Gibt es ein Leben nach dem Tod? Es gab bereits mehrere Versuche, diese Frage mithilfe der Kryptologie zu beantworten. Eine kürzlich erschienene Forschungsarbeit liefert neue Informationen zu diesem Thema.
English version (translated with DeepL)
Zunächst einmal möchte ich erwähnen, dass mein gestriger Online-Vortrag “Ciphers and Crime” (ich habe ihn zusammen mit Elonka Dunin gehalten) im ICCH-Forum ein voller Erfolg war. Wie immer, waren auch zahlreiche Cipherbrain-Leser dabei. Elonka und ich bekamen Unterstützung von Nick “Mr. Ciphermysteries” Pelling und Gary “Mr. Gangcode” Klivans, die ich beide schon öfters auf diesem Blog erwähnt habe.
Unter anderem ging es in der Präsentation um den Somerton-Mann, Ricky McCormick, die RAF und um die Frage, ob es in Verschlüsselungsprogrammen Hintertüren für die Polizei geben sollte. Nach dem Vortrag gab es eine lebhafte Diskussion.
Ich freue mich schon auf den 24. Juli 2021, wenn Cipherbrain-Leser Bill Briere im ICCH-Forum zum Thema “Good Vibrations: Surf, Sex, and Spies” referieren wird (den Einwahl-Link verschicke ich gerne auf Anfrage). Worum es geht, wollte Bill gestern noch nicht verraten. Vorher, am 10. Juli 2021, gibt es einen ICCH-Vortrag von Anastasios Pingios über die griechische Verschlüsselungsmaschine DE-59. Auch diesen werde ich mir nicht entgehen lassen.
Und dann möchte ich noch erwähnen, dass seit Mittwoch dieser Woche die neue britische 50-Pfund-Banknote mit dem Konterfei von Alan Turing im Umlauf ist, über die ich bereits mehrfach gebloggt habe (danke an Ralf Bülow für den Hinweis). Im Hintergrund des Motivs ist die als “Turing-Bombe” bezeichnete Enigma-Knackmaschine zu sehen. Kryptografie auf einem Geldschein hat es meines Wissens noch nie gegeben.
Quelle/Source: Bank of England
Kryptografie und Parapsychologie
Jetzt aber zum eigentlichen Thema. Wie langjährige Cipherbrain-Leser sicherlich wissen, gibt es interessante Berührungspunkte zwischen der Kryptologie und der Parapsychologie. Am bekanntesten ist sicherlich das Experiment des britischen Psychologen Robert Thouless (1894-1984) aus dem Jahr 1948, das folgenden Ablauf hatte: Thouless verschlüsselte eine Nachricht in einer Form, die seiner Meinung nach nicht zu knacken war, und kündigte an, nach seinem Tod – sofern möglich – den Schlüssel aus dem Jenseits zu übermitteln. Sollte jemand diesen Schlüssel empfangen und wäre er damit in der Lage, den Text zu entschlüsseln, so wäre bewiesen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und dass Tote mit Lebenden kommunizieren können. Eine der größten Sensationen der Wissenschaftsgeschichte wäre perfekt.
Thouless veröffentlichte zunächst zwei Nachrichten dieser Art (die zweite aus Redundanzgründen). Als eine der Nachrichten geknackt wurde, reichte er eine dritte nach. Als Thouless 1984 starb, nahm er somit zwei verschlüsselte Nachrichten ins Grab.
Leider meldete sich nie jemand, der den passenden Schlüssel aus dem Reich der Toten empfangen hatte (falschen Alarm gab es dagegen öfters). Der Beweis für ein Leben nach dem Tod konnte also nicht erbracht werden. Dafür gelang es 1996 dem späteren Cipherbrain-Leser Jim Gillogly, eine der Nachrichten zu lösen – ohne Hilfe aus dem Jenseits. 2019 knackte Richard Bean – auch er ein Cipherbrain-Leser – das noch verbleibende Thouless-Kryptogramm, wobei er ebenfalls ausschließlich diesseitige Methoden einsetzte. Damit war Thouless’ Experiment nach gut 70 Jahren beendet.
Dafür laufen einige weitere Experimente dieser Art nach wie vor. So veröffentlichte 1950 auch der Brite T.E. Wood eine verschlüsselte Nachricht, die seit seinem Tod auf ihre Entschlüsselung wartet. Weder parapsychologische Medien noch Codeknacker waren bisher erfolgreich.
Und dann gibt es noch ein ähnliches Vorhaben, das ich selbst gestartet habe. Ich habe einen Text verschlüsselt und habe mir vorgenommen, den zugehörigen Schlüssel nach meinem Ableben ins Diesseits zu übermitteln. Ich hoffe natürlich, dass die entscheidende Phase dieses Experiments erst in einigen Jahrzehnten beginnen wird. Im Gegensatz zu Thouless und Wood habe ich ein Computer-basiertes Verschlüsselungsverfahren (den AES) verwendet. Es dürfte schwierig werden, meine Nachricht mit diesseitigen Mitteln zu knacken.
Das Experiment von Arthur Berger
Vor einigen Wochen kontaktierte mich die griechische Physikerin Fotini Pallikari wegen einer Forschungsarbeit, die sie gerade schrieb. Diese Arbeit ist nun unter dem Titel “Angelos Tanagras – An Experiment to Test Survival” im “Journal for Anomalistics” erschienen und online abrufbar. Ich werde darin erwähnt und zitiert, was mich natürlich freut.
In Pallikaris Arbeit wird ein Experiment des Thouless-Typs erwähnt, das ich bisher noch nicht kannte. Es wurde von einem Arthur Berger durchgeführt, dessen Name mir leider nichts sagt. Wie alle, die ein solches Experiment starteten, musste sich auch Berger überlegen, welches Verschlüsselungsverfahren er verwendete. Wie erwähnt, ist Robert Thouless in dieser Aufgabe gescheitert – alle drei Nachrichten (sie waren mit unterschiedlichen Methoden verschlüsselt) wurden geknackt.
Berger entschied sich für eine Art Buch-Chiffre. As Basis diente ein Wörterbuch, das (anders als bei Buch-Chiffren üblich) nicht geheim gehalten werden musste. Geheim war jedoch das Wort, das Berger aus diesem Wörterbuch auswählte. Dieses Wort war der Schlüssel, den er aus dem Jenseits übermitteln wollte.
Nehmen wir an, Berger entschied sich für das Wort ROTTWEIL und nehmen wir an, der gewählte Eintrag im Wörterbuch laute wie folgt:
ROTTWEIL: Stadt in Baden-Württemberg
Nun nummerierte man die Buchstaben dieses Eintrags: R:1, O:2, T:3, T:4, W:5, E:6, I:7, L:8, S:9, T:10, A:11, D:12, T:13 und so weiter. Die draus resultierende Tabelle nutzt man zur Verschlüsselung. Den Klarext TEST kann man in diesem Fall beispielsweise in 3,6,9,10 verschlüsseln. Eine andere Möglichkeit wäre 13,6,9,4.
Wenn Berger also aus dem Jenseits das Wort ROTTWEIL übermitteln sollte, dann lässt sich der von ihm veröffentlichte verschlüsselte Text korrekt entschlüsseln, und der Beweis ist erbracht. Nutzt man dagegen ein falsches Wort zur Entschlüsselung, dann ergibt sich nur Kauderwelsch.
Leider geht Pallikari in ihrer Arbeit nur am Rande auf das Berger-Experiment ein. Welches Wörterbuch Berger nutzte und wie der verschlüsselte Text lautete, wird nicht erwähnt. Diese Informationen gibt es in der Literaturquelle “Berger, A.S. (1990). Tests for communication with the dead. In G. Doore (Ed.), What survives? (pp. 51–60). Tarcher.”, die ich leider nicht vorliegen habe. Kann ein Leser hier weiterhelfen?
Das Experiment von Tanagras
Wie aus dem Titel ersichtlich, geht es in der Arbeit von Pallikari hauptsächlich um ein Experiment des Griechen Angelos Tanagras (1875–1971). Im Gegensatz zu Thouless hinterließ dieser jedoch keinen verschlüsselten Text, dessen Schlüssel er nach seinem Tod übermitteln wollte. Stattdessen kündigte er an, nach seinem Tod verschiedene Aktionen durchzuführen, falls ihm dies möglich sein sollte. Beispielsweise wollte er genau ein Jahr nach seinem Tod das Kreuz im Berliner Dom umkippen.
Welche Aktionen er im einzelnen plante, kündigte Tanagras in sechs versiegelten Schreiben an, die jeweils erst geöffnet werden sollten, wenn nach seinem Tod eine bestimmte Anzahl von Tagen vergangen war. Die Fristen hatte er so gewählt, dass das zugehörige Schreiben immer erst nach der geplanten Aktion geöffnet wurde. Dadurch wollte er beispielsweise verhindern, dass jemand anderer das Kreuz im Berliner Dom umkippte.
Offensichtlich befürchtete Tanagras jedoch, dass es mit parapsychologischen Methoden möglich war, die versiegelten Schreiben schon vor ihrer Öffnung zu lesen. Daher verschlüsselte er die entscheidenden Passagen – in der Hoffnung, dass ein etwaiger Hellseher nicht auch noch ein versierter Codeknacker war. Den Schlüssel hinterlegte er an anderer Stelle und ging davon aus, dass es auf parapsychologischem Weg nicht so einfach möglich war, neben der jeweiligen Nachricht auch noch den Schlüssel in Erfahrung zu bringen.
Der folgende Scan aus der Arbeit von Pallikari zeigt eines der versiegelten Schreiben:
Und hier ist der Schlüssel, den Tanagras für alle sechs Schreiben verwendete:
Leider war auch Tanagras’ Experiment nicht erfolgreich. Die von ihm angekündigten Aktionen fanden nach seinem Tod nicht statt. Auch im Berliner Dom kippte kein Kreuz um. Die Frage, ob ein Hellseher an einen Text in einem versiegelten Umschlag herankommt, erwies sich daher als nicht relevant. Aber immerhin lieferte Tanagras einen interessanten Beitrag zur Geschichte der Parapsychologie und der Kryptologie, der bisher in der kryptologischen Fachliteratur nicht gewürdigt wurde. Vielen Dank an Fotini Pallikari, dass sie diese Episode in ihrer Forschungsarbeit aufgegriffen hat.
Pallikaris Arbeit schließt mit folgender Bemerkung:
The “survival confirming” testimonies and the corresponding experimental evidence that refutes it leave a small space for sending a coded message to the beyond, in the coding style of Tanagras that the other deceased spiritualists should also understand: 97-27-84-69/3-97-1-35/4-1-22-3/4-1-5-27-84-97-1-25-77/95-3/97-1-25-0-77-1.
Kann ein Leser diese Nachricht entschlüsseln?
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Further reading: Three crypto challenges created by master codebreaker Jim Gillogly
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