Aus dem Jahr 1910 ist die Beschreibung einer Verschlüsselungsmaschine überliefert, die der Schweizer Flugpionier Alexander Liwentaal gebaut hat. Können meine Leser dabei helfen, mehr zu diesem Gerät herauszufinden?

English version (translated with DeepL)

Bevor es um das eigentliche Thema geht, möchte ich erwähnen, dass es Blog-Leser Thomas Bosbach gelungen ist, die Bedeutung des Begriffs “San Felipe” in der verschlüsselten Depesche aus dem Jahr 1812 herauszufinden, über die ich kürzlich gebloggt habe. San Felipe ist demnach der frühere Name der Stadt Xativa in der Provinz Valencia.

Karsten Hansky, der Besitzer der Depesche, hat daraufhin dankenswerterweise seine (äußerst ausführliche Arbeit) über dieses Schreiben aktualisiert. Es gibt sie auf Deutsch und auf Englisch. Im besagten Blog-Artikel habe ich die Links auf Karstens Arbeit entsprechend geändert. Ich bin wieder einmal stolz, dass mein Blog als Plattform für interessante Forschung gedient hat.

Die von Kipling erwähnte Verschlüsselungsmaschine

Kommen wir zu einem anderen Blog-Artikel, den ich vor ein paar Tagen veröffentlicht habe. Am 2. Juli 2021 habe ich über den Schriftsteller Rudyard Kipling und sein Faible für Kryptologie gebloggt. Insbesondere ging es um ein Kryptogramm, das in einem seiner Romae versteckt ist und das noch nicht gefunden wurde. Meine Quelle war der kürzlich erschienene Artikel “Rudyard Kipling’s unsolved cryptogram” von Roger J. Morgan in der Fachzeitschrift Cryptologia. Ich habe Morgan anschließend über meinen Blog-Post informiert, und wir haben ein paar interessante E-Mails ausgetauscht.

Ein Thema aus Morgan’s Cryptologia-Artikel habe ich jedoch bewusst nicht erwähnt, da ich einen eigenen Blog-Post darüber schreiben wollte – was ich hiermit tue. Wie Morgan berichtet, erwähnte Kipling im Jahr 1910 in einem Brief an seinen Sohn eine Verschlüsselungsmaschine:

A little thing like a baby typewriting machine, only not much bigger than a Kodak which could transmit messages in cypher that no one could read and then translate the cypher back into plain English. The machine itself changes the cypher all the time it goes on.

Die beschriebene Verschlüsselungsmaschine hatte also folgende Eigenschaften:

  • Sie sah aus, wie eine kleine Schreibmaschine. Ich nehme an, dass Kipling hierbei an ein Gerät mit einer Tastatur dachte, wie man sie heute noch kennt. Es gab damals allerdings auch so genannte Index-Schreibmaschinen, die nur eine Taste hatten, wobei der zu druckende Buchstabe mit einem Schieber oder Rad eingestellt werden musste. Mit “Kodak” meinte Kipling vermutlich einen Fotoapparat.
  • Da die Maschine “die Chiffre selbst änderte”, dürfte es sich um eine polyalphabetische Chiffre gehandelt haben. Vermutlich hatte sie einen Rotor, ein Zahnrad oder ein ähnliches Bauteil, das sich nach jedem verschlüsselten Buchstaben drehte.

Polyalphabetische Verschlüsselungsmaschinen mit Tastatur gab es im Jahr 1910 noch nicht allzu viele, da die Zeit solcher Geräte erst nach dem Ersten Weltkrieg begann. Es wäre also interessant zu erfahren, was für ein Gerät Kipling damals gesehn hat.

 

Alexander Liwentaal

Der besagte Brief von Kipling an seinen Sohn wird auf einer Webseite erwähnt, die auch ein paar Hintergrund-Informationen zur besagten Verschlüsselungsmaschine nennt. Konstruiert wurde das Gerät anscheinend von einem Schweizer namens Alexander Liwentaal (1868-1940), der ansonsten eher als Flugpionier aufgefallen ist.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Zu Liwentaal habe ich zwei Quellen gefunden: einen Wikipedia-Artikel auf Estnisch und einen Eintrag im Historischen Lexikon der Schweiz aus dem Jahr 2006. Diesen Quellen kann man entnehmen, dass Liwentaals Vater aus Estland stammte. Er selbst wurde in Lausanne (Schweiz) geboren, studierte in Paris und wanderte später nach Kanada aus.

Unter anderem überquerte Liwentaal im Ballon die Alpen und unternahm Flugversuche mit einem Segelflieger. Er war am Bau von Flugzeugen und Luftschiffen beteiligt. Liwentaal war in rund 20 Branchen tätig, darunter in der Automobil- und der Rüstungsindustrie. Auch in der Kryptologie hat Liwentaal sich laut dem Histoischen Lexikon der Schweiz versucht, worüber ich jedoch keine weiteren Informationen gefunden habe.

Liwentaal hat im Laufe seines Lebens mehrere Patente eingereicht, die größtenteils die Luftfahrt-Technik betreffen. Ein Patent zur Verschlüsselungstechnik von ihm konnte ich dagegen nicht finden.

 

Andere Verschlüsselungsmaschinen aus dieser Zeit

Schauen wir uns noch zwei andere Verschlüsselungsmaschinen aus der fraglichen Zeit an. Das folgende Bild zeigt die bereits 1899 erstmals erhältliche Rehmann Diskret aus Deutschland. Es handelt sich dabei um eine Index-Schreibmaschine mit monoalphabetischer Verschlüsselungsfunktion:

Quelle/Source: Schmeh/Beck

Das folgende Bild zeigt die Verschlüsselungsmaschine des britischen Generals Percy Scott, die vor dem Ersten Weltkrieg entstanden ist. Auch sie arbeitet nach dem Prinzip einer Index-Schreibmaschine, verschlüsselt aber (durch ein Rad, das sich mit jedem gedruckten Buchstaben um eine Einheit dreht) polyalphabetisch:

Quelle/Source: Schmeh

Die beiden gezeigten Geräte haben vermutlich nichts mit der Liwentaal-Maschine zu tun, geben aber einen Eindruck von der Chiffriertechnik der damaligen Zeit.

 

Weiß ein Leser mehr?

Das ist alles, was ich bisher über Liwentaal und seine Krypto-Aktivitäten weiß. Wenn ein Leser mehr herausfinden kann, würde mich das sehr interessieren. Insbesondere wären natürlich zusätzliche Informationen zu seiner Verschlüsselungsmaschine von Interesse. Ich befürchte allerdings, dass man hier nach der Stecknadel im Heuhaufen sucht, denn Liwentaal hat im Laufe seines Lebens offenbar ziemlich viel gemacht, und nur ein kleiner Teil davon hat mit Verschlüsselung zu tun.

In jedem Fall würde ich mich über Hinweise aller Art freuen.


Further reading: Virtueller Nachbau einer Verschlüsselungmaschine, die nie gebaut wurde

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Kommentare (3)

  1. #1 Gerry
    7. Juli 2021

    According to this site http://www.pionnair-ge.com/spip1/spip.php?article11 from 1903 to 1905 he worked on a radio encryption machine, which was tested by the British Navy. At the Royal Maritime Museum Greenwich there is further correspondance from 1906 to 1907 (MER/60) regarding this: https://collections.rmg.co.uk/archive/objects/483639.html
    And finally there is a second entry on the pionnair site above that in 1908 he brought a crypto machine to Germany for evaluation. He became a british citizen in 1914, where in World War I he worked for the Royal Navy Air Service developing communication encryption: http://www.pionnair-ge.com/spip1/spip.php?article71

  2. #2 Thomas
    7. Juli 2021

    @Klaus
    Noch eine Anmerkung zu San Felipe: Es handelt sich – entgegen meiner zunächst geäußerten Ansicht (mein Kommentar Nr. 11) – nicht um die Festung bei Mahon, sondern um den früheren Namen der Stadt Xativa in der Provinz Valencia. Insoweit hatte ich mich im Blog bereits Karstens Deutung (Kommentar Nr. 12) angeschlossen, die durch eine zeitgenössische Zeitungsmeldung (s. mein Kommentar Nr. 13) gestützt wird.

  3. #3 Klaus Schmeh
    15. Juli 2021

    @Thomas: Danke für den Hinweis.

    >nicht um die Festung bei Mahon, sondern um
    >den früheren Namen der Stadt Xativa in der
    >Provinz Valencia
    Das habe ich nun korrigiert.