hat noch mehr Rätsel zu bieten. Auffällig ist beispielsweise folgende Zeichnung (sie ist die einzige im ganzen Buch, die nicht aus geometrischen Symbolen besteht):
Zu dieser Zeichnung gibt es zwar keinen Text, doch wer sich ein kleines bisschen in der Geschichte der Mathematik auskennt, erkennt woher dieses Bild stammt. Die Aufgabe besteht darin, einen Weg zu finden, der genau einmal über jede der sieben Brücken führt. Findet ein Leser einen solchen Weg? Gibt es überhaupt einen? Falls es solche Wege gibt, gibt es auch einen, bei dem der Anfangspunkt auch der Endpunkt ist?
Hier ist eine weitere Zeichnung aus “A Captain from Portugal”:
Ob es hierzu eine Rätselfrage gibt, ist mir nicht bekannt. Weiß ein Leser mehr?
Und schließlich enthält das Buch weitere mögliche verschlüsselte Botschaften. Das folgende könnte eine sein:
Kann ein Leser dieses Kryptogramm lösen? Ist es überhaupt ein verschlüsselter Text?
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Further reading: Codex Seraphinianus: grotesk und wunderschön
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