Die Software-Entwicklerin Therese Clare Terry verschwand 1990 spurlos und wurde später für tot erklärt. Der Hauptverdächtige fertigte eine Notiz an, auf der unter anderem Schachzüge zu erkennen sind. Lässt sich diese Botschaft entschlüsseln, und kann man auf diese Weise die Leiche finden?
English version (translated with DeepL)
Zu den schönen Dingen im Leben eines Krypto-Bloggers gehört, dass man immer wieder Überraschungen erlebt. Letzte Woche war dies mal wieder der Fall, als ich – Google sei Dank – auf eine Geschichte stieß, die äußerst spannend und geradezu prädestiniert für Cipherbrain ist. Erstaunlich finde ich, dass diese Begebenheit in der mir bekannten Krypto-Literatur und auf den mir bekannten Webseiten mit keiner Silbe erwähnt wird. Man erlebt eben immer wieder Überraschungen.
Der Mordfall Therese Clare Terry
Die besagte Geschichte dreht sich um die britische Software-Entwicklerin Therese Clare Terry. Die damals 43-jährige Frau war 1990 in Irland unterwegs, wo sie am 19. Januar zum letzten Mal gesehen wurde. Danach verschwand sie spurlos. Die Umstände sprechen dafür, dass sie einem Verbrechen zum Opfer fiel. 1995 wurde Terry for tot erklärt. Weitere Informationen gibt es in einem Zeitungsartikel zu diesem Fall.
Schnell geriet der ebenfalls in der Computerbranche arbeitende Colin English in Verdacht, Terry umgebracht zuhaben. Die Polizei nahm ihn fest, er musste 18 Monate in Untersuchungshaft verbringen. Am Ende reichten die Beweise gegen English jedoch nicht aus, um ihn zu überführen. Der Fall Terry ist bis heute ungeklärt, und die Leiche wurde nie gefunden.
Das Terry-Kryptogramm
Interessant für Cipherbrain ist der Fall Terry, weil Colin English während seiner Untersuchungshaft einen möglicherweise verschlüsselten Zettel an die Polizei übergab. Die Bedeutung dieser Botschaft ist bis heute so ungeklärt wie das Verbrechen selbst:
Halbwegs klar ist immerhin, das die folgenden Zeilen für Wochentage (Saturday, Sunday, …) stehen:
Vermutlich beginnt die Reihe mit dem 13. Januar 1990 (einem Samstag) und läuft bis zum Mittwoch, dem 24. Januar. Leider sind den einzelnen Tagen keine weiteren Informationen zugeordnet.
Der folgende Teil des Kryptogramms dürfte etwas mit Schach zu tun haben (BK und BQ stehen vermutlich für “Black King” und “Black Queen”):
Die Interpretation eines Schachspielers
Die Polizei beschloss naheliegenderweise, einen Schachexperten um Rat zu fragen. Die Wahl fiel auf den britischen Schachspieler und -journalisten Raymond Keene. Dieser berichtete 20 Jahre später für die Zeitung “The Article” über diesen Fall. Über diesen Artikel bin ich auf den Fall Terry und das Kryptogramm gestoßen.
Tatsächlich konnte Keene aus dem oben gezeigten Ausschnitt einige Schachzüge herauslesen. Alle diese Züge wurden von Schwarz ausgeführt. Standen die schwarzen Figuren für den Täter und die weißen für die Polizei? Laut Keene führte Schwarz den ersten Zug aus, was zwar nicht den Regeln entspricht, aber in diesem Zusammenhang Sinn ergibt.
Außerdem vermutete Keene, dass der Fleck auf der rechten Seite das britische Festland darstellt, während der durchgestrichene Fleck auf der linken Seite Irland sein soll. Das große Gebilde in der Mitte steht demnach für Südirland, wo sich der Fall abspielte.
Keene zog noch einige weitere Schlussfolgerungen aus dem Kryptogramm, die man in seinem Artikel nachlesen kann. Leider kam am Ende nichts Zählbares heraus. Insbesondere fand man Terrys Leiche auch nach den vermeintlichen Entschlüsselungen nicht.
Ein verschlüsselter Text oder eine Finte?
Keene musste für seine Interpretationen des Kryptogramms auch Kritik einstecken. Ein Schach-Blogger beispielsweise bezeichnete die diversen Schlussfolgerungen als PR-Aktion Keenes, der in die Notiz genau das hineininterpretiert habe, was man über den Fall wusste.
Der tatverdächtige Colin English gab später an, das Kryptogramm sei bedeutungslos und sollte lediglich die Polizei in die Irre führen. Das ist einerseits glaubwürdig. Andererseits könnte die Notiz dennoch entschlüsselbar sein, und vielleicht enthält sie sogar tatrelevante Informationen. English wäre jedenfalls nicht der erste Täter, der eine Befriedigung daraus zieht, gegenüber der Polizei mit dem Feuer zu spielen.
Spannend finde ich die Geschichte um das Verschwinden von Therese Clare Terry allemal. Kann sich ein Leser einen Reim auf das Terry-Kryptogramm machen? Oder handelt es sich tatsächlich nur um eine Finte, die sich ein Computer-Experte hat einfallen lassen, um die Polizei zum Narren zu halten? Kommentare nehme ich gerne entgegen.
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Further reading: Tony Gaffney has broken the encrypted diary of a pedophile priest
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