Der Schriftsteller Rudyard Kipling hat nach eigenen Angaben in einem seiner Romane eine kodierte Nachricht versteckt. Leider weiß man bisher noch nicht einmal genau, wonach man suchen muss.
English version (translated with DeepL)
Schriftsteller mit einem Interesse an Kryptologie gab und gibt es viele. Am bekanntesten in dieser Hinsicht ist zweifellos Edgar Allan Poe, dessen Kurzgeschichte “Der Goldkäfer” als populärster literarischer Text mit Krypto-Bezug gelten kann.
Rudyard Kipling
Weniger bekannt ist, dass auch Literatur-Nobelpreisträger Rudyard Kipling (1865-1936) ein Faible für die Kryptologie hatte. Das wusste ich bis vor Kurzem nicht, obwohl ich schon einmal über ein Kryptogramm des “Dschungelbuch”-Schöpfers gebloggt habe. Es ging dabei um die Erzählung “How the First Letter was Written”, ein Spätwerk Kiplings aus dem Jahr 1926.
“How the First Letter was Written” handelt von Höhlenmenschen. Der titelgebende Brief wird von einem Mädchen namens Taffimai Metallumai an ihre Mutter geschrieben. Auf einem Elefanten-Stoßzahn, so die Erzählung, wurde diese Geschichte für die Nachwelt festgehalten. Kryptologisch Interessant an dieser Geschichte ist ein Bild dieses Stoßzahns, das Kipling in seiner Erzählung mitliefert:
Die Symbole links und rechts des Bilds stellen eine verschlüsselte Nachricht dar. Diese ist nicht schwer zu dechiffrieren. Die ersten neun Buchstaben oben links lauten: THIS IS THE. Wenn man weiß, dass der Pfeil nach oben für ein T steht und das E wie ein M aussieht, kann man den Klartext leicht erkennen.
Der Artikel von Roger J. Morgan
In der Fachzeitschrift Cryptologia ist vor ein paar Tagen ein Artikel erschienen, der genauer auf die kryptologischen Aktivitäten Kiplings eingeht (danke an Elonka Dunin für den Hinweis). Meines Wissens handelt es sich um die erste Arbeit, das dieses Thema behandelt. Autor ist der Brite Roger J. Morgan (Jahrgang 1948), der mir bisher nicht bekannt war.
In seinem Artikel stellt Morgan insgesamt acht Stellen im Schaffen von Kipling vor, die einen Bezug zur Kryptologie haben. Die besagte Kurzgeschichte “How the First Letter was Written” ist auch dabei. Auf eine weitere spannende Sache werde ich voraussichtlich in den nächsten Tagen eingehen.
Das “Rewards and Fairies”-Kryptogramm
Der Hauptteil von Morgans Artikel ist dem Buch “Rewards and Fairies” gewidmet, das Kipling 1910 vollendete. Es ist das 29. Buch, das Kipling schrieb, und gehört heute zu seinen weniger bekannten Werken.
Morgan zitiert zwei von Kipling verfasste Texte, in denen es heißt, dass in “Rewards and Fairies” ein Kryptogramm versteckt sei. Mit anderen Worten: Irgendwo in diesem Buch ist eine geheime Nachricht kodiert. Sollte dies zutreffen, dann wäre dies ein Beispiel für Steganografie.
Genauere Angaben zu seinem Kryptogramm machte Kipling anscheinend nicht. Und wie es aussieht, haben bisher noch nicht allzu viele danach gesucht. Zwei angebliche Lösungen wurden dennoch bereits veröffentlicht. Beide nehmen irgendwelche Wörter oder Buchstaben aus dem Text und ändern deren Reihenfolge, woraufhin eine Nachricht entsteht. Das Ergebnis ist aber in beiden Fällen nicht überzeugend.
Morgan hat natürlich auch selbst ausführlich nach der versteckten Botschaft in “Rewards and Fairies” gesucht – ohne Erfolg. Leider ist nicht so recht klar, wonach man überhaupt suchen muss. Es ist möglich, dass sich die Botschaft aus dem Text selbst lesen lässt. Dieser ist bei Projekt Gutenberg online verfügbar (leider aus Deutschland aber momentan nicht abrufbar).
Denkbar ist aber auch, dass nicht der Text, sondern die Art, wie er gedruckt ist, die Nachricht kodiert. Falls dies so sein sollte, könnte man mit dem Gutenberg-Text nicht viel anfangen. Morgan hat sich daher die Original-Ausgabe von “How the First Letter was Written” besorgt. Seine Suche hatte aber auch dort keinen Erfolg.
Laut Morgan wusste Kipling von Elizabeth Wells Gallup, die damals meinte, geheime Botschaften in den Werken von Shakespeare gefunden zu haben, die belegen, dass Francis Bacon der wahre Autor war. Diese Theorie ist längst widerlegt, aber unbestritten ist, dass Francis Bacon tatsächlich eine Kodierungsmethode erfand. Diese bezeichnet man als Bacon-Chiffre. Sie ermöglicht es, mit kursiven und nichtkursiven Buchstaben (oder auf ähnliche Weise) jede beliebige Botschaft zu kodieren. Die folgende Abbildung zeigt dies:
Morgan hält es für denkbar, dass Kipling die Bacon-Chiffre für sein Kryptogramm in “How the First Letter was Written” verwendet hat. Sollte das so sein, dann würde die Textversion des Buchs im Projekt Gutenberg wenig helfen, um die Botschaft zu finden – man bräuchte schon den Originaldruck.
Allerdings ist völlig offen, ob Kipling tatsächlich die Bacon-Chiffre verwendet hat. Auch ein textbasiertes Verfahren – beispielsweise ein Akrostichon – wäre möglich.
Wenn ein Leser eine Idee hat, wie und was Kipling in seinem Buch versteckt hat, würde mich das sehr interessieren. Ich bin sicher, Roger J. Morgan ist ebenfalls für jeden Hinweis dankbar.
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Further reading: Die verschlüsselten Briefe von Goethe, Carroll und Tolkien
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